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WIR FRAGEN:
WIE ENTSTEHT
VERTRAUEN?
... und was ist
Ihre Meinung?
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Kinder halten attraktive Menschen für
vertrauenswürdiger. Quelle: Frontiers in Psychology
© iStock./ South_agency
Ute Frevert,
Direktorin
Forschungsbereich
„Geschichte der Gefühle“,
Max-Planck-Institut
für Bildungsforschung
Sozialer Kitt
Vertrauen wird in Beziehungen ge-
lernt. Kleinkinder erwerben es, wenn
ihnen Mutter, Vater, Großeltern, Ge-
schwister freundlich zugetan sind und
als verlässlich erscheinen. Mangelt es
an dieser Freundlichkeit und Verläss-
lichkeit, entstehen Vertrauensbrüche,
die das Kind irritieren und verletzen.
Sie können aber durchaus gekittet
und ausgeglichen werden – nicht zu-
letzt deshalb, weil Kinder, als Reflex
ihrer sozialen Abhängigkeit, unbe-
dingt vertrauen wollen (und müssen).
Je unabhängiger sie im Lebensverlauf
werden, desto weniger existenziell
wird Vertrauen. Aber es bleibt wichtig,
erleichtert den Alltag und ermöglicht
gesellschaftliches Miteinander. Wer
Vertrauen schenkt und selber vertrau-
enswürdig ist, erfreut sich größerer
Sympathien als jemand, der seiner
Umwelt mit abgrundtiefem Misstrau-
en begegnet. Ein gewisser Grad an
Misstrauen allerdings tut not, um sich
gegen Vertrauensmissbrauch zu weh-
ren. Wer blind und voraussetzungslos
vertraut, lädt zum Missbrauch ein,
und auch das lernen Kinder bereits
auf dem Schulhof. Trau, schau, wem
– diese Weisheit gilt bis heute. Damit
aber zwischenmenschliches Vertrauen
überhaupt entstehen kann, bedarf es
institutioneller Absicherungen. Man
kann Gesellschaften danach unter-
scheiden, ob ihre Gerichte, Schulen,
Polizisten und so weiter soziales Ver-
trauen stärken oder schwächen. Dort,
wo illiberale Regime ein Klima wech-
selseitiger Denunziation und Überwa-
chung pflegen, hat Vertrauen keine
Chance.
Gregor Mayntz,
Vorsitzender
Bundespressekonferenz
Wertvolles Gut
Wo „alternative Fakten“ von staatli-
cher Seite geadelt und Journalisten
handverlesen werden, wie es das Wei-
ße Haus vormacht, muss das Vertrau-
en sowohl in die Medien als auch in die
Politik unter Druck geraten. Dagegen
helfen Glaubwürdigkeit und Unab-
hängigkeit. Die Bundespressekonfe-
renz gehört somit zu den vertrauens-
bildenden Institutionen. Denn sie
ist vollkommen unabhängig von der
Regierung, weil sich hier Journalisten
zusammengefunden haben, um Pres-
sekonferenzen und Briefings nach
eigenen Spielregeln und nicht nach
denen der Mächtigen zu veranstalten.
Hier kommt jedes Mitglied dran, ganz
unabhängig davon, wie zurückhaltend
oder forsch seine Frage formuliert
sein mag, ob es für ein Medium mit
großer oder kleiner Reichweite arbei-
tet. Bestandteil dieser Vertrauensbil-
dung ist auch, dass die gesamte Bun-
desregierung sich unabhängig von
Tagesform oder Großwetterlage drei
Mal in der Woche allen Fragen stellt
und auch nicht ausweicht, wenn es
gerade brisant oder unangenehm wer-
den sollte. Natürlich wissen Politiker
und Regierungsvertreter auf der einen
und die Hauptstadtkorrespondenten
auf der anderen Seite um ihre unter-
schiedlichen Rollen. Diese Erwartun-
gen haben sie in aller gebotenen Di-
stanz zu erfüllen. Und es kann ihnen
nicht gleichgültig sein, wer von ihnen
mehr von Vertrauensverlust bedroht
ist. Das unterstreicht umso mehr, wie
sehr es in beider Interesse ist, Institu-
tionen der Vertrauensbildung mit Le-
ben zu füllen.