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Maike Henningsen , Juniorprofessorin für Digital Health , Universität Witten-Herdecke
Besser vorsorgen
E-Health hat viele Facetten . Für den einen ist es die Übertragung von Gesundheitsdaten über die Telematik- Infrastruktur , für mich ist es vor allem eine raum- und zeitunabhängige Form der Wissensvermittlung zwischen den Akteuren des Gesundheitssystems . E- Health kann für Deutschland neben vielen anderen Dingen eine Steigerung der Health Literacy , also der Gesundheitskompetenz , bedeuten . Diese steht für eine aktive und informierte Auseinandersetzung mit der eigenen Gesundheit und eine höhere Lebensqualität während des ganzen Lebens . Etwa jeder zweite Deutsche verfügt über eine reduzierte Gesundheitskompetenz , was im europäischen Vergleich gering ist . Hier kann die konsequente Nutzung von E-Health-Angeboten wie Apps oder Trackern , kombiniert mit der auf die einzelne Person zugeschnittenen Wissensvermittlung , helfen . Die Vorsorgeprogramme der gesetzlichen Krankenkassen sind ein Beispiel dafür . Nur knapp ein Drittel der Deutschen nutzen sie . Hier besser zu informieren , zu erinnern und über den Nutzen aufzuklären , das könnten digitale Lösungen ganz hervorragend
leisten . Ziel könnte es sein , auf digitale Prävention zu setzen und den Arztbesuch dafür zu nutzen , einen komplizierten Krankheitsfall zu erörtern . Diese Vision erfordert allerdings ein Umdenken : Weder das Abrechnungssystem der Ärzte noch die Vergütung von präventiven Leistungen machen es derzeit attraktiv , diesen Weg einzuschlagen und die präventiven Potenziale von E-Health zu heben .
Christine Badke , Leserin
Digitale Brücken bauen
EXPERTISE AUS DEM INTERNET Wie Ärzte ihre Patienten wahrnehmen
90 %
Patienten werden durch Informationen aus dem Internet verunsichert .
62 %
Die Internetrecherche führt dazu , dass Patienten bereits mit einer Diagnose zu mir kommen .
Als erfahrene Physiotherapeutin erlebe ich seit Jahren , wie oft zeitfressende Besprechungen geführt werden müssen , gerade an den Schnittstellen . Berichte an Ärzte oder andere Entscheidergruppen werden gefordert , damit Therapien weitergeführt und übernommen werden . Aktuell erlebe ich , wie Physiotherapiepraxen meistens ausgelastet sind . Patienten pendeln und nehmen weitere Wege auf sich , um einen Termin in einer anderen Praxis zu bekommen . Das Coronabedingte
digitale Angebot wird meines Wissens wenig genutzt . Die schwache digitale Infrastruktur und Ausstattung in therapeutischen Einrichtungen ist ein Grund dafür . Hinzu kommt eine gewisse Angst vor der digitalen Technik auf beiden Seiten , sowohl bei den vor allem älteren zu behandelnden Patienten als durchaus auch bei den wenig digital und technisch vorbereiteten Therapeuten . Zudem sind in Deutschland immer noch Regionen digital nur sehr weitmaschig verbunden . Sicherlich liegt auf dem Gebiet E-Health viel Potenzial . In einigen Bereichen mag es da schneller vorangehen als in anderen . Der Prozess läuft mit unterschiedlichen Geschwindigkeiten in den verschiedenen medizini-
42 %
Katja Preiss , Leserin
Patienten werden durch Informationen aus dem Internet mündiger .
67 %
Ich empfinde den Umgang mit Patienten als anstrengend , die meinen , durch das Internet alles besser zu wissen .
Umfrage unter 528 Ärzten , Februar 2021
Quelle : bitkom
schen und therapeutischen Bereichen . Meines Erachtens sollten zuerst digitale Brücken für den im Mittelpunkt stehenden Patienten gebaut werden . Oder anders gesagt : Zuerst brauchen die Dörfer mehr digitalen Anschluss , damit die weiten Wege , die derzeit nur offline zu gehen sind , weniger Energie und Zeit einnehmen .
Patientinnen und Patienten in den Mittelpunkt zu stellen , schafft Selbstbestimmung , benötigt aber auch die dafür notwendige Kompetenz . Auch in einem Dorf kann man sich verlaufen . Wichtig finde ich hier deshalb die Aspekte Anleitung und Komfort .
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