+3 Magazin Juni 2021 | Page 18

18
+ 3
WIR FRAGEN :

WIE SIEHT DIE ZUKUNFT DER

LANDWIRTSCHAFT AUS ?

Zwölf Prozent der deutschen Landwirte setzen bislang auf Robotertechnik .
Quelle : Deutscher Bauernverband © iStock ./ baranozdemir
Urs Niggli , Agrarforscher und Mitglied wissenschaftliche Gruppe UN-Ernährungsgipfel 2021
Ohne Schablone
Die Landwirtschaft produziert das wichtigste tägliche Gut jedes Menschen . Nach meinem Verständnis von Wirtschaft braucht es dafür keine staatliche Einkommensstützung . Eine einleuchtende Erklärung dafür gab mir Tim Lang , Professor für Lebensmittelpolitik der Universität London : Erstmals wurden Bauern in Manchester subventioniert , damit sie dem Arbeiter-Prekariat der Industriellen Revolution billige Lebensmittel lieferten . Es war Wirtschaftsförderung . Von billigen Lebensmitteln profitieren heute Konsumgüter und Dienstleistungen . Weil sie billig sind , werden sie verschwendet
und ungehemmt gegessen . Die Landwirtschaft wird in Zukunft Methoden praktizieren , die die Naturgüter Boden , Wasser , Luft und biologische Vielfalt zwar intensiv nutzen , aber nicht verbrauchen . Dazu nutzt sie das Erfahrungswissen von Generationen und den Erfindergeist der Hightech-Generation . Nur so schaffen wir eine Welt ohne Armut und Hunger , sodass die Weltbevölkerung ab Mitte des Jahrhunderts wieder abnehmen kann . Dank guter Preise werden viele junge unternehmerische Menschen mit neuen Ideen in die Landwirtschaft einsteigen . Sie können 100 Prozent der Agrarbudgets für den schonenden Umgang mit dem Naturkapital einsetzen , nicht nur knausrige 25 Prozent . Umweltbelastung kostet in Zukunft , das beschleunigt den Wandel . Unzählige bäuerliche Startups machen die Wertschöpfungskette wieder durchlässig und die Konfliktzonen zwischen Stadt und Land verschwinden .
Klaus Plischke , Leser
Zurück zur Basis
Es ist schon seltsam , wie sich viele Menschen die Zukunft vorstellen : Neue Roboter und automatisierte Traktoren ersetzen die menschliche Arbeitskraft , sind deutlich schneller und genauer und mithilfe der Gentechnik werden die Pflanzen effektiver , benötigen weniger Pestizide und werden trockenresistenter . Ich glaube , dieser materialistische Denkansatz ist sehr kurzsichtig . Die Landwirte sollten stattdessen nah am Boden und an den Tieren sein . Wenn ein Großteil der menschlichen Kreativität in die Entwicklung von Software und Maschinen fließt und
Pflanzen und Tiere im Labor gezüchtet werden , dann werden wir kaum wirklich gesunde und vitale Pflanzen erhalten . Tatsächlich ist die Entwicklung neuer Pflanzen durch Bio- Züchter mit ihren „ herkömmlichen “ Methoden erheblich kostengünstiger als die aufwendigen „ modernen “ Laborzüchtungen . Was ist zu tun ? Hier ist sicher der Qualitäts-Biolandbau – also deutlich über dem EU-Standard – eine sinnvolle Richtschnur . Aber natürlich gehört viel mehr dazu , zum Beispiel die Forschung wieder auf die Höfe zu bringen , wieder näher zu den Menschen und Tieren , an die Böden , raus aus den Laboren . Damit wir nicht weiter unsere wesentlichen Lebensgrundlagen , den Boden und die Biodiversität sowie das Klima so gnadenlos zerstören . Dann könnte es vielleicht doch noch gelingen , mit den aktuellen Folgen der Erderwärmung zu leben und wirklich nachhaltige Wege in die Zukunft zu finden .