+3 Magazin Juli 2016 | Page 4

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WIR FRAGEN :

WIE BAUEN WIR DAS

HAUS VON MORGEN ?

... und was ist Ihre Meinung ?

www . plus-drei . de antwort @ plus-drei . de
Das Waldvolk der Korowai in Papua baut seine Baumhäuser in den Wipfeln der Urwaldriesen : in 50 und mehr Metern Höhe .
Quelle : Wikipedia
© Astronaut Images / gettyimages
Rüdiger Lainer , Architekt
Weniger bauen
Eine rasche Antwort bezieht sich auf drei Ebenen des Bauens : Den Energieverbrauch gilt es zu senken , die Wohngewohnheiten sind zu hinterfragen , die Botschaft des Gebauten muss ankommen . Wenn es ums Geld geht , braucht man wenig Überzeugungsarbeit , um fürs Energiesparen zu plädieren . Derzeit zeichnet sich ein Richtungswechsel ab , betreffend die Methoden . An Stelle des Faradayschen Käfigs kurzlebiger Haustechniken tritt die nachhaltige Änderung baulicher Strukturen durch die Architektur . Dazu zählt die Erhöhung der Speichermasse von Gebäuden
, die wohlgeformte Kompaktheit der Bauformen , die Nutzung natürlicher Ressourcen und die Begrünung im Mikroklima der Gebäude . Das Potenzial für ein umfassendes Energiesparen ist damit noch lange nicht ausgeschöpft . Das Mehrfamilienhaus von morgen muss den Wandel der Sozialisationsstrukturen reflektieren . Die funktionell eindeutige Zuordnung von Raumtypen – Stichwort Wohnzimmer – ist daher überholt . Wohnungen sollen als variable Raumzonen verstanden werden , ohne den Flächen- und damit Energiebedarf zu erhöhen . Wohnungen können also in zwei , drei oder fünf Zimmern gegliedert werden – je nach Maßgabe der aktuellen Notwendigkeit . Weniger bauen ist also die Devise für die Zukunft , und dafür schöner : Denn die ästhetische Akzeptanz eines Hauses evoziert ein Revitalisierungspotenzial über den Verfall des Materials hinaus .
Volker Dietz , Leser
Zurück zur Geborgenheit
Der Mensch ist ein Höhlentier . Seit Urzeiten sucht er Schutz vor der Unbill der Natur , dem Wetter , den Tieren und unerwünschten und feindlichen Menschen – in Höhlen , Laubhütten und Behausungen aus Holz , Lehm oder Stein . Diesen Höhlencharakter hat die moderne Architektur mit ihren raumhohen Fenstern verlassen : Der Bewohner sitzt und steht buchstäblich exhibitionistisch auf dem Präsentierteller , wenn er nicht Rollläden herunterlässt – soweit überhaupt noch vorhanden – oder Vorhänge zuzieht . Auf der anderen Seite soll er diese Fenster aus Energieeinspargründen nicht mehr öffnen und sich mit Wärmetauschern den nötigen Sauerstoff holen .
Er soll also eingeschlossen wie in einer Thermosflasche mit Lüftungsschlitzen sein , dazu in der Variante Smart Home mit dem ständigen Stress des Funktionierens sämtlicher elektronischer , vermeintlicher Komforteinrichtungen , deren Funktionen und Einstellungen er ständig im Kopf haben muss und neben sich liegend die Liste der Notdienste für die Fehlerbehebung . Alles das Gegenteil des von der Werbung angepriesenen behaglichen Wohnens . Diese unmenschliche technische Konstruktion kann und darf nicht das Haus von morgen sein . Das Haus von morgen muss mit natürlichen Mitteln Luft , Licht , Schutz und Energieeffizienz vereinen . Ansonsten wird es auf Dauer nicht angenommen und entfremdet den Menschen in einer künstlichen Welt immer mehr von seiner erdgebundenen Natur .