+3 Magazin November 2013 | Page 8

PLUS DREI 8 NOVEMBER 2013 Wer pflegt uns im Alter? Im Jahr 2030 werden in Deutschland 328.000 Pflegefachkräfte fehlen. © Matt Propert/National Geographic Society/Corbis Quelle: PricewaterhouseCoopers Das machen wir zusammen Ein Mensch – kein Pfleger ­ Wir sind zwar „nur“ Senioren, aber unsere Begegnungsstätte „Stille Straße“ ist auf dem besten Weg zu einem Treffpunkt für Jung und Alt zu werden. Inzwischen ist unser 15. Jahr angebrochen. Entscheidend ist die Toleranz zwischen den Generationen. In Pflegeheimen bräuchten die Menschen viel Zuwendung. Das ist unter den aktuellen Voraussetzungen kaum zu Der Dienstleistungssektor Altenpflege wird an seinem eigenen Wachstum ersticken. Eine Rückentwicklung der sehr hohen und sehr teuren Standards ist vorhersehbar. Schlimm ist das nicht, denn Altenpflege kann einfacher gedacht und gehandhabt werden. Weniger kann auch mehr sein. Man wird das Paradigma des „Gesunden Sterbens“, an selbst: „Die jungen Frauen halten mich fit.“ 2012 wurden die Kosten für die Sanierung des Hauses zunächst offiziell mit 2,5 Millionen Euro bemessen. Heute sind es nur 250.000 Euro. Die Kosten wurden höher geschraubt, als sie in Realität sind. Auch unsere Hausbesetzung war letztlich in den Augen vieler für uns kaum durchzuhalten. Aber wir haben es geschafft! Der „Der Wille ist entscheidend. Wir müssen uns in unserem Alter wehren!“ Doris Syrbe, Aktivistin der Begegnungsstätte „Stille Straße“, Berlin/Pankow leisten. Daher setze ich mich so stark für unser Haus ein. Für Initiativen wie die unsrige fehlt oft das Geld. Doch dass Menschen, wenn sie bei uns nicht Abwechslung fänden und fit blieben, anderweitig finanziert werden müssten – dann als teure Pflegefälle –, daran denken die wenigsten. Wir altern schneller, werden krank, wenn wir nicht aktiv bleiben. Unser Ältester ist 97, kommt immer zum Sport und sagt Wille ist entscheidend. Wir müssen uns in unserem Alter wehren! Daran änderte auch die vom Bezirk abgestellte Heizung nichts mehr – und das bei einem sozialdemokratischen Bezirksbürgermeister. Zudem war die Unterstützung der Anwohner enorm, ob nun per Wasserschlauch oder Stromanschluss. Alte und junge Generation wirken hier zusammen – in allen Lebensbereichen. hochqualifizierte Pflegeexpertin, die mich mobilisiert, die meine Wechseldruckmatratze auf mein Körpergewicht einstellen und diese Verrichtung korrekt dokumentieren kann. Ich wünsche mir einen Menschen, der neben der Pflegetätigkeit einen weiteren Beruf ausübt, der mich mit Anstand wäscht, der mich achtsam füttert, der mich regelmä- „In Ruhe verrückt werden dürfen.“ Erich Schützendorf, Autor des Buches “Das Recht der Alten auf Eigensinn: Ein notwendiges Lesebuch für Angehörige und Pflegende” dem sich die medizinisch und ökonomisch ausgerichtete Pflege und die sie überwachenden Instanzen orientieren, aufgeben müssen. Auch das ist nicht schlimm, denn der Erhalt der funktionalen Autonomie ist eine Illusion. Alter ist auch die Zeit des Nachlassens, des Abbaus, des Verblühens, des Verfalls, der Vergänglichkeit und des Rückzugs. Ich brauche, wenn es soweit ist, keine ßig mit meiner Lieblingsschokolade verwöhnt, der das normale Lebensrisiko in Kauf nimmt und der nicht immer für mich da ist, aber wenn, dann ganz. Menschen, die bereit und in der Lage sind, diese Ansprüche zu erfüllen, wird es immer geben. Die beste Pflege ist auch in Zukunft die, die ich mir wünsche und nicht die, die ein anspruchsvolles Pflegesystem am Leben erhält.