+3 Magazin November 2018 | Page 10

+2 10 WIR FRAGEN: WIE ENTSTEHT VERTRAUEN? ... und was ist Ihre Meinung? www.plus-drei.de [email protected] Kinder halten attraktive Menschen für vertrauenswürdiger. Quelle: Frontiers in Psychology © iStock./ South_agency Ute Frevert, Direktorin Forschungsbereich „Geschichte der Gefühle“, Max-Planck-Institut für Bildungsforschung Sozialer Kitt Vertrauen wird in Beziehungen ge- lernt. Kleinkinder erwerben es, wenn ihnen Mutter, Vater, Großeltern, Ge- schwister freundlich zugetan sind und als verlässlich erscheinen. Mangelt es an dieser Freundlichkeit und Verläss- lichkeit, entstehen Vertrauensbrüche, die das Kind irritieren und verletzen. Sie können aber durchaus gekittet und ausgeglichen werden – nicht zu- letzt deshalb, weil Kinder, als Reflex ihrer sozialen Abhängigkeit, unbe- dingt vertrauen wollen (und müssen). Je unabhängiger sie im Lebensverlauf werden, desto weniger existenziell wird Vertrauen. Aber es bleibt wichtig, erleichtert den Alltag und ermöglicht gesellschaftliches Miteinander. Wer Vertrauen schenkt und selber vertrau- enswürdig ist, erfreut sich größerer Sympathien als jemand, der seiner Umwelt mit abgrundtiefem Misstrau- en begegnet. Ein gewisser Grad an Misstrauen allerdings tut not, um sich gegen Vertrauensmissbrauch zu weh- ren. Wer blind und voraussetzungslos vertraut, lädt zum Missbrauch ein, und auch das lernen Kinder bereits auf dem Schulhof. Trau, schau, wem – diese Weisheit gilt bis heute. Damit aber zwischenmenschliches Vertrauen überhaupt entstehen kann, bedarf es institutioneller Absicherungen. Man kann Gesellschaften danach unter- scheiden, ob ihre Gerichte, Schulen, Polizisten und so weiter soziales Ver- trauen stärken oder schwächen. Dort, wo illiberale Regime ein Klima wech- selseitiger Denunziation und Überwa- chung pflegen, hat Vertrauen keine Chance. Gregor Mayntz, Vorsitzender Bundespressekonferenz Wertvolles Gut Wo „alternative Fakten“ von staatli- cher Seite geadelt und Journalisten handverlesen werden, wie es das Wei- ße Haus vormacht, muss das Vertrau- en sowohl in die Medien als auch in die Politik unter Druck geraten. Dagegen helfen Glaubwürdigkeit und Unab- hängigkeit. Die Bundespressekonfe- renz gehört somit zu den vertrauens- bildenden Institutionen. Denn sie ist vollkommen unabhängig von der Regierung, weil sich hier Journalisten zusammengefunden haben, um Pres- sekonferenzen und Briefings nach eigenen Spielregeln und nicht nach denen der Mächtigen zu veranstalten. Hier kommt jedes Mitglied dran, ganz unabhängig davon, wie zurückhaltend oder forsch seine Frage formuliert sein mag, ob es für ein Medium mit großer oder kleiner Reichweite arbei- tet. Bestandteil dieser Vertrauensbil- dung ist auch, dass die gesamte Bun- desregierung sich unabhängig von Tagesform oder Großwetterlage drei Mal in der Woche allen Fragen stellt und auch nicht ausweicht, wenn es gerade brisant oder unangenehm wer- den sollte. Natürlich wissen Politiker und Regierungsvertreter auf der einen und die Hauptstadtkorrespondenten auf der anderen Seite um ihre unter- schiedlichen Rollen. Diese Erwartun- gen haben sie in aller gebotenen Di- stanz zu erfüllen. Und es kann ihnen nicht gleichgültig sein, wer von ihnen mehr von Vertrauensverlust bedroht ist. Das unterstreicht umso mehr, wie sehr es in beider Interesse ist, Institu- tionen der Vertrauensbildung mit Le- ben zu füllen.