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Ulrich Mückenberger,
Vorsitzender der
Deutschen Gesellschaft
für Zeitpolitik
Schopenhauer weiß es
Auch im Alter fühle ich mich nicht
auf der (Zeit-)Verliererspur. Die Verteilung meiner Zeit auf Wissenschaft,
Musik, Politik, Freundschaft und Verwandtschaft fällt mir leichter als während der Phase der Berufstätigkeit.
Klar fühlt sich Zeit im Alter anders an,
Carola Lentz,
Professorin für Ethnologie,
Johannes-GutenbergUniversität Mainz
Andere Länder, anderes
Zeitmanagement
Als Professorin reise ich zu Feldforschungen mit eigenem Zeitmanagement im Gepäck. Semesterzeiten,
Finanzen, Flugpläne: Solche Zwänge stecken den zeitlichen Rahmen
ab, und am Ende soll ich ja daheim
Greifbares berichten. Manchmal
werde ich dann ungeduldig, wenn die
Zeitorganisation meiner Interviewpartner so gar nicht zu meinen Plänen passt.
In nordghanaischen Dörfern zum
Beispiel sollte man Gespräche möglichst erst nach der harten Feldarbeit
am Morgen führen, aber noch ehe
sich der erschöpfte Bauer zum Markt
aufgemacht und das wohlverdiente
Hirsebier seine Wirkung getan hat.
Auch wird niemand einfach so über
die Dorfgeschichte sprechen, selbst
wenn er gerade Zeit hätte. Die Höflichkeit gebietet mindestens zwei
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sie vergeht schneller als in der Jugend.
„Warum“ – fragt Schopenhauer in seinen Aphorismen zur Lebensweisheit
– „erblickt man im Alter das Leben,
welches man hinter sich hat, so kurz?
Weil man es für so kurz hält, wie die
Erinnerung desselben ist. Aus dieser
ist nämlich alles Unbedeutende und
viel Unangenehmes herausgefallen,
daher wenig übriggeblieben.“ Zeiterleben mit Erinnerungsfähigkeit in
Verbindung zu setzen ist genial. Das
macht Zeit im Alter knapp – was übrigens mit „allgemeiner Beschleunigung“ herzlich wenig zu tun hat. Es
gibt moderne Zeitdiebe, mit denen die
Generationen unterschiedlich umgehen – neue Medien, soziale Netzwerke; da sind wir Älteren mal auf der
unterlegenen, mal auf der überlegenen
Seite. Es kommt wirklich alles auf die
Zeitkultur an – und diese zu ermöglichen und zu ermutigen ist ein Kernanliegen der Zeitpolitik. Wir sollten
dafür sorgen, dass Menschen über ihre
Zeit je nach Geschlecht und Herkunft,
nach ihrer Lebenslage und Lebensweise selbst bestimmen können und
dass sie individuell und gemeinsam zu
selbstbestimmtem Zeitgebrauch und
zu Widerstand gegen Zeitdiebstahl befähigt werden.
Jonathan S., Leser
Besuche: einmal zum Grüßen und
Verabreden, dann zum eigentlichen
Gespräch. Wenn beim zweiten Termin aber eine Beerdigung zu begehen ist, muss ich mich noch ein
drittes oder viertes Mal auf den Weg
machen. Und in der Trockenzeit gibt
es fast immer irgendwo eine Beerdigung. Das Zeitmanagement von Bürokraten und Politikern in der Stadt
ist nicht einfacher. Auch hier kann
man nicht mit der Tür ins Haus fallen, der Kalender ist eng getaktet.
Manchmal komme ich nach endlosem Verkehrsstau im Büro an, nur
um zu erfahren, dass der Gesprächspartner eben zu einem unvorhergesehenen Termin eilen musste. Gelegentlich ist das eine Ausrede, aber
mir haben Informanten auch schon
auf dem Weg zu meinem Rückflug
Interviews gegeben.
ins Bockshorn jagen lassen würden.
Nieder mit der „Regelstudienzeit“ –
wer macht diese Regel überhaupt?
Lobbyismusgeprägte Politiker. Neoklassische Alles-muss-wachsen-Philosophie zwingt den Mensch zur Eile.
Macht euch frei davon, dann habt ihr
auch Zeit!
Als ich vor ein paar Jahren einen
Party- und Streetstyle-Blog gründete, hatte ich keinen großen Plan oder
Hintergedanken, was daraus werden
würde. Dennoch, er schlug sofort
ein. Fast über Nacht fanden sich
viele Leser, Magazine wollten meine
Fotos kaufen, große Marken mit mir
kollaborieren. Schnell erkannte ich,
was ich nie zuvor für möglich gehalten hätte – ich konnte meinen Beruf
mittels eines Blogs meinen Interessen genau anpassen. Noch mehr als
Fotos machen liebte ich Reisen und
startete einen Reiseblog für Frauen.
Dieser verbucht mittlerweile über
eine halbe Million Hits im Monat
und wir werden in alle Herren Länder eingeladen, um über diese zu berichten.
Das Internet ist wie ein Land der
unbegrenzten Möglichkeiten, die
Währung ist Ambition. Sie ist die
einzige Investition, die man tätigen
muss, um hier etwas zu erreichen.
Ein Job im Netz bedeutet in der Regel selbstbestimmte Arbeitszeiten
und Ortsunabhängigkeit. Und seien
wir mal ehrlich – fühlt sich Arbeit
noch wie Arbeit an, wenn man sie
in einer Hängematte mit Meerblick
verrichtet?
Jonathan, Leser
Macht kaputt, was ...
Studenten hätten noch Zeit. Wenn
sie sich nicht so von Regelstudienzeit
und irgendwelchen Wirtschaftsfuzzis
Katja Hentschel,
Bloggerin und Gründerin
von travelettes.net
Berufung größer Beruf
gleich Freizeit
Montags um zehn auf dem Balkon
frühstücken, einmal im Monat verreisen, nur Dinge tun, auf die man
auch Lust hat. Klingt paradiesisch,
ist aber einfach, wenn man einen
Beruf wählt, der sich nicht wie Arbeit anfühlt, der Unabhängigkeit
schafft und den man selbstbestimmt
ausführen kann.
Keine Ausreden
gelten lassen
Wenn wir sagen „Ich habe keine Zeit
gehabt“, meinen wir fast immer, dass
wir sie uns nicht genommen haben.
Wenn wir bewusster mit der