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Wilhelm Windisch , Professor für Tierernährung , TU München
In Balance bringen
Nutztiere werden oft als Belastungsfaktoren von Umwelt und Klima gesehen , vor allem die Rinder . Dabei wird jedoch übersehen , dass nur etwa ein Fünftel der landwirtschaftlichen Biomasse vom Menschen überhaupt essbar ist . Die anderen vier Fünftel werden durch Nutztiere im landwirtschaftlichen Stoffkreislauf gehalten und ohne Nahrungskonkurrenz zum Menschen sowie ohne eine signifikante Mehrbelastung von Umwelt und Klima in hochwertige Nahrung überführt . Die dabei erzeugten Kilokalorien und vor allem das Nahrungseiweiß entspricht mengenmäßig der Basisproduktion an veganen Lebensmitteln . Im Gegensatz dazu sind Zellkulturen wie das sogenannte Kunstfleisch starke Konkurrenten um bereits existierende vegane Nahrung , denn sie müssen mit hochgereinigten Nährstoffen „ gefüttert “ werden . Bei der Herstellung veganer Substitute fallen große Mengen an nicht essbarer Biomasse an , die über Nutztiere in zusätzliche Lebensmittel umgewandelt werden können . Ins
Dr . Matthias Baum , Leiter AgrarKompetenz- Center und Filialdirektor , R + V Allgemeine Versicherung AG
Neue Risiken managen
Neben dem zunehmenden Auftreten von Extremwetterlagen sowie neuartigen Tierseuchen gewinnen Aspekte wie Nachhaltigkeit und Tierwohl immer mehr an Bedeutung . Auch die Digitalisierung von Arbeitsprozessen schreitet voran , weshalb Datenschutz und Datensicherheit immer wichtiger werden . Wir müssen uns permanent auf neue Risiken einstellen und mit gezielten Versicherungslösungen reagieren . Dazu dient der enge Kontakt des AgrarKompetenzCenters zur Landwirtschaft und der regelmäßige Austausch mit dem grünen Berufsstand . Ein Ergebnis ist die Cyberversicherung in der AgrarPolice , die im Falle eines Hackerangriffs für die Wiederherstellung der IT-Systeme aufkommt , sodass der Landwirt handlungsfähig bleibt . Die Ertragsschadenversicherung für die Rinder- , Schweine- und Geflügelhaltung ist ein anderes Beispiel . Diese deckt unter anderem das Veränderungsrisiko ab , das sich aus bisher nicht bekannten Tierseuchen ergeben kann . In das Tierseuchengesetz neu aufgenommene Tierseuchen sind somit automatisch
gesamt erreicht die Erzeugung von Lebensmitteln ihr Minimum an Umwelt- und Klimawirkungen durch ein Gleichgewicht aus Pflanzenbau und Nutztierhaltung , deren Intensität durch die Verfügbarkeit von nicht essbarer Biomasse limitiert wird . Gegenüber der heutigen Situation hätte dies einen massiven Abbau der Geflügelund Schweinehaltung zur Folge . Rinder und andere Wiederkäuer würden dagegen auch weiterhin resiliente Systeme mit geringem Input und hohem Output tragen .
Ökologisch bewirtschaftete Fläche
Öko-Anteil an landwirtschaftlichen
Betrieben insgesamt
Anzahl der
Betriebe
5,9 % 6,5 % 10,3 %
0,99
1,09
2010
2015
2020
7,3 % 9,0 % 13,5 %
21.942
Alfons Balmann , Direktor Leibniz-Institut für Agrarentwicklung in Transformationsökonomien ( IAMO )
Effizienter werden
Die Landwirtschaft muss zukünftig ihre Aufgabe der Ernährungssicherung besser mit den Anforderungen des Tier- , Umwelt- und Klimaschutzes verbinden . Allerdings herrscht Streit , ob dies eher im Rahmen einer ökologischen Agrarwende oder einer nachhaltigen Intensivierung
24.736
Klaus Plischke , Leser
1,70
35.396
2010 2015 2020
Gegen den Trend
Die wesentliche Aufgabe der Landwirtschaft ist doch , gesunde Lebensmittel für die Menschen zu erzeugen . Dabei sollte immer der Schwerpunkt auf gesunden Produkten liegen – und das kann ich vor allem von der biologischen
Landwirtschaft erwarten , zumal , wenn diese auf eigene
ÖKOLOGISCHER LANDBAU
Der Wirtschaftszweig wird in Deutschland wichtiger
DIES IST EINE GESPONSERTE ANTWORT , ALSO EINE ANZEIGE mitversichert . Auch die Stromerzeugung durch erneuerbare Energien erlangt zunehmend an Bedeutung , sodass durch spezielle Versicherungskonzepte Schäden und Ausfälle von Windenergie- , Photovoltaik- und Biogasanlagen abgesichert werden . Die R + V Versicherung als einer der führenden Agrarversicherer begleitet auf diese Art die fortwährenden Transformationsprozesse und unterstützt die Landwirte als verlässlicher Partner .
Ihr Name , Leser
Fläche in Millionen Hektar
Öko-Anteil an landwirtschaftlicher Fläche insgesamt
Ökologisch wirtschaftende Betriebe
Was ist Ihre Meinung ?
Schreiben Sie uns , was Sie zu den kommenden Fragen auf der letzten Seite denken – vielleicht erscheinen Sie dann im nächsten Heft .
gelingen kann . Jedoch wird sich die Landwirtschaft ohnehin verändern . Digitalisierung und Biotechnologie bieten völlig neue Perspektiven . Der freie Zugang dazu bestimmt maßgeblich die zukünftige Wettbewerbsfähigkeit . Schon heute wirtschaftet die Mehrzahl der deutschen Landwirtschaftsbetriebe trotz erheblicher Subventionen unrentabel . Ursachen sind zumeist zu geringe Betriebsgrößen , um moderne Technologien rentabel zu nutzen , sowie auch die enorme Konkurrenz zwischen den Betrieben , die die Bodenpreise treibt . Verschärft wird die Rentabilitätsproblematik durch den bevorstehenden
Quellen : Statistisches Bundesamt , BLE
Züchtungen bei Pflanzen und Tieren zurückgreift . Wenn da die Digitalisierung helfen kann , dann mag das durchaus in einzelnen Fällen sinnvoll sein . Aber es dürfte auch klar sein : Digitalisierung bedeutet oft auch wieder neue und teurere Maschinen , deren Einsatz sich vor allem bei großen Flächen und Einheiten lohnt . Die Landwirtschaft kann in Abhängigkeit geraten von einer Industrie , die wiederum das Thema gesunde Lebensmittel nicht als ihr eigentliches Anliegen begreift . Und oft verschwinden dabei Arbeitsplätze in der lebendigen Natur . Gerade im Gartenbau kann der Einsatz von mehr Menschen oder auch Tieren – als Zugpferde beispielsweise – dazu führen , dass die Flächenproduktivität deutlich zunimmt und die Verbraucher , wenn sie denn eng mit einem Hof verbunden sind , den Wert von Lebensmitteln wirklich schätzen lernen .
Manfred Dietmann , Leser
Den Richtigen helfen
Die Landwirtschaft der Zukunft passt sich den Gegebenheiten der Natur und den Bedürfnissen der Konsumenten an . Nichts ist veralteter als eine Agrar- und Ernährungswirtschaft , die mit Produkten und Anbaumethoden der Vergangenheit die Probleme der Zukunft lösen will . Genauso wichtig ist es , dass Landwirte sich nicht mehr als reine Nahrungsmittelhersteller , sondern auch als Bewahrer der Natur und Innovatoren beispielsweise im Bereich Energie sehen . Ich sehe hier auch die Politik in der Verpflichtung , es ist nicht sinnvoll die mengenbezogenen Subventionen der Vergangenheit fortzuführen . Stattdessen sollten Landwirte , die innovativ und zukunftsgewandt sind , gefördert werden , damit sie langfristig wirtschaftlich auf eigenen Beinen stehen können . So wird die Landwirtschaft zum Akteur der Zukunft .
demografischen Wandel . Gerade in ländlichen Regionen wird die Anzahl der Arbeitskräfte erheblich abnehmen und die Konkurrenz um Fachkräfte steigen . Angesichts hoher Staatsverschuldung , steigender Zinsen sowie gewaltiger Kosten des Klimaschutzes dürften jene enttäuscht werden , die erwarten , dass der anstehende Umbruch der Landwirtschaft durch großzügige Unterstützung durch den Staat oder die Verbraucher finanziert wird . Vielmehr wird die Landwirtschaft gefordert sein , die Herausforderungen mit ihren Partnern in der Wertschöpfungskette durch die Realisierung von Effizienzpotenzialen zu bewältigen . ›