Christine Lemaitre , Geschäftsführender Vorstand Deutsche Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen ( DGNB )
Lebenswertes Umfeld
Unsere Städte sind überwiegend laut , schmutzig , heiß und es fehlen Außenräume für das soziale Miteinander . Ist es nicht verrückt , dass wir uns diese Welt selbst gebaut haben ? Eine Welt vollverglaster Gebäude , die sich entlang autofreundlich asphaltierter Straßen gegenseitig überragen . Diese Welt des „ höher , schneller , weiter “ ermöglicht es uns , das ganze Jahr über individuell und bequem von unserem Wohnort zum Büro zu gelangen . 365 Tage im Jahr können wir unseren Anzug tragen , denn unsere Büros sind entsprechend konditioniert . Diesen Energiewahnsinn nennen wir Komfort
|
. Haben wir verlernt , was lebenswertes Leben bedeutet ? Es erstaunt mich immer wieder , auf wie viele Beharrungskräfte ich stoße , wenn ich über ein positives Stadtbild spreche . Um das soziale Miteinander im Außenraum zu erleben , fahren wir einfach in den Urlaub nach Neapel . Jetzt kommt der Klimawandel , vervielfacht die tropischen Nächte und lehrt uns , dass es ohne Grünflächen und Verschattungen im Außenraum unerträglich wird , dass Autoabgase und energieintensive Kühlung alles noch verschlimmern . Wenn wir es also wirklich verlernt haben , was lebenswertes Leben heißt , lassen Sie uns den Warnruf durch den Klimawandel als Chance begreifen und Architektur erschaffen , die wieder auf Klima und Kultur reagiert . Außenräume gestalten , die Freude machen . Wenn wir unsere Bedenken beiseiteschieben , kann uns eigentlich nur eines passieren : eine positive Umwelt , die uns gesund macht . |
Jochen Eisenbrand , Chefkurator Vitra Design Museum
Weniger ist mehr
Aufgeständerte Betten erschließen den Luftraum , Treppen mit integrierten Schubladen und aufgedoppelte Böden schaffen Stauraum , Betten lassen sich wegklappen , Tische zusammenfalten . Wenn es um Wohnen auf kleinstem Raum geht , sind räumliches Denken und Erfindungsreichtum gefragt . In den letzten Jahren entstanden immer wieder neue Projekte , die aus einem Minimum an Raum das Maximum an Nutzungsmöglichkeiten herausholen . Tatsächlich haben solche Konzepte eine lange Geschichte : Von der „ Wohnung für das Existenzminimum “ Ende der 1920er-Jahre bis zu den Wohnkapseln
|
des Raumfahrtzeitalters . Heute reagiert die Architekturwelt mit wandelbaren Einbauten auf den Mangel an bezahlbarem Wohnraum in Innenstädten . Ein Mangel , der getrieben wird von Immobilienspekulation , digitalen Vermietungsportalen und der Privatisierung ehemals städtischer Wohnimmobilien . Ein Architekturbüro aus Madrid , das sich unter anderem mit raumsparenden , transformierbaren Interieurs einen Namen gemacht hat , betrachtet das Zuhause als Theater und die Inneneinrichtung als Bühnenbild , das sich im Laufe des Tages immer wieder wandelt . Die Metapher der Wohnung als Bühne hat durch die Digitalisierung , soziale Medien und den Einfluss der Pandemie auf das Wohnen noch an Bedeutung gewonnen . Das Geschehen auf der Wohnbühne ist vielseitiger geworden und durch berufliche wie private Videokonferenzen gibt es ein neues Publikum . Auch das Wohnen selbst ist also im Wandel . |