+3 Magazin Juli 2021 | Page 4

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WIR FRAGEN :

WIE DIGITAL MUSS BILDUNG SEIN ?

Nur 13 Prozent der Schülerinnen und Schüler sehen eine Digitalisierung des Unterrichts als Risiko . Quelle : bitkom
© iStock ./ ferrantraite
Jacob Chammon , Vorstand Forum Bildung Digitalisierung
Mehr rütteln , mehr trauen
Bevor wir uns fragen , wie Bildung digitalisiert wird , müssen wir uns fragen , was digitalisiert werden muss . Es geht nicht darum , dass Schulen vollständig digital und Lehrkräfte abgeschafft werden . Gerade die Corona- Pandemie hat gezeigt , wie wichtig das soziale Umfeld zum Lernen ist . Die Pandemie hat uns dazu gezwungen , die großen Fragen der Bildung zu stellen . Wir sind immer noch in einem Bild von Schule gefestigt , das dem von vor 50 Jahren entspricht . Und genau daran müssen wir nun heftig rütteln . Im Vordergrund sollte
der Lebensbezug von Schülerinnen und Schülern stehen . Die Welt besteht schließlich nicht aus Fächern , sondern aus komplexen Herausforderungen . Da hilft es auch nicht , einfach das zu digitalisieren , was gerade gemacht wird . Wer etwas digitalisieren möchte , muss es erstmal anders gestalten . Das Ziel von digitaler Bildung darf auch nicht sein , dass Schülerinnen und Schüler nur noch auf ihre eigenen Bildschirme starren und dabei die „ alte Schule “ konsumieren . Stattdessen müssen wir uns fragen : Wie kann Unterricht lebensbezogener und individueller werden ? Wir sollten uns viel mehr trauen , Altes aufzubrechen , um neue Experimentierräume zu schaffen . Das funktioniert aber nur , wenn wir eine Fehlerkultur in der Bildung ausbauen , neue Entwicklungen zulassen und alle Akteure – von Schulleitungen , Lehrkräften und Eltern über Zivilgesellschaft und Wissenschaft bis zu Politik und Verwaltung – zusammenarbeiten .
Ronny Röwert , Leser
Digital wie das Leben
Das Bildungssystem wurde in den letzten knapp 1,5 Jahren einer Schocktherapie unterzogen . Zwar haben sich schon zuvor einzelne Lehrende und damit auch Lernende auf den Weg gemacht , neue kreative und zeitgemäße Bildungsformate mit digitalen Möglichkeiten zu erproben . Dennoch zeigt die Corona-Pandemie , dass trotz des Erfahrungswissens in Schulen und Hochschulen die Umstellung von Unterricht und Lehre auf rein digitale Formate ein blinder Fleck ist . Für das sogenannte Emergency Remote Teaching war die deutsche Bildungslandschaft nicht gewappnet .
Diskussionen zu digitaler Bildung sind aktuell geprägt durch diesen Krisenkontext . Schnell setzte sich der Irrglaube durch , der Erfolg digitaler Bildung könne auf einer Skala von null Prozent ( keine Digitalisierung ) bis 100 Prozent ( vollständige Digitalisierung ) gemessen werden . Eine zeitgemäße Bildung sollte aber nach dem erfolgreichen Beitrag digitaler Medien für die konkreten Bildungsziele in Schule , Ausbildung , Hochschule und darüber hinaus bestimmt werden . Dabei sollte in den Mittelpunkt rücken , inwiefern digitale Medien Lernende auf eine digitale Lebens- und Arbeitswelt vorbereiten , die 4K-Kompetenzen des 21 . Jahrhunderts ( Kommunikation , Kollaboration , Kreativität , kritisches Denken ) gefördert werden und die größte Baustelle des deutschen Bildungssystems – eine chancengerechte Bildung für alle – bearbeitet wird . Die Frage müsste also lauten : „ Wie muss digitale Bildung sein ?“