+3 Magazin Mai 2019 | Page 9

Anzeige Weiterdenken statt Enteignen. Eine Enteignung von rund 240.000 Wohnungen würde allein in Berlin rund 36 Milliarden Euro kosten, schätzt der Berliner Senat. Das wären… Die Berliner Initiative „Deutsche Wohnen & Co. enteignen“ hat in den vergangenen Wochen mit ihren weitreichenden Forderungen bun- desweite Aufmerksamkeit auf sich gezogen. Ihr Ziel: Private Vermie- ter enteignen, die mehr als 3.000 Wohnungen in Berlin haben. Weil diese laut Aussagen der Initiative die Mieten hochtreiben und verhin- bezahlbare Mietwohnungen neu gebaut. Weil Bauplanungsverfahren zu lange dauern, weil es zu wenig Bauland gibt oder weil so viele sagen: Neubau ist wichtig, aber nicht in meiner Nachbarschaft. Deshalb gibt es kaum noch freie Wohnungen, der Markt ist sehr angespannt – und deshalb steigen auch die Mieten. Der nicht so sehr am Bau neuer 3,6 Mal die Finanzierung der CO 2 -Neutralität für ganz Berlin 34 Jahre kostenloser ÖPNV für alle Berliner*innen wenig Geld an einen privaten Käufer. Genau der soll jetzt übrigens wieder enteignet werden. Wohnungsunternehmen bieten bezahlbaren Wohnraum Trotz allem: Die durchschnittliche Miete in Berlin, dem Ursprungsort der Enteignungsinitiative, liegt bei das 15-fache des Berliner Investitionshaushalts 2019 – kein Ausbau von: Enteignung schafft keinen neuen Wohnraum Dennoch ist klar: Es ist schwer, in den beliebten Großstädten eine bezahlbare Wohnung zu finden. Vor allem, wenn man nicht so viel Geld hat – weil „bezahlbar“ natürlich im- mer eine Frage des Budgets ist. Aber auch eine Enteignung würde nichts 62 Prozent höhere Landesschulden für Berlin +36 Mrd. € CO 2 dern, dass einkommensschwache Haushalte weiter gut in der Stadt wohnen können. Für ihr Vorhaben beruft sich die Initiative auf Artikel 15 des Grundgesetzes – den Sozia- lisierungsartikel. Der wurde in den 70 Jahren, seitdem das Grundgesetz in Kraft ist, allerdings aus guten Gründen noch nie angewendet. kostenloser Austausch aller in Berlin gemeldeter Autos gegen E-Autos Immer mehr Menschen für zu wenige Wohnungen FREE Öff entlicher Nahverkehr Polizei & Sicherheit Schule & Bildung 58 Mrd. € Kitas & Gesundheits- Erziehung wesen Wohnungen orientierte Kurs der zuständigen Berliner Bausenatorin wird daher auch von den eigenen Koalitionspartnern kritisch gesehen. Und dann hat Berlin es geschafft, in den vergangenen 15 Jahren gerade einmal knapp 7.500 neue Sozialwoh- nungen zu fördern. Hamburg, mit der Hälfte der Einwohner, hat hingegen knapp 24.500 neue Sozialwohnun- gen geschaffen. Hier offenbart sich für Berlin eine extrem nachteilige politische Weichenstellung. Zudem stand Hamburg unabhängig davon, wer dort regierte, politisch immer zu seinem kommunalen Wohnungs- unternehmen, der SAGA. Berlin hingegen verkaufte zum Beispiel im Jahr 2004 auf einen Schlag 65.000 kommunale Wohnungen der GSW für 6,39 Euro pro Quadratmeter Wohn- fläche. Und bei den 145 Berliner Wohnungsunternehmen, die im Verband Berlin-Brandenburgischer Wohnungsunternehmen (BBU) und damit im Bundesverband deutscher Wohnungs- und Immo- bilienunternehmen (GdW), dem Spitzenverband der Wohnungswirt- schaft, organisiert sind, liegt die durchschnittliche Miete bei ihren rund 700.000 Mietwohnungen mit 5,98 Euro pro Quadratmeter sogar noch darunter. Das ist günstiger als selbst in vielen kleineren Städten. Die allermeisten Mieterinnen und Mieter in deutschen Großstädten – inklusive Berlin – sind deshalb auch zufrieden. 300.000 geförderte neue Sozialwohnungen zu 6,50 €/m 2 In beliebten Großstädten wie Berlin steigen die Mieten. Das macht – nachvollziehbar – vielen Menschen Angst. Dass das so ist, liegt aber we- niger an Spekulation, wie die Initiati- ve behauptet, sondern an eklatanten politischen Fehlentscheidungen in der Hauptstadt einerseits und daran, dass Großstädte für viele Menschen so attraktiv sind und immer mehr dort leben wollen. So ist die Bevöl- kerung beispielsweise in Berlin seit 2009 jedes Jahr um rund 40.000 ge- stiegen. Gleichzeitig wurden aber, in noch stärkerem Maße als in anderen deutschen Großstädten, viel zu wenig Bei einer Enteignung zahlen alle drauf. Deswegen: www.weiterdenken-sta -enteignen.de daran ändern, dass es in Berlin schlicht zu wenig freie Wohnungen gibt. Weil durch eine Enteignung ja nicht eine einzige Wohnung zu- sätzlich entsteht. Weil auch in den enteigneten Wohnungen ja schon Mieter wohnen, die da nicht auszie- hen werden. Weil das Land bei einer Enteignung viel Geld für Entschädi- 47 Jahre kostenloses WLAN für alle Haushalte in Berlin FREE WLAN gungen bezahlen müsste – bis zu 36 Milliarden Euro. Berlin hätte dann noch viel mehr Schulden. Aber kein Geld mehr für die Förderung von neuen Sozialwohnungen. Oder für den Kauf von zusätzlichen U-Bahn- Zügen. Oder für neues Personal in Verwaltung, Schulen oder Kitas. Oder, oder, oder. Deshalb ist klar: Bei einer Ent- eignung zahlen alle drauf. Was stattdessen helfen könnte? Mehr preiswertes Bauland. Mehr preis- werte neue Mietwohnungen. Mehr geförderter Wohnungsbau. Mehr Sicherheit im Mietrecht. Eben eine langfristige Wachstumsstrategie für gutes und bezahlbares Wohnen. Da müssen wir hin. Deutschland