+3 Magazin Juni 2020 | Page 4
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WIR FRAGEN:
WIE BLEIBT ENERGIE
SICHER UND BEZAHLBAR?
... und was ist
Ihre Meinung?
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Ab 220 Kilovolt spricht man von Höchstspannung, unter 60 Kilovolt von Mittelspannung,
dazwischen von Hochspannung. Warnhinweise sind also häufig irreführend, was der
allgemeinen Tödlichkeit aber keinen Abbruch tut.
Quelle: Bundesnetzagentur
© DYNE/dyneart.de
Guido Gluschke,
Direktor Institute for
Security and Safety (ISS),
Technische Hochschule
Brandenburg
System mit Hürden
Kostengünstige Energie für jeden basiert
auf der Idee, unterschiedliche
Energiequellen in einem europäischen
Energiemarkt zu bündeln und dort für
jeden Abnehmer flexibel bereitzustellen.
Diese Idee lässt sich nur umsetzen,
wenn verschiedene Energieerzeuger
mithilfe digitaler Kommunikation
das Stromnetz bedarfsgerecht steuern.
Gleichzeitig findet eine Energiewende
hin zu dezentralen, erneuerbaren
Energieträgern statt, die eine
bedeutsame digitale Transformation
benötigt. Die Gesetze der physischen
Massen, die heute in Großkraftwerken
durch riesige Turbinen wirken
und unser Energienetz stabilisieren,
müssen zukünftig durch Informationstechnologie
ausgeregelt werden.
Ein Angriff auf diese digitalen Regelmechanismen
würde zwangsläufig zu
Energieausfällen führen. Die Bedrohungsoberfläche
steigt enorm, sei es
durch mehr vernetzte Systeme oder
durch eine Vernetzung dieser Systeme
mit Verbrauchern und anderen Teilnehmern
des Netzwerks wie Solaranlagen
oder Elektroautos. Wer haftet,
wenn nicht Sie, sondern Ihr Haus,
Auto oder Kühlschrank ein Kraftwerk
hackt? Dies ist selbst für Juristen Neuland.
Während für die Zulassung neuer
Fahrzeuge demnächst eine Cyber-
Security-Regulierung erlassen wird, ist
das für Gebäudetechnik nicht erkennbar.
Sicherer Strom wird nur möglich
sein, wenn ein strategisches Vorgehen
zur digitalen Sicherheit auf europäischer
Ebene implementiert wird. Die
aktuellen Bestrebungen lassen diese
notwendige Weitsicht vermissen.
Thomas Speidel,
Präsident Bundesverband
Energiespeicher
Mitten im Wandel
Neben Sicherheit und Bezahlbarkeit
ist CO 2 -Freiheit ein weiterer wichtiger
Aspekt unserer Energieversorgung.
Anders als bei fossilen Großkraftwerken
ist die regenerative Erzeugung
dezentralisiert und folgt nicht dem
Bedarf sondern der Verfügbarkeit von
Wind, Sonne oder Wasser. Das ändert
vieles. Zum Aspekt der Sicherheit:
Dezentrale Systeme sind im Sinne
der Systemverfügbarkeit in der Regel
sicherer als zentrale Systeme. Das erschließt
sich leicht, denn Ausfälle sind
örtlich begrenzt und Redundanzen
höher. Der berühmten „Dunkelflaute“
wird durch erheblichen regenerativen
Erzeugungsüberschuss in Verbindung
mit Netzausbau, allen Arten von Speichern
und insbesondere der Sektorenkopplung
begegnet. Zudem ist die
Digitalisierung in allen Bereichen unabdingbar
und von höchster Priorität.
Denn zum Schutz vor externen Angriffen
sind dezentrale Systeme auf sichere
IT-Strukturen angewiesen. Zum
Aspekt der Kosten: Im Finanzbereich
gilt das Motto „Whatever it takes“. Das
muss erst Recht für den Erhalt des
Planeten gelten. Ist die Kostenwälzung
dabei noch richtig? Nein. Unter
der Maßgabe des Ziels müssen alle
Systembeteiligten regulatorisch neu
orchestriert werden. Das gilt für energiepolitische
Instrumente wie auch für
Steuern, Abgaben und Netzentgelte.
Dabei wird es ein Neuaufsetzen benötigen,
denn mit „weiteren Balkonen“
an den Bestandsregularien steigen die
Kosten. Wirtschaft und Privatverbraucher
sind auf eine bezahlbare CO 2 -freie
Energie angewiesen.