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WER HAT
NOCH ZEIT?
WIR FRAGEN:
... und was ist
Ihre Meinung?
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Im Schnitt kann jeder Bundesbürger pro Tag
nur über 3:56 Stunden seiner Zeit frei verfügen.
Quelle: Stiftung für Zukunftsfragen
© Mark L Stephenson/Corbis
Jan Gustafsson,
Schach-Großmeister
Die ewige Suche
Ich versteh die Frage nicht. Wir sind
alle so ungefähr 16 Stunden am Tag
wach, oder? Geht wahrscheinlich darum, dass wir alle länger arbeiten. Oder
mehr und mehr Zeit in den Untiefen
des Webs verloren geht? Ich bin in
beiden Fällen keine Ausnahme. Dem
Lebensstil aus meinen 20ern – eigener
Chef, ausschlafen, um die Welt reisen und mit ein paar Schachturnieren
ein bisschen Geld verdienen – habe
ich abgeschworen und verbringe den
Großteil meiner Zeit in einem Büro.
Internet-Startup, Schachwebsite. Ok,
vermutlich relativ normal, ab 30 „seriös“ zu werden und sich verstärkt
dem Broterwerb zu widmen. Ich war
gerade zwei Wochen in Thailand auf
einem Schachturnier – so viel Zeit
muss sein! – und ein weiser Mann hat
mir dort das Leben so erklärt: „Wenn
man jung ist, hat man Energie und
Zeit, aber kein Geld. Dann fängt man
an zu arbeiten, hat noch Energie und
jetzt etwas Geld, aber keine Zeit. Im
Alter hat man Geld und Zeit, aber keine Energie. Dazwischen kommt die
Midlife Crisis: keine Zeit, kein Geld,
keine Energie!“ Ist Zeit jetzt wichtiger
als Energie und Geld? Keine Ahnung.
Will immer das, was ich nicht hab. Und
kenne genug Leute mit Zeit und Geld,
die auch nicht glücklich sind. Zeit mit
Nichtstun zu verbringen macht auch
nur so mittel viel Spaß. „Im Moment
leben“ und „sinnstiftende Arbeit ist
das größte im Leben“ hab ich gelesen.
Ob Schach jetzt so viel Sinn stiftet, wer
weiß. Ich verbring meine Zeit immer
noch gerne damit.
Sylvia Ganter, Leserin
Gestalter haben mehr
vom Leben
Wenn man ein Kind beim Spiel beobachtet, fällt einem auf, mit welcher
Hingabe es sich einer Sache widmen
kann, denn der Zeitfaktor spielt meist
noch keine Rolle. Das ändert sich
schnell. Die Schulzeit und später Studium oder Lehrjahre werden mit zu
Lernendem innerhalb einer begrenzten Zeitspanne verbracht. Steht man
danach im Beruf, gilt es, sich dort
in seiner freien Zeit weiterzubilden.
Daneben möchte man auch Zeit mit
dem Partner oder der Familie haben.
Die Wahrnehmung verfließender
Zeit durch Tag und Nacht, durch den
Wechsel der Jahreszeiten, durch das
Älterwerden geschieht durch unsere
Sinne und vielleicht ist die existenziell so aufgeladene Bed