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Endlich handeln
Die Stadt gehört nicht denjenigen,
die als Eigentümer im Grundbuch
eingetragen sind. Sie ist ein soziales
Gefüge, das den Bewohnern gehört
und ein Gemeinschaftsgefühl vermit-
telt. Nach sträflicher Vernachlässi-
gung der Wohnungspolitik seit 1990
ist heute in vielen Städten ein Defizit
entstanden. Was wir vor allem brau-
chen, sind bezahlbare Wohnungen,
die einen durchschnittlichen Haus-
halt nicht mit mehr als 30 Prozent des
verfügbaren Einkommens belasten.
Wir brauchen eine Stärkung des öf-
fentlich geförderten Wohnungsbaus.
Wir brauchen im Anbieterbereich
Investoren, die Immobilien nicht als
Spekulationsobjekte sehen, sondern
sich der sozialen Verantwortung des
Wohnens stellen. Solche Investo-
Zivilisation auf Zeit
Wir haben uns die Städte nur von der
Natur geliehen. Das sieht man daran,
dass sich Natur keine Schranken set-
zen lässt und versucht, jedes Fleck-
chen Beton und Asphalt zurückzuer-
obern. Der Mensch spricht hier oft von
Unkraut, Pionierpflanzen trifft es viel
besser. Unter dem Pflaster wartet die
Wiese auf ihre Rückkehr.
zu gestalten und jedem das Gefühl zu
geben, dass die Stadt genau ihm als
Teil eines großen Ganzen gehört.
Lebendige Kieze
Wenn ich mit offenen Augen und Oh-
ren durch unser Viertel laufe, kann
ich ganz klar sagen, dass die Stadt den
Kindern gehört. Und das ist auch gut
so, denn genauso, wie die ganze Ge-
sellschaft durch Kinder zukunftsfähig
wird, bleibt eine Stadt durch Kinder
lebenswert. Nichts ist erschreckender
als eine Stadt, die sich ausschließlich
an den Bedürfnissen einer vergreisen-
den Gesellschaft orientiert und alles,
was mehr Lärm macht als das Quiet-
schen eines Rollators, sofort stillregu-
liert. Natürlich ist in dichtbesiedelten
Lebensräumen Rücksicht auf andere
gefragt und Kinder sollen auch lernen,
dass sie nicht der Mittelpunkt des
Sonnensystems sind. Kreative Lösun-
gen sind gefragt, um das Miteinander
TEURE STÄDTE Hier sind die Preise für Eigentumswohnungen am höchsten
in Euro pro Quadratmeter
6.737
München
8.342
4.373
Frankfurt
am Main
Roland Schmid, Leser
Melanie Schubert, Leserin
ren sind kommunale und kirchliche
Wohnungsunternehmen und Genos-
senschaften. Ihnen muss der Zugang
zu den im öffentlichen Eigentum
stehenden Grundstücken erleichtert
werden. Wir brauchen Planungs-
vorgaben, die bei jedem Neubau-
vorhaben einen Anteil von wenigs-
tens 30 Prozent Sozialwohnungen
sicherstellen. Wir müssen den Werks-
wohnungsbau reaktivieren und auf
gewerblich genutzten Flächen Woh-
nungen im großen Stil aufsetzen.
Wir brauchen einen gesellschaftli-
chen Diskurs über die Chancen und
Möglichkeiten der Nachverdichtung.
Und wir brauchen ein Mietrecht, das
jedenfalls in der Zeit des Mangels an
Wohnraum vor zu hohen finanziellen
Belastungen schützt. Dazu gehören
eine wirksame Mietpreisbremse und
ein Modernisierungsrecht, das Mie-
ter vor Verdrängung schützt.
6.060
2014
2018
4.744
Stu gart
5.925
3.767
Potsdam
5.602
3.866
Berlin
5.243
4.086
Erlangen
5.216
4.092
Regensburg
3.802
Augsburg
5.113
4.969
4.287
4.966
4.730
4.943
Ingolstadt
Freiburg
im Breisgau
Preise
Franz-Georg Rips,
Präsident Deutscher
Mieterbund
5
Quellen: empirica, Statista
Amelie Rost,
Architektin
Das Wesen des
Wassers
In den letzten zehn bis 20 Jahren lässt
sich ein spannender Veränderungs-
prozess in der Wahrnehmung und
Entwicklung innerstädtischer Was-
serflächen feststellen. Wasserflächen
werden in Groß- und Kleinstädten
zunehmend als städtische Leerstellen,
als vernachlässigter Raum oder aber
als Möglichkeitsraum entdeckt. Sie
werden von verschiedenen Akteuren
und Initiativen mit diversen Nutzun-
gen neu bespielt oder von den ver-
antwortlichen Stadtbehörden in den
Fokus stadtplanerischer Entwicklung
gerückt. Es entstehen Projekte, die
den Raum auf dem Wasser zugänglich
machen sollen – sei es für private oder
öffentliche Nutzungen – oder Projekte,
die das Wasser selbst, zum Beispiel in
einem Flussschwimmbad, erfahrbar
machen wollen. Es ist in jedem Fall
nicht mehr nur der Raum entlang
des Wassers, es ist der Wasserraum
selbst, der zum Transformationsraum
geworden ist. Immer häufiger wird
in diesem Zusammenhang die Frage
„Wem gehört das Wasser?“ diskutiert.
Viel spannender scheint es mir aber,
die Frage „Was kann das Wasser?“ zu
stellen. Was kann es alles sein? Wie
kann es unterschiedlichen Ansprüchen
gleichzeitig gerecht werden? Wie kann
es von vielfältigen Akteuren gleichzei-
tig oder abwechselnd genutzt und im-
mer wieder neu beschrieben werden?
Das Wesen des Wassers bestimmt sich
zu großen Teilen über seine Nutzung.
Eine Aushandlung der neuen Nut-
zungsansprüche kann dazu beitragen,
neue Narrative für innerstädtische
Wasserflächen zu entwickeln.
Derk Ehlert,
Wildtierexperte
des Landes Berlin
Tierische
Mitbewohner
Städte werden von Menschen gebaut.
Die Infrastruktur ist die Lebensader,
die Arbeitsplätze der Motor. Und die
Menschen machen es sich darin ge-
mütlich. Meist klappt das auch ganz
gut. Damit wir nicht ganz die Bezie-
hung zur Natur verlieren und die Luft
sauber bleibt, gibt es in jeder Stadt
Bäume, dazu Parks, Seen oder Flüs-
se. In gewisser Weise gehört die Stadt
also den Menschen. Wenn wir uns da
mal nicht irren, denn in jeder Stadt
gibt es mindestens genauso viele Tiere
wie Menschen. Einige von ihnen kom-
men gezielt in die Stadt, weil sie dort
entweder bessere Lebensbedingungen
vorfinden als in der intensiv genutzten
Agrarkultur oder die Stadt ihnen Le-
bensräume bietet, die sie sonst nicht
hätten. Der Mauersegler beispiels-
weise. Als ehemaliger Waldbewohner
brütete er ursprünglich in Baumhöh-
len, heute ist er ein Gebäudebrüter.
Amseln leben in Städten in dichteren
Beständen als auf dem Land. Nachts
flattern Fledermäuse durch die Stra-
ßenfluchten, jagen Insekten und le-
ben unter Dächern. Füchse, die in
der Stadt einen reich gedeckten Tisch
vorfinden und nichts von Jägern zu
befürchten haben, verlassen die Städte
gar nicht erst. Metropolen wie Berlin,
die groß genug sind und auch noch
grün dazu, bieten darüber hinaus
Tieren wie Wildschweinen, Dachsen,
Mardern und Waschbären „Wohn-
raum“. Über 20.000 Tier- und Pflan-
zenarten kommen allein in Berlin vor.
Städte sind zwar keine Arche Noah,
aber ebenso von Tieren besiedelt wie
von Menschen.
DIES IST EINE GESPONSERTE ANTWORT, ALSO EINE ANZEIGE
Axel Gedaschko,
Präsident Spitzenverband
der Wohnungswirtschaft
GdW
Antwort auf die
soziale Frage
Wohnen wird bezahlbar, wenn mehr
und günstiger gebaut wird. Die
Wohnungswirtschaft steht in den
Startlöchern, wenn es darum geht,
den sozialen und preiswerten Woh-
nungsbau voranzubringen. Es fehlen
aber immer noch die notwendigen
Voraussetzungen: mehr und günsti-
geres Bauland, schnellere Genehmi-
gungsverfahren und geeignete För-
derprogramme. Statt populistischer
Fantasien von Verstaatlichung brau-
chen die Menschen in Deutschlands
Städten echte soziale Unterstützung.
Deshalb sollten Städte und Länder
zügig umfangreich Belegungsrechte
ankaufen und damit mehr Sozial-
wohnungen schaffen. Die Akzeptanz
von Wohnungsneubau in der Be-
völkerung muss bundesweit erhöht
werden. Dazu sollten serielle und
Typenbauweisen stärker unterstützt
werden, um mehr preiswertes Bauen
zu ermöglichen. Zu unserer sozialen
Marktwirtschaft gehört es, genau
dort schützende Leitplanken für die
Bürgerinnen und Bürger zu setzen,
wo das Soziale droht, auf der Stre-
cke zu bleiben. Daher ist auch wich-
tig, dass Wohnraum entweder gleich
entsprechend gebaut werden kann
oder so gefördert wird, dass er für alle
Menschen bezahlbar bleibt. Das gilt
auch angesichts wachsender Städte,
des notwendigen generationenge-
rechten Umbaus der Wohnungs-
bestände und der Umsetzung der
Energiewende. Dafür brauchen wir
die Politik noch stärker als Partner.
Die Wohnungswirtschaft jedenfalls
geht die Herausforderungen für eine
wohn- und lebenswerte Zukunft wei-
terhin mit größtem Engagement an.
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