+3 Magazin Juni 2020 | Page 7

+1 7 Eberhart Liesching, Leser Das Denken umstellen Der Bedarf an Energie auf diesem Erdball wächst stetig. Langsam, aber sicher wächst sogar der Bedarf an ihrer Sauberkeit. Das erstgenannte Bedürfnis könnte ruhig langsamer wachsen, das zweitgenannte schneller, überall – allen Bewohnern dieser Erde zuliebe. Zu bewerkstelligen ist dies nur mit einer Änderung des Bewusstseins der meisten Menschen. Atom-, Kohle- und Ölstrom sind dreckig und unsicher, das ist eine Tatsache – das denkt jedoch nicht jeder. Frank Zichter, Leser Sichere und bezahlbare Energie muss fair sein und weder Mensch noch Natur ausbeuten. Grüne Energie ist leider ein ausgebrannter Begriff, obwohl das die Zukunft und die Antwort auf die Frage ist. Wenn alle anfangen würden und könnten, sich autark mit Energie zu versorgen, würde das die Umwelt zusätzlich entlasten. Wenn ich mich um meinen eigenen Strom kümmern muss, dann kann ich diesen auch sicher und bezahlbar gestalten. Wasserkraftwerke, Windräder und Solarstromflächen erzeugen sauberen Strom. Dass diese jedoch als so hässlich empfunden werden, liegt hauptsächlich an der Sichtweise. Um die kilometerlangen Reihen von Hochspannungsmasten bis an den Horizont kommen wir nicht herum, wenn überall Strom hinsoll. Stromsparen ist auch effektiv und die sauberste Stromquelle überhaupt, aber leider noch nicht stark genug im Bewusstsein verankert. Für diese Bewusstseinsänderung sollten sich Menschen aller Couleur einsetzen: vom einfachen Arbeiter bis zum Präsidenten. In allen muss das Bedürfnis nach sauberer Energie eingepflanzt sein. Andreas Kuhlmann, Vorsitzender der Geschäftsführung Deutsche Energie-Agentur (dena) Mehr Engagement wagen Eine sektorenübergreifende Energiewende funktioniert wie ein umfassendes Investitions- und Innovationspaket: Sie setzt Anreize für Klimaschutztechnologien, kurbelt Industrie und Dienstleistungen an STROMMIX Fast die Hälfte kommt aus erneuerbaren Energiequellen 120.00 110.00 100.00 90.00 80.00 70.00 60.00 50.00 40.00 30.00 20.00 10.00 0.00 Gas 52,70 Öl 1,52 Kernenergie 70,99 Braunkohle 101,92 Fossile/Kernenergie: 276,9 und schafft so Beschäftigung entlang der Wertschöpfungskette. Dabei beschränkt sich die Investitionsnachfrage nicht auf die typischen Felder der Energiewende, sondern setzt Impulse in verschiedensten Wirtschaftssektoren. Hier profitiert die Stahlindustrie von den Bestellungen der Windindustrie ebenso wie der Handwerksbetrieb in der Nachbarschaft, der eine Solaranlage aufs Dach oder eine Wärmepumpe in den Keller baut. Erneuerbare-Energien-Technologien sind zudem ein kontinuierlich starker Exportfaktor. Klimaneutralität bis 2050? Wird erreicht, wenn alle Knöpfe in die richtige Richtung Steinkohle 49,77 Wasserkraft 19,43 Biomasse 45,48 Wind 127,23 Erneuerbare Energie: 238,7 Solar 46,54 Netto-Stromerzeugung in Terawattstunden; Nicht abgebildet: Andere Quellen (3,04 Terawattstunden) Quelle: Fraunhofer ISE gedreht werden. An den passenden Rahmenbedingungen hakt es vielfach noch, was zu unnötigen Kosten führt. Zudem verzögert dies den Umbau auf die modernen und klimafreundlichen Technologien und Infrastrukturen. Die Energiewende muss zusammen gedacht werden, schließlich bedingt vielfach das eine das andere. Ein deutlich engagierterer Ausbau der erneuerbaren Energien ist grundlegend – nicht nur für die Stromversorgung in Haushalt und Industrie. Er wird auch zunehmend für andere Bereiche gebraucht: für mehr batterieelektrische Fahrzeuge, Wärmepumpen und zur Wasserstoffproduktion. › DIES IST EINE GESPONSERTE ANTWORT, ALSO EINE ANZEIGE WIE DIE USA DIE ENERGIESOUVERÄNITÄT EUROPAS TORPEDIEREN Ulrich Lissek, Head of Communications and Governmental Relations, Nord Stream 2 AG Der US-Senat plant einen erneuten Angriff auf Europas Energiesouveränität. Nach einem jetzt vorgelegten Gesetzentwurf sollen nahezu alle Leistungen zur Verlegung der noch ausstehenden 150 Kilometer von Nord Stream 2 sanktioniert werden. US-Senatoren drohen mit „sofortigen und vernichtenden amerikanischen Sanktionen“ an die Adresse dutzender Unternehmen aus mehr als zwölf europäischen Ländern, die am Pipelineprojekt beteiligt sind, was nach einer aktuellen Umfrage von Zukunft Erdgas von 80 Prozent der Deutschen klar abgelehnt wird. Energieunternehmen aus Österreich, Deutschland, Frankreich und den Niederlanden haben zusammen rund fünf Milliarden Euro in das Projekt Nord Stream 2 investiert. Diese würden ebenso infrage gestellt wie Milliardeninvestitionen in Anbindungsleitungen durch Deutschland und Tschechien. Der erneute Vorstoß der USA ist eine klare Missachtung internationalen Rechts und der europäischen Verbraucher, die mit Milliarden pro Jahr die Zeche für vor allem teureres Flüssigerdgas (LNG) zahlen, wenn diese Pipeline nicht fertiggestellt wird (siehe Grafik). Die europäische Gasproduktion wird sich in den nächsten 15 Jahren halbieren, der Importbedarf steigt. Nord Stream 2 kann einen Teil der Lücke füllen, im Wettbewerb mit anderen Lieferanten und Infrastrukturbetreibern. Gutachter von Frontier Economics und dem Energiewirtschaftlichen Institut an der Universität Köln (EWI) haben jüngst bestätigt, Mehrkosten für europäische Verbraucher im Falle der Blockade von Nord Stream 2 Quelle: EWI dass Nord Stream 2 die Versorgungssicherheit aufgrund der weiteren Diversifizierung der Transportrouten, der Vermeidung von Transitrisiken und der Anbindung neuer Gasfelder stärkt. Zudem fördern große Mengen kostengünstigen Gases den länderübergreifenden Wettbewerb. Des Weiteren soll die Pipeline die emissionsintensive Kohle im Energiemix ersetzen. Tatsächlich könnten so CO 2 -Emissionen von 40 Millionen Pkws pro Jahr eingespart werden, sofern der Strom mit Gas aus Nord Stream 2 statt mit Kohle produziert wird. EU-Politiker haben die US-Sanktionen gegen Nord Stream 2 verurteilt und als Verstoß gegen das Völkerrecht bezeichnet. Die Folgen haben nicht nur eine wirtschaftliche Dimension, sondern stellen schon heute eine Beschädigung der transatlantischen Beziehungen dar. Heute geht es „nur“ um eine Pipeline, morgen um Autozölle, übermorgen um Stahl. Europas Souveränität steht mehr denn je auf dem Spiel. Diese gilt es nun zu verteidigen. Dazu braucht es ein deutliches Signal aus Europa. Mehr Informationen unter: www.nord-stream2.com