+3 Magazin Juli 2022 | Page 16

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WIR FRAGEN :

WIE GELINGT DIE VEREINBARKEIT

VON BERUF UND FAMILIE ?

64 Prozent aller Männer und 73 Prozent aller Frauen halten ein Baby mit dem linken Arm . Quelle : derstandard . de © iStock ./ Pyrosky
Eilika von Anhalt , Bildungsunternehmerin
Finde deinen Weg
Unsere Nine-to-five-Arbeitswelt , wie wir sie kennen , ist nicht an Menschen oder Familien , sondern , durch die industrielle Revolution , primär an Maschinen ausgerichtet . Das heißt , ein bisschen Rebellion und Aufstand braucht es schon , um Familie , Kinder , mich und meinen Brotverdienst unter einen Hut zu bringen und dabei nicht allzu oft die Nerven zu verlieren . Um Vergleiche auszuschließen , erstmal ein bisschen was zu meiner Ausgangslage : Ich komme aus dem verarmten Adel , habe Abitur , nicht fertig studiert , keinen Migrationshintergrund und war auf Schulen für Besserverdiener
. Mein Name und meine Herkunft bürgen einige Vorurteile , öffnen aber auch viele Türen . Ich bin 37 , meine Kinder acht und elf . Ich bin seit acht Jahren alleinerziehend und Alleinverdienerin – und inzwischen seit 13 Jahren selbstständig . Mein Beruf ist nicht systemrelevant . Ich bin mein eigener Boss . Finanziell stehe ich mittlerweile auf eigenen Beinen . Ich kenne Existenzangst , mein Konto wurde etliche Male gepfändet , ich bin stolz und eitel und möchte immer alles allein schaffen . Ohne meine Kinder wäre ich heute nicht da , wo ich bin : gesund und glücklich mit mir und meinem Leben . Warum ich das alles erzähle ? Ich glaube , es gibt kein Geheimrezept . Jeder muss sein eigenes , für sich funktionierendes Konstrukt finden . Arbeitgeber müssen genauso erzogen werden wie Kinder . Nehmt die Welt nicht zu ernst und lasst Raum für Tränen – und kuscheln hilft immer , sagt meine Tochter .
Laura Lewandowski , Journalistin , Entrepreneurin und Podcasterin
Wirtschaftswunder Mutter
Vor kurzem wurde ich für ein Event angefragt . Ich sei die „ absolute Wunschbesetzung “, hieß es . Nach ein paar Tagen Bedenkzeit sagte ich zu . Das Problem : Der Kunde wollte plötzlich nicht mehr – wegen meiner drei Monate alten Tochter . Ich solle mich doch lieber „ auf das Muttersein konzentrieren “. Von Freundinnen kenne ich ähnliche Geschichten . Die Absagen sind meist freundlich und scheinbar mitfühlend formuliert . Doch steht hinter ihnen ein gesellschaftliches Problem : Es herrscht die Annahme vor , man müsse Mütter
vor sich selbst schützen . Das ist Bullshit . Ja , es stimmt , dass ein Baby ein 24-Stunden-Job ist . Doch gerade deshalb können wir auf eure Bevormundung verzichten . Es gibt in Wirklichkeit nämlich niemanden , der organisierter ist als Mütter . Wir haben drei Startups gleichzeitig am Laufen : die Arbeit , das Kind , die Partnerschaft . Das zwingt uns dazu , unsere Zeit optimal zu nutzen – überflüssige Zoom-Meetings werden gecancelt , Social-Media-Prokrastination ist passé . Calls machen wir beim Kinderwagenschieben . An diese Manager-Skills kommt niemand heran . Also , liebe Wirtschaftstiere : Es ist nett , dass ihr uns schützen wollt . Was wir uns zumuten können , wissen wir selbst aber am besten . Statt uns Ratschläge zu erteilen , könnt ihr euch zukünftig stärker an der Care-Arbeit beteiligen . Dann werdet ihr begreifen , welche Superkräfte wir Mütter haben – und wie hoch der „ Return on Investment “ auf unsere Gesellschaft wirklich ist .