+3 Magazin März 2021 | Page 6

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Marius Specht , Leser
Fernweh auf Festplatte
Man kennt es . Die Bilder aus dem wenige Tage zurückliegenden Urlaub werden routiniert auf den Laptop rübergezogen und in einem Ordner abgelegt . Mit jedem Monat mehr in Richtung Weihnachten geraten die selbst geschossenen Andenken in Vergessenheit , denn der Alltag überschüttet die gewonnene Erholung
URLAUB TROTZ CORONA Auch 2021 bestimmt die Pandemie die Reisepläne der Deutschen
Urlaub in Europa und Deutschland hoch im Kurs
Wie beeinflusst das Coronavirus die Wahl des Urlaubsziels 2021 ?
29 %
Ich wähle eher ein Urlaubsziel in Deutschland
Plan B
29 %
Ich wähle eher ein heimatnahes Urlaubsziel in Europa
8 %
Ich wähle eher ein weltweites Urlaubsziel
Jürgen Simon , Leser
Tobias Hipp , Referent Naturschutz , Deutscher Alpenverein ( DAV )
Vor die Haustür , aber richtig
Strandurlaub ist die beliebteste Urlaubsart 2021
Welche der folgenden Urlaubsarten bevorzugen Sie aufgrund der Corona-Situation im Jahr 2021 ?
30 %
Strand- / Poolurlaub
Internet wichtigste Informationsquelle für Urlaub 2021
Die Reiseeinschränkungen haben dazu geführt , dass viele ihre Heimat besser kennen und schätzen gelernt haben , zum Beispiel beim Sport in der Natur vor der Haustür , in den Alpen oder Mittelgebirgen . Warum in die Ferne schweifen , wenn das Gute so nah liegt ? Das ist prinzipiell eine positive Entwicklung – Stichwort CO 2 -Emissionen – bringt aber auch neue Herausforderungen mit sich : Autokolonnen und Parkplatz-Chaos belasten Anwohner , dauerhafte Besuchermengen stören Wildtiere , es entstehen neue Steige inklusive Erosionen im Gelände . Damit die Reise- und Abenteuerlust nicht zulasten von Mensch und Natur geht , gilt es , nach dem FUN-Prinzip – freundlich , umsichtig und naturverträglich – unterwegs zu sein . Wie das am besten
Schnelle Rückkehr für viele größter Vorteil bei Reisen innerhalb Deutschlands
Welche Vorteile sehen Sie bei Reisen innerhalb Deutschlands während der Corona-Pandemie ?
Wo informieren Sie sich über die Corona-bedingten Hygienemaßnahmen und -vorschriften im Urlaubsland ?
45 %
31 %
„ Zu Hause ist es doch am schönsten “ oder „ Warum in die Ferne schweifen , wo das Gute liegt so nah ?“ klingt old fashioned – und trotzdem ist was Wahres dran . Die oberste Maxime sollte doch sein , den Fokus darauf zu richten , was geht , anstatt im Sehnen nach dem zurzeit Unmöglichen zu verharren . Und es geht so viel auch im Moment . Das Glas ist definitiv halbvoll . Der Frühling und die sonni- schneller als erwartet . Mal wieder , wie eigentlich jedes Jahr . Keine Reise war je genug , um nach deren Ende die Bilder liebevoll zu archivieren und für einen selbst oder seine Mitmenschen zu kuratieren . Man wollte sie nur sicher wissen , auf irgendeiner externen Festplatte oder in einer Cloud . Alle Bilder wurden in der „ Vor-Corona-Zeit “ kopflos in einem Ordner mit dem Versprechen an sich selbst archiviert , diesen Ordner mal an einem verregneten Sonntagnachmittag
24 % Städtereisen
z . B . über eine Suchmaschine oder einen Reiseblog
beim Auswärtigen Amt ( inklusive deren Internetseite )
21 %
Wander- / Aktivurlaub
28 %
26 %
Schnellere Rückkehr im Fall eines Lockdowns
beim Reisebüro oder Reiseveranstalter ( inklusive deren Internetseite )
vor Ort gen und zum Teil sehr warmen Tage locken geradezu raus ins Freie . Zu zweit oder alleine die Sonne , die lauen Lüfte zu genießen , ist einfach herrlich . Und soziale Kontakte lassen sich – regelkonform – auch im Freien pflegen . So gab es selbst im Winterzauber bei Schnee und Minusgraden Kaffee aus der Thermoskanne und Gebackenes auf einer Bank mit Blick auf den See . Dazu übrigens kubanische Musik vom Smartphone . Letzteres muss aber nicht , denn auch die Stille lässt sich genießen . Und ansonsten heißt es derzeit : entschleunigen . Ein Termin jagt mal nicht den nächsten . Zeit , inne zu halten , sich aufs Wesentliche zu konzentrieren und vielleicht auch gelegentlich an Plan A zu denken für die Zeit danach . endlich zu sortieren . Nichts ist seitdem passiert . Was also tun gegen das Fernweh in der Pandemie , welches einen nun wieder schweren Herzens plagt : Räume deine Urlaubsbilder auf , es wirkt Wunder . Wer sich einmal die Mühe und gleichzeitige Freude macht , seine digitalen Fotodateien zu sortieren , wird viele wunderbare Schätze aus vergangenen Tagen ganz ohne Maske und Abstandsregeln heben können , welche einem das Fernweh mindern werden .
44 %
41 %
Kürzere Anreise
9 %
34 %
Kenntnisse der Hygienemaßnahmen
in sozialen Netzwerken
Umfrage unter 1.008 Personen , Dezember 2020
Anja Junck , Flugbegleiterin
Luftloch im Leben
Quelle : DERTOUR
26 Jahre sind vergangen , seitdem ich das erste Mal als Flugbegleiterin in die Luft gegangen bin . 26 Jahre voller bereichernder Eindrücke , interessanter Begegnungen , interkultureller Erfahrungen und herausfordernder Situationen . Flugbegleiterin zu sein , ist nicht nur eine Entscheidung für einen Beruf , es ist vielmehr die Wahl einer Lebensform . 2020 hat ein Virus mir und vielen anderen die Flügel
geht ? Mach dir Gedanken zur Anreise . Wenn möglich fahr öffentlich , zum Beispiel mit dem Bergbus . Wer mit dem Auto kommt , parkt bitte nur auf öffentlichen Parkplätzen , nicht in Vorgärten , auf Privatgrund oder auf dem Feld . Nimm bitte deinen Müll wieder mit – auch „ Biomüll “ wie Bananenschalen oder Apfelbutzen . Probier ’ s mit nachhaltigen Zielen . Die Bergsteigerdörfer sind öffentlich erreichbar und haben Naturschutz und Nachhaltigkeit oben auf ihrer Agenda . Weitere Tipps findest du unter : alpenverein . de / Natur / Naturvertraeglicher-Bergsport
Susanne Schmetkamp , Philosophin
Das Fremde erkennen
Fernweh scheint das Gegenteil von Heimweh . Beim Heimweh sehnen wir uns nach dem Vertrauten , dem Zuhause , der Geborgenheit . Die Ferne lockt mit etwas anderem : dem Unvertrauten , Fremden , Neuen . Ob es mit einem Schmerz verbunden ist , lässt sich nicht pauschal beantworten . Jedoch verspricht die Ferne etwas , das in uns zumindest eine Unruhe auslöst , die uns dazu motiviert , zu reisen . Das Reisen in andere , fremde oder zumindest nicht mit dem Zuhause deckungsgleiche Gebiete eröffnet uns neue Perspektiven , erweitert unseren Horizont . Das lässt uns Neues sehen oder zumindest vieles in einem neuen Lichte betrachten : Andere Lebensformen , anderen Sitten ermöglichen uns , uns selbst infrage zu stellen und zu sehen , dass das Leben so , aber auch ganz anders sein kann . Das schult uns in den Ideen der Toleranz und des Pluralismus . Um das zu erlangen , muss die Reise in das Fremde , Unvertraute aber nicht zugleich eine Reise in die Ferne sein : Selbst nahestehende Menschen sind uns manchmal sehr fern und sollten es auch sein dürfen – mit ihren Gedanken , Gefühlen , Zielen , Werten . Sich dem Fernen und Fremden zu öffnen , gehört mithin zu einer auch generellen Ethik des guten Lebens und zu einer umfassenden Selbst- und Welterkenntnis : Wir sind stets aufgefordert , über den Tellerrand zu schauen und es uns nicht allzu gemütlich zu machen im Heimischen . Das Fremde und dessen Akzeptanz sind die Regel , nicht die Ausnahme . Das gehört zum menschlichen Dasein .
gestutzt . Zum ersten Mal wurde der großen globalen Reisegemeinde ein Stoppschild vorgehalten , ganz plötzlich wurde die eben noch so kleine Welt auf einmal ganz groß , unerreichbar groß . Familien sind über die ganze Welt verteilt und finden nicht zueinander , Vielflieger sammeln statt Flugmeilen Punkte im heimatlichen Supermarkt und ich schlafe jede Nacht in meinem eigenen Bett . Es sind die kleinen Dinge , die mir den Verlust meines Fliegeralltags aufzeigen : der staubige Koffer im Kellerregal , die letzte Flasche meiner amerikanischen Lieblingsseife oder der letzte Rest des indischen Currypulvers , das ich in die Soße rühre . Die Welt verschwindet immer weiter aus meinem Leben . Sorgen und Gedanken über das , was kommt , treten an ihre Stelle . Menschen werden wieder reisen , sie werden wieder fliegen , aber es wird anders , es gibt kein Zurück in der Geschichte . Ich habe Hoffnung und mache aus der Not eine Tugend : Ich genieße das tägliche Zusammensein mit meiner Familie und nutze die freie Zeit für ein Studium . Aber ich vermisse die Welt .