+3 Magazin März 2021 | Page 20

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Ohne Alternative
Die Antwort ist kurz und eindeutig : Weil wir keine Wahl haben . Denn die Qualität eines Gesundheitssystems bemisst sich künftig immer weniger nach der Anzahl der Intensivbetten oder dem Vorhandensein medizinscher Geräte . Diese Grundtugenden bleiben wichtig , sind aber Parameter einer auslaufenden Epoche . Entscheidend für die Leistungsfähigkeit der medizinischen Versorgung werden neben der Qualität des medizinischen Personals vor allem der Grad der Digitalisierung und die Verfügbarkeit von Daten sein . Nur mit der Nutzung von Algorithmen und Künstlicher Intelligenz nutzen wir die Chancen des medizinischen Fortschritts in vollem Umfang für unsere Patientinnen und Patienten , etwa bei personalisierten Therapien in der Onkologie . Nur auf digitaler Grundlage optimieren wir die Kommunikation zwischen den Akteuren im Gesundheitssystem . Und vor allem : Nur mit digitalen Lösungen entlasten wir unsere Beschäftigten von patientenfernen Tätigkeiten , schaffen mehr Zeit für die Kommunikation und machen damit die Medizin menschlicher und empathischer . Die schmerzhafte Erkenntnis des tiefgreifenden digitalen Defizits ist hoffentlich ein Weckruf für eine innovative , zukunftsfähige Gesundheitswirtschaft , in der Digitalisierung nicht als Gegenpol eines
Andrea Vogel , Leserin
Jochen A . Werner , Ärztlicher Direktor und Vorstandsvorsitzender Universitätsmedizin Essen
Fachleute aufgepasst
überzogenen Datenschutzes gesehen wird , sondern als historische Chance , den Menschen eine bessere Gesundheitsversorgung anzubieten und die Medizin insgesamt humaner und zugleich dauerhaft finanzierbar zu machen .
36 %
Kardiologie
27 %
Onkologie
19 %
Chirurgie
12 %
Orthopädie
10 %
DIGITALE TREIBER
Welche Fachbereiche als besonders innovativ gelten
Zahnheilkunde
29 %
Diagnostik
25 %
Neurologie
14 %
Radiologie
12 %
Diabetologie
8 %
Ophthalmologie
Gundi Günther , Leserin
Jede Menge Vorteile
Vielleicht stehen wir uns mit unserem Wahn nach Datenschutz auch selber im Weg . Es macht doch Sinn , die Gesundheits- und Krankheitsdaten eines Menschen zu bündeln , zu zentralisieren und schnellstmöglich zur Verfügung zu haben , um eine genaue Diagnose erstellen und den Heilprozess optimieren zu können . Dafür bedarf es selbstverständlich eines idealen und somit digitalen Gesundheitssystems . Ich kann doch nur damit einverstanden sein , dass jeder Arzt , den ich konsultiere , meine Anamnese kennt . Vielleicht gibt es irgendwann den einpflanzten Chip , der Auskünfte über meine Körpergeschichte gibt . Auch das wäre meines Erachtens im Sinne der Medizin und der Menschen begrüßenswert .
Ihr Name , Leserin
Was ist Ihre Meinung ?
Schreiben Sie uns , was Sie zu den kommenden Fragen auf der letzten Seite denken – vielleicht erscheinen Sie dann im nächsten Heft .
Sebastian Zilch , Geschäftsführer Bundesverband Gesundheits-IT ( bvitg )
Feuertaufe bestanden
Dilek Gürsoy , Herzchirurgin , Forscherin und Autorin
Jede Stimme zählt
Fortschritt funktioniert nur , wenn nicht ausschließlich diejenigen miteinbezogen werden , die am Schaltknüppel sitzen . Sprich : Deutschland muss endlich anfangen , sich auch die Stimmen anzuhören , die normalerweise erst gar nicht berücksichtigt werden . Das Gleiche gilt für die Digitalisierung im Gesundheitswesen : Wer dabei erfolgreich sein will , muss endlich auch die Menschen ernst nehmen , die weit unterhalb der Geschäftsführung arbeiten . Außerdem sollten nicht die Befindlichkeiten der Führung im Fokus stehen , sondern immer das Medizinische und das Patientenwohl . Sonst verkommt Digitalisierung mehr und mehr zum Modewort , das zwar gut klingt , aber in der Praxis nicht ankommt . Als ich ein Jahr intensiv versucht habe , eine für mich adäquate Stelle in der Herzchirurgie zu finden , habe ich gemerkt , dass es selbstbewusste und erfolgreiche Frauen mit mutigen Ideen in Bereichen wie der Chirurgie nach wie vor sehr schwer haben , Fuß zu fassen . Hinzu kommt , dass das Gesundheitswesen viel zu sehr in festgefahrenen Strukturen klebt , dass Menschen mit anderen Visionen , die vielleicht nicht den typischen Karriereweg gegangen sind , kaum eine Chance haben . Wir müssen also hinsichtlich der Digitalisierung viel offener werden für andere Ideen . Auch für welche , die von außen kommen . Gerade deswegen ist es in diesem System sehr wichtig , niemals aufzugeben und für seine Ziele zu kämpfen . Sonst bauen sich die Visionäre eben ein eigenes System auf .
Die Digitalisierung soll Effizienz ins Gesundheitswesen bringen , dazu Ärzten mehr Zeit für den Patienten und bessere Behandlungen , in der Wissenschaft innovative Forschungsergebnisse . Aktionen wie die Corona- App zeigen aber , dass es auch um den gläsernen Bürger gehen könnte , wenn die Fachleute nicht aufpassen .
Anna-Sophia Kouparanis , Gründerin und Geschäftsführerin Algea Care
Mit Cannabis gegen chronischen Schmerz
5 %
Anästhesie
5 %
Andere
Umfrage unter 118 Unternehmen aus der Medizintechnik-Branche , August-September 2020
Quelle : BVMed DIES IST EINE GESPONSERTE ANTWORT , ALSO EINE ANZEIGE
Medizinisches Cannabis kann eine wirksame Behandlung für schwere Krankheiten wie chronische Schmerzen , Schlafstörungen oder Depressionen sein . Daher ist es seit vier Jahren als Arzneimittel in Deutschland zugelassen . Doch die Versorgung läuft schleppend . Bereits mehrfach wurde die für Patienten schwierige Situation im Bundestag thematisiert . Um die Versorgung und Lebensqualität der Patienten zu verbessern , habe ich mit Dr . med . Julian Wichmann Algea Care gegründet , den ersten telemedizinischen Dienstleister mit Fokus auf ärztliche Behandlungen mit medizinischem Cannabis . Unser Ziel ist die patientengerechte und unbürokratische Versorgung unter Einhaltung sämtlicher Regularien . Außerdem klären wir über den medizinischen Nutzen von Cannabis auf . Das ist notwendig , weil Cannabis hauptsächlich als Droge , an-
Die vergangenen Monate haben gezeigt : Vieles geht auch digital und oft sogar besser als von vielen erwartet . Eines der besten Beispiele dafür sind Videosprechstunden , die 2020 ihren Durchbruch feierten : Während es 2019 bundesweit davon knapp 1.700 gab , waren es Ende Mai 2020 schon 200.000 . Die Selbstverständlichkeit ,
statt als Arznei wahrgenommen wird . Für viele Schmerzpatienten und Chroniker ist diese natürliche Heilpflanze aber oft ein Hoffnungsschimmer , zum Beispiel wenn andere Medikamente nicht anschlagen oder schwere Nebenwirkungen haben . Unser telemedizinischer Ansatz ermöglicht eine bequeme und engmaschige Patientenbetreuung . Das ist wichtig , weil die Cannabis-Therapie sehr komplex und individuell ist . Wartezeiten auf Termine oder im Wartezimmer gibt es bei uns nicht . Deshalb ist Telemedizin bei schweren chronischen Erkrankungen der einfache und unkomplizierte Weg zu ärztlicher Kompetenz . mit der telemedizinische Lösungen in den vergangenen Monaten zum Einsatz kamen , darf aber nicht darüber hinwegtäuschen , dass die Rahmenbedingungen hierzulande alles andere als optimal sind : Erst 2018 wurde das Fernbehandlungsverbot gelockert . Die seitdem geltenden Obergrenzen für solche Behandlungen sind derzeit nur pandemiebedingt ausgesetzt , also noch längst nicht aufgehoben . Maximal 20 , bald 30 Prozent ihrer Patientenkontakte dürfen Ärztinnen und Ärzte pro Quartal normalerweise als Videosprechstunde abrechnen . Hinzu kommt , dass Videosprechstunden noch immer bis zu 30 Prozent schlechter vergütet werden . Wir müssen endlich anfangen , die Telemedizin als gleichwertigen Teil der Patientenversorgung anzuerkennen und ihr den Entfaltungsraum zuzugestehen , den sie verdient . Von den Vorteilen wie kurze Wege , geringere Wartezeiten sowie Vermeidung des Infektionsrisikos konnten sich Patientinnen und Patienten sowie Ärztinnen und Ärzte bereits zu Genüge überzeugen – worauf warten wir also noch ?