+3 Magazin Juni 2014 | Page 12

PLUS DREI 12 JUNI 2014 Wo schöpfen wir Mut? Entschädigung für ein Fehlurteil Eingesperrt im Gefängnis, kein Vertrauen in die Justiz mehr, die einen so schändlich enttäuscht hat. Gefangen in Trauer über das Erlebte. Aber nicht verlassen und allein. Denn da sind die Besuche, auch von Pfarrer Knop aus meinem Heimatort. Ich kannte ihn vorher nicht, aber er kommt mich be- Der Freispruch und die darauf folgende öffentliche Rehabilitation sind sehr wichtig für mich. Aber damit beginnt ein neuer Kampf, ein Kampf um eine gerechte Entschädigung für das erlittene Unrecht. Auch hierbei helfen mir Freunde und natürlich meine Familie, jeder auf seine eigene Weise. Die Un- „Der Freispruch und die folgende öffentliche Rehabilitation sind sehr wichtig für mich.“ Harry Wörz, viereinhalb Jahre unschuldig inhaftiert terstützung von so vielen Menschen in all den Jahren seit meiner Festnahme dauert bis heute an. Darüber bin ich sehr dankbar, denn mir ist bewusst, dass dies nicht selbstverständlich ist. Deren Beistand und aufrichtige Anteilnahme an meinem Schicksal gibt mir den Mut bei Schwierigkeiten und Niederlagen nicht aufzugeben, sondern durchzuhalten und weiter zu kämpfen. Chancen für eine neue Demokratie in der Ukraine Die Präsidentschaftswahl am 25. Mai war ein wichtiger Test für die fragile Demokratie der Ukraine. Zum ersten Mal seit 1991 gab es im ersten Wahlgang eine Mehrheit für einen Präsidentschaftskandidaten. Die Ereignisse auf dem Maidan in Kiew haben den Weg dafür geebnet. In den letzten Wochen ist es der Zivilgesellschaft gelungen, das Parlament dazu zu bringen, die Gesetze zur Korruptionsbekämpfung sowie zur Verbesserung des Zugangs zu Informationen zu verabschieden. Weitere Gesetze sind auf der Agenda. Der Systemwechsel war und ist eine Kernforderung der Demonstranten auf dem Maidan: Statt der schamlosen Ausbeutung der staatlichen Ressourcen und Institutionen durch einige mächtige Individuen muss ein bürgerlicher Rechtsstaat entstehen, in dem die Gesellschaft die Politiker zur Rechenschaft ziehen kann. Die Menschen haben zuerst in Kiew gewonnen und nun im zweiten Schritt der ganzen Welt gezeigt, dass ihre politischen Präferenzen und Zukunftsvorstellungen nicht mit dem linken oder „Wenn-Dann-Pläne“ steigern die Wahrscheinlichkeit Zivilcourage zu beweisen von 30 auf bis zu 60 Prozent. Quelle: Gollwitzer & Sheeran 2006 „Die Wähler haben gezeigt, dass ihre Zukunftsvorstellungen nicht mit dem linken oder rechten Parteienflügel verbunden sind.“ Iryna Solonenko und Nataliya Schapeler, Mitbegründerinnen der Initiative „Euromaidan Wache Berlin“ rechten Parteienflügel verbunden sind. Aber sie müssen weiter mutig sein. Real existierende Probleme im Land und die, die ins Land „exportiert“ wurden, bedürfen der Lösung. Die Zivilgesellschaft der Ukraine ist stärker geworden. Sie hat an Selbstvertrauen und Eigenverantwortung gewonnen. Daraus schöpfen wir die Hoffnung, dass diesmal – anders als nach der Orangenen Revolution – die Chance genutzt wird, eine konsolidierte Demokratie aufzubauen. © Leemage/Corbis suchen. Wir haben viele gute Gespräche und aus Fremden werden gute Freunde. Er richtet mich auf, wenn ich niedergeschlagen bin und er kämpft für mich. Für eine Chance auf eine Wiederaufnahme und einen gerechten Prozess. Für meine Freiheit. Seine Unterstützung und sein selbstloser Einsatz machen mir Hoffnung, dass alles zu einem guten Ende kommen wird. Leider kann er meinen Freispruch nicht mehr selbst erleben.