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Marc Evers,
Leiter Referat Mittelstand,
Existenzgründung,
Unternehmensnachfolge,
Deutscher Industrie- und
Handelskammertag (DIHK)
Gemeinsam stärker
Demografie, Digitalisierung und zu-
nehmende konjunkturelle Unsicher-
heiten machen das Umfeld für Unter-
nehmen immer komplexer. Das gilt
besonders für den Mittelstand, wo
viele Unternehmen häufig über keine
eigenen Innovations-Labs oder -Hubs
verfügen. Doch auch hier ist der In-
novationsdruck hoch. Gemeinsam mit
Startups können Mittelständler Her-
ausforderungen nicht selten in Chan-
cen verwandeln. Die Möglichkeiten
sind dabei so vielfältig wie der Mittel-
stand selbst. Häufig anzutreffen sind
Entwicklungspartnerschaften, Zulie-
ferverhältnisse oder auch lose Koope-
rationen. Wichtig ist, dass beide Sei-
Olaf Künter, Leser
Näher als man denkt
Beide Parteien können so viel vonein-
ander lernen. Startups bringen frischen
Wind rein, neue Ideen und neue Arten,
Unternehmen zu führen. Da sollte der
eingefleischte Mittelstand ruhig mal
genauer hinschauen. Doch von wem
können Startups besser lernen als vom
Mittelstand, der schon wissen sollte,
wie der Hase läuft? So unähnlich sind
sie sich nämlich gar nicht.
Mario Ohoven,
Präsident Bundesverband
mittelständische
Wirtschaft – Unternehmer-
verband Deutschlands
(BVMW)
Win-Win-Situation
Arbeiten Startups und etablierte Mit-
telständler zusammen, profitieren
davon beide Seiten. Die Kooperation
eröffnet am Markt etablierten mit-
telständischen Unternehmen den
Zugang zu neuen innovativen Tech-
nologien und somit auch zu einem
erweiterten Portfolio und neuem Um-
satzpotenzial. Eine aktuelle Umfrage
zeigt, dass mehr als drei Viertel der
Klein- und Mittelbetriebe im Tech-
nologiebereich bereits erfolgreich mit
Startups zusammenarbeiten. Und so-
gar 90 Prozent möchten mit Startups,
die neue Produkte entwickeln, koope-
rieren. Startups wiederum profitieren
von der Erfahrung etablierter Mittel-
ständler. Außerdem erhoffen sie sich
neue Unternehmenskontakte. Umso
bedenklicher ist die seit Jahren sin-
kende Zahl der Unternehmensgrün-
dungen in Deutschland. Ende 2018
wurde mit 547.000 neuen Existenz-
gründungen der bisherige Tiefpunkt
erreicht – ein Rückgang von 10.000
Existenzgründungen gegenüber dem
Jahr zuvor. Zugleich wandern junge
ten von Anfang an klarstellen, was sie
voneinander erwarten und wie sie ein
gemeinsames Win-Win schaffen wol-
len. Trotz mancher Unterschiede etwa
in puncto Etikette oder Hierarchien,
eines haben Mittelstand und Startups
in Deutschland oft gemeinsam: die
hohe Identifikation mit dem eigenen
Unternehmen. Eigentum und Leitung
liegen zumeist in einer Hand. Anknüp-
fungspunkte können Startups und
Mittelständler etwa über die 79 Indus-
trie- und Handelskammern finden. Als
neutrale Partner bringen sie vor Ort
branchenübergreifend Kleine und Gro-
ße, Etablierte und Startups zusammen.
Die Palette reicht von Fachausschüssen
über Gründertalks und Wettbewer-
be, Mentoren-Services und Pitching-
Events mit Finanzierern bis hin zum
Format „Start.up! Germany“, einer
Roadshow für Startups aus aller Welt,
die von den Auslandshandelskammern
ausgewählt und begleitet werden.
ZUSAMMENARBEIT Der Mittelstand und seine Erfahrungen mit Startups
Zufriedenheit mit den Kooperationsbeziehungen
Gesamt
In den für die Unternehmen relevanten Zielfeldern
Erschließung neuer Technologien
73%
23%
3%
3%
Gestaltung der Digitalisierung
71%
28%
70%
(Sehr) zufrieden
27%
3%
Produkt-/Dienstleistungsentwicklung
64%
33%
Zugang zu neuen Märkten
62%
33% 5%
Zugang zu talentierten Fachkräften
58%
39% 3%
Teilweise zufrieden
3%
(Sehr) unzufrieden
Mögliche Probleme in der Zusammenarbeit mit Startups
48%
Unterschiedliche Unternehmenskulturen
32%
31% Probleme bei der Definition gemeinsamer Ziele 21%
29%
23%
Unternehmen
mit 10%
Kooperations-
erfahrung 9%
Widerstände im eigenen Unternehmen 15%
Unzuverlässigkeit der Startups 17%
Unternehmen
14% ohne
Kooperations-
3% erfahrung
Unzureichende Vertrauensbasis
Probleme beim Datenschutz
8% Keine gemeinsame Kommunikationsbasis 7%
5% Sonstige 5%
23% Keine Probleme 47%
unter 105
Teil: Abweichung
›
Quellen: IfM Bonn, BDI, Deutsche Bank
Startups aus dem IT-Bereich ins Aus-
land ab. Im Ergebnis drohen unserem
Land die Unternehmer auszugehen.
Mit der Kommission „Startups und
Unternehmensgründungen“ setzt sich
der BVMW gegenüber der Politik da-
für ein, dass Startups und Unterneh-
mensgründer bessere Rahmenbedin-
gungen bekommen. Dazu gehören
neben einer Vereinfachung der Grün-
dungsfinanzierung vor allem ein Wag-
niskapitalgesetz und konsequenter
Bürokratieabbau. Kurzum: Unterneh-
mertum muss in Deutschland wieder
attraktiv werden.
Alfred Möckel,
Business Angel
Früh involviert
Nach aktuellem Global Competi-
tiveness Index des Weltwirtschafts-
forums ist Deutschland noch immer
die Nummer eins in der Kategorie
„Innovation Capability“. Viele Unter-
nehmen leben hierzulande allerdings
mehr von schrittweiser Innovation,
statt wirklich disruptiv Neues zu
Denise Werber, Leserin
Trend der Zeit
Ist es nicht ein fließender Übergang?
Eigentlich wird aus einem Startup
mit der Zeit ein Mittelstandsunter-
nehmen. Sie sollen wachsen, gedei-
hen und in einigen Jahren so stabil
und eigenständig sein, dass sie die
Wirtschaft maßgeblich mitgestalten
können. Aber aktuell ist es ja mo-
dern, diese Startup-Philosophie zu
leben, egal, wie groß das Unterneh-
men ist. Das scheint wahrscheinlich
schaffen. Die großen globalen Trends
gehen nicht zuletzt deshalb an uns
vorbei. Es ist daher dringend gebo-
ten, dem deutschen Mittelstand, dem
Rückgrat unserer Wirtschaft, eine
Frischzellenkur zu verpassen. Die
Zusammenarbeit mit Startups bie-
tet hier ungeahnte Möglichkeiten.
Oft sind Mittelständler allerdings
versucht, Startups als Corporate
Venture zu sehr an sich zu binden
und in bestehende Strukturen einzu-
gliedern. Auch Hubs außerhalb der
Standorte müssen nicht automatisch
zu größeren Freiheitsgraden führen,
denn es besteht die Gefahr, dass das
unternehmerische Handeln rundge-
Nick Martin Willer,
Vorsitzender Kommission
Startups und Unternehmens-
gründungen, Bundesverband
mittelständische Wirtschaft
– Unternehmerverband
Deutschlands (BVMW)
Zwei Welten
nähern sich
Damit Mittelstand und Startups zu-
sammenfinden, braucht es zunächst
einen Rahmen, um sich kennenzu-
lernen. Diesen bieten etwa Verbände
wie der BVMW, die über Veranstal-
tungen und gezielte Vernetzungen
Startups und Mittelstand zusam-
menbringen. Die Basis für eine mög-
liche Zusammenarbeit sind konkrete
Synergien, die für beide Seiten einen
relevanten Nutzen bringen. Klassi-
scherweise sind das bei etablierten
Unternehmen Bestandskunden und
Erfahrungswerte und bei Startups in-
novative Produkte. So bekommt das
Startup einen schnellen und sicheren
Markteintritt und der Mittelständler
eine innovative Erweiterung seines
Produktportfolios. Damit die Zu-
sammenarbeit möglichst reibungs-
arm läuft, braucht es Menschen, die
Brückenfunktionen einnehmen. Das
können externe Berater sein oder
interne Mitarbeiter, die sich mit
beiden Unternehmenskulturen gut
auskennen. Diese unterscheiden sich
etwa im Führungsstil, bei den Ar-
beitsbedingungen oder im unterneh-
merischen Fokus. Startups geht es
häufig um schnellstmögliche Markt-
durchdringung und exponentielles
Wachstum, Mittelständlern eher
um Sicherung und den soliden Aus-
bau des Status quo. So oder so: Die
Welten haben schon lange begonnen,
sich anzunähern. Traditionelle Un-
ternehmen adaptieren immer mehr
agile Methoden und New Work für
sich, um auch in der Zukunft wettbe-
werbsfähig zu sein. Und Startups, die
eine gewisse Größe überschreiten,
werden etablierten Unternehmen
strukturell immer ähnlicher.
heutzutage einfach ein Muss zu sein.
Die Unternehmen müssen sich wan-
deln und attraktiver werden für die
paar Fachkräfte, die wir noch haben.
schliffen wird. Gerade unternehme-
risch denkende Gründer fühlen sich
durch solche Strukturen stark einge-
schränkt. Die besten Gründer sind
somit dafür schwer zu gewinnen,
die an sich sehr gute Idee wird kon-
terkariert. Viel besser funktioniert
es, wenn sich Mittelständler selbst
als Business Angel in frühphasigen
Startups engagieren, um damit ganz
direkt mit unkonventionellen Ideen,
neuen Techniken, Trends und den
unterschiedlichsten Businessplänen
konfrontiert zu werden. Das kann
den Horizont erweitern und unseren
Mittelstand besser dazu befähigen,
neue Innovationen hervorzubringen.