+3 Magazin März 2019 | Page 11

+2 Björn Schumacher, Molekularbiologe und Träger des Eva Luise Köhler Forschungspreises für Seltene Erkrankungen Kindliche Greise Die Frage, warum wir altern, hat mich schon damals im Biologie- Leistungskurs fasziniert, aber ich war lange unentschlossen, ob ich Mole- kularbiologie oder Medizin studieren soll. Heute arbeite ich am CECAD Exzellenzcluster für Alternsforschung der Universität Köln an der Schnitt- stelle von beidem. Ich beschäftige mich vor allem mit DNA-Reparatur- mechanismen, die von essenzieller Bedeutung für unsere Gesundheit und unser Altern sind. Denn das menschliche Erbgut ist – etwa durch UV-Strahlung oder Tabakrauch, aber auch durch ganz normale Stoffwech- selprozesse in der Zelle – ständigen Beschädigungen ausgesetzt. Diese werden normalerweise von zelleige- nen Reparatursystemen behoben. Bei einigen sehr seltenen Erbkrankheiten funktionieren diese Prozesse jedoch nicht richtig – mit dramatischen Fol- ge für die jungen Patienten. Einige re- agieren extrem empfindlich auf UV- Strahlung und entwickeln schon im Kindesalter Hautkrebs, andere altern wie im Zeitraffer und leiden früh an typischen Alterskrankheiten wie Ar- terienverkalkung. Weil es derzeit kei- 11 VERBORGENE LEIDEN Die wichtigsten Fakten zu seltenen Erkrankungen 350 Millionen, also fast 5% der Weltbevölkerung, leben mit einer seltenen Erkrankung. Etwa 75% der seltenen Erkrankungen betreffen Kinder. Seltene Erkrankungen wiegen schwer Über 7.000 seltene Erkrankungen sind bekannt. 4 Millionen Betroffene leben in Deutschland. Der Weg zur Diagnose ist lang Typischerweise werden bis zu 8 Ärzte aufgesucht. Im Durchschni€ vergehen bis zur richtigen Diagnose 4,8 Jahre. 40% der Patienten erhalten mindestens einmal eine Fehldiagnose. Quelle: Shire Deutschland ne Therapie gibt, erreichen die meis- ten nicht einmal das Teenageralter. Mit einem neuen Forschungsprojekt, das gerade mit dem Eva Luise Köhler Forschungspreis für Seltene Erkran- kungen ausgezeichnet wurde, wol- len mein Team und ich nun erstmals Ansatzpunkte für eine Therapie ent- wickeln. Ich bin überzeugt, dass uns seltene Krankheiten dabei auch Ein- blicke in das Geheimnis des mensch- lichen Alterns gewähren. Antje Mater, lebt mit dem Marfan-Syndrom Mein kleines Ritual Nudeln mit Tomatensoße ist das Ge- richt meiner Kindheit. Ich brauchte lange, bis ich es so kochen konnte wie meine Mutter. Genauso lange wie zu erkennen, dass ich, wann immer Mar- fan spürbar wird und ich Angst habe, Nudeln mit Tomatensoße esse. Die Halterung der Augenlinsen schlackert, irgendwann müssen künstliche Linsen operiert werden. Lassen Sie das jähr- lich untersuchen. Mein Mann fragt: „Warst du beim Augenarzt?“ Butter schmilzt im Topf und ich rühre Mehl ein. Nach einer Grippe schmerzt mein Brustkorb. Sind es nur die Rippenmus- keln oder haben sich Bakterien an den operierten Stellen am Herzen festge- setzt? Ich lösche mit passierten Toma- ten ab und schnipple die Jagdwurst. Schmerzen an der Lendenwirbelsäule – nur meine Skoliose oder doch eine be- drohliche Aussackung der Bauchaorta? „Wann holst du das MRT-Ergebnis ab?“ Ich gebe die Nudeln ins kochen- de Wasser. Der schmerzhafte Druck hinter der Stirn – ein erneuter Defekt der Rückenmarkzysten? Ein Schuss Sahne in die Soße. Seit fast einem Jahr lerne ich in der Therapie, wie ich mei- ne Angst zulasse und bewusst auflösen kann. Einfach ist das nicht. Heute holte ich das Ergebnis des MRTs. Ein Neu- rologe sollte mal draufschauen, denke ich, und tauche meinen Löffel tief in eine Portion Nudeln mit Tomatensoße. Anzeige Hinter einer Entwicklungsverzögerung bei Jungen kann mehr stecken. Könnte es Duchenne Muskeldystrophie sein? Mehr erfahren: www.hinterherstattvolldabei.de ›