+3 Magazin Mai 2022 | Page 17

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Max Thinius , Futurologe
Näher am Leben
Winnie Isabel Sonntag , Wissenschaftliche Mitarbeiterin Marketing für Lebensmittel und Agrarprodukte , Universität Göttingen
Verhaltener Wandel
Eine zunehmende Digitalisierung der Landwirtschaft durch Drohnen , Sensoren , Internet-of-Things-Systemen , GPS-gesteuerten Maschinen oder Feldrobotern , auf dem Feld wie im Stall , führt zu einem ressourcenschonenderen Einsatz von Betriebsmitteln und einem besseren Tier- und Herdenmanagement . Auch im Büro werden Prozesse digitalisiert , was eine transparentere Landwirtschaft ermöglicht . Allerdings zeigen unsere Studien , dass viele Landwirte verhalten und skeptisch sind , aus Angst vor Datenmissbrauch oder weil ein ( ökonomischer ) Nutzen nicht klar erkennbar ist . Das bedeutet , dass die Höfe zwar digitaler werden , eine vollautomatisierte Landwirtschaft aber noch weit in der Zukunft liegt . In unseren Verbraucherumfragen sehen wir eine wachsende gesellschaftliche Sensibilisierung gegenüber der Nutzung von Tieren . Daraus resultieren Skepsis und Besorgnis
Eine derart zentralisierte Landwirtschaft , wie wir sie heute kennen , stammt aus der industriellen Denke . Für Gemüse , Getreide und Obst sind aber zukünftig ganz andere Anbaumöglichkeiten denkbar . Zum Beispiel eine lokalere Produktion , bei der wir auf den tatsächlichen regionalen Bedarf
hin produzieren . In der Menschen Produkte essen , die optimalerweise bei Gemüse nicht länger als 24 Stunden von der Ernte bis auf den Teller brauchen . Die bis zu 90 Prozent mehr Nährwerte enthalten . Dazu Städte , die aus Straßen Anbauflächen machen und Parks , die nicht mehr auf industrielle Bedarfe , sondern auf eine neue Form der Lebensqualität optimiert sind . Dazu eine digitale Währung , mitunter schon der digitale Euro , der ab 2026 kommt , die uns zeigen könnte , wie lokal oder ökologisch die Produkte , die wir uns gerade aussuchen , angebaut wurden . Das kombiniert mit Gesundheitsdaten und Daten der Smart City zu ihrem klimatischen Zustand . Die Landwirtschaft kann in Zukunft wieder ein integraler Bestandteil unseres Alltags , der Lebensqualität , unseres lokalen wie globalen Klimas werden . Die Technologie ist so weit . Es fehlen nur noch Strukturen – aber auch die werden in verschiedenen Orten bereits ausprobiert : Skandinavien , Niederlande , Italien , Spanien , auch Deutschland . Eine neue Form der regenerativen Landwirtschaft kann auch in der Produktionsmenge unseren Bedarf bereits ersetzen . Wir müssen nur umdenken und die Zukunft der Landwirtschaft anders gestalten .
in Bezug auf die intensive Tierhaltung sowie ein Wunsch nach geringeren Tierzahlen und kleineren Betriebsstrukturen . Um die Tierhaltung daran anzupassen , bedarf es einer Transformation hin zu tiergerechteren Haltungssystemen mit Außenzugängen und mehr Platz . Um dennoch wettbewerbsfähig zu sein , sollten vor allem kleinere Betriebe zum Beispiel mehr auf robuste Rinder- oder Schweinerassen setzen und diese mithilfe der Digitalisierung vermehrt direkt vertreiben . Allerdings haben gerade die kleineren Betriebe häufiger Schwierigkeiten mit der Digitalisierung und bedürften daher einer besonderen Förderung .
NAHRUNGSMITTELBEDARF Der Selbstversorgungsgrad in Deutschland
150 %
120 %
100 % 90 %
60 %
30 %
0 %
Fleisch
Milch
Gemüse
Obst
Eier
118 % 112 % 36 % 20 % 72 % 145 % 33 % 141 % 101 %
Kartoffeln
Ba s i s d a te n : Ve r h ä lt n i s i n De u t sc h la n d e rze u g te Le b e n s m i tte l zu B e d a r f , 2020
Hartmut Matthes , Geschäftsführer Bundesverband Lohnunternehmen
Digital wie nie
Es sind die Menschen , die Zukunft machen – nicht die Werkzeuge . Die Sorge also , ob Digitalisierung Fluch oder Segen ist , hängt maßgeblich davon ab , was wir tatsächlich erreichen möchten und wie wir mit den digitalen Werkzeugen umgehen . Grundsätzlich bietet die Digitalisierung ein großes Potenzial , durch den bedarfsgerechteren Einsatz von Ressourcen die Landwirtschaft noch nachhaltiger zu gestalten . Und das gilt für die konventionelle Landwirtschaft genauso wie für ökologisch wirtschaftende Betriebe . Ziele definieren , Daten erfassen , Informationen auswerten , Wissen generieren , Entscheidungen fällen und Aufgaben ausführen – die Chronologie dieser sechs Schritte ist die Basis jeden Handelns . Werkzeuge helfen , das gewünschte Ergebnis besser zu erlangen . Sensoren zum Messen , Modelle
Honig
Rudi Gericke , Leser
Zucker
Macht Krawall
Getreide
Quelle : BLE
zum besseren Verständnis komplexer Prozesse und Aktoren zum präzisen Arbeiten gehören zunehmend zum Alltag in der Landwirtschaft . Niemand stellt mehr die Sinnhaftigkeit und den Nutzen digitaler Helfer beispielsweise in der Medizin oder in der Luftfahrt infrage . Warum also sollte gerade die Landwirtschaft auf Digitalisierung verzichten ? Wo hört der traditionelle Bauernhof auf und wo fängt die moderne Landwirtschaft an ? Nie war so viel Wissen verfügbar , nie gab es so gute Werkzeuge – die Gesellschaft muss nur darüber befinden , was sie wirklich will . Und diese Frage gilt nicht nur für die Landwirtschaft .
Unsere Bauern sollten sich ein Stück weit die französischen Bauern zum Vorbild nehmen und ihre Probleme nicht nur einmal im Jahr in die Städte tragen , sondern ständig den Finger in die Wunde legen .

DIES IST EINE GESPONSERTE ANTWORT , ALSO EINE ANZEIGE BIOGAS UND LANDWIRTSCHAFT – DAS GEHÖRT ZUSAMMEN

Wussten Sie , dass in Deutschland mehr als 9.500 Biogasanlagen stehen ? Diese sind ein wesentlicher Bestandteil vieler Zukunftsbetriebe in der Landwirtschaft , Nährstoffdrehscheibe und Quelle nachhaltiger und klimafreundlicher Energie .
Sie erzeugen aus den Exkrementen der Nutztiere , aus Energiepflanzen , Stroh und Reststoffen Strom und Wärme – und versorgen teilweise ganze Ortschaften mit klimafreundlicher Heizenergie . Die Stromerzeugung erfolgt zunehmend flexibel und orientiert sich so an der aktuellen Nachfrage . Einige Anlagen speisen ihr Gas ins Gasnetz ein oder betreiben eine hofeigene Gas- Tankstelle . So vielfältig wie die Nutzung ist auch die Erzeugung von Biogas . Immer mehr Anlagenbetreiber bauen auf ihren Feldern alternative Energiepflanzen an , wie die gelb blühende Durchwachsene Silphie oder bunte Wildblumen . Damit verbessern sie die Biodiversität und Artenvielfalt und liefern wichtige Lebensräume und Nahrungsquellen für unsere Wildtiere und Insekten . Am Ende der Vergärung in der Biogasanlage entsteht ein hochwertiger Dünger , das sogenannte Gärprodukt , das wieder auf die Felder ausgebracht wird und damit den Nährstoffkreislauf schließt .
Dr . Claudius da Costa Gomez ,
Hauptgeschäftsführer Fachverband Biogas e . V .
Biogas spielt gerade in der aktuellen Situation eine ganz wichtige Rolle : Durch eine vermehrte Nutzung von Bioabfällen , Nebenprodukten der Landwirtschaft und dem Aufwuchs von Blühflächen könnte die erzeugte Biogasmenge verdoppelt werden . Damit ließen sich 40 Prozent des bisher aus Russland importierten Erdgases ersetzen . Die Biogastechnologie liefert auch einen wesentlichen Beitrag zum Klimaschutz in der Landwirtschaft . Schon heute vermeiden Biogasanlagen pro Jahr rund 20 Millionen Tonnen CO 2 . Allein durch eine konsequente Vergärung der anfallenden Gülle lassen sind weitere fünf Millionen Tonnen vermeiden .
Biogasanlagen sichern nicht nur eine unabhängige , regionale und klimafreundliche Energieversorgung , erzeugen Dünger und tragen zur Artenvielfalt bei – sie sind auch ein ganz wichtiges Standbein für viele landwirtschaftliche Betriebe und fördern so die regionale Wertschöpfung im ländlichen Raum .
Mehr Information unter : biogas . org