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Irmgard Schwaetzer,
Präses der Synode der
Evangelischen Kirche in
Deutschland (EKD)
Festung Europa?
Endlich Bilder von Rettungsbooten
im Mittelmeer. Um uns herum ist die
Welt im Aufruhr, aber die Staatschefs
Europas denken immer noch darüber
nach, wie sie Menschen, die vor Bürgerkrieg, Verfolgung, Willkür und Armut flüchten, von unserem beschützten Leben fernhalten können. Aber
erst wenn Menschen in Sicherheit und
Freiheit ihr Leben führen können und
sie zu Hause Lebenschancen haben,
werden sie in ihrer Heimat bleiben.
Solange werden sie sich nicht von den
Gefahren einer Überfahrt über das
Mittelmeer abschrecken lassen.
Die Evangelische Kirche fordert endlich mehr Anstrengungen, um Fluchtursachen zu beenden: Auf dem Gipfel
zur Finanzierung der Entwicklung der
ärmsten Länder dieser Welt im äthiopischen Addis Abeba im Juli müssen
den Staaten konkrete Zusagen zur Aufstockung der finanziellen Leistungen
auf 0,7 Prozent ihres Bruttoinlandsprodukts abverlangt werden – und
nicht eine Abkehr von diesem lange
formulierten Ziel, wie es offensichtlich die EU anstrebt. Geradezu zynisch
aber ist, dass die EU-Länder den Bürgerkriegsflüchtlingen aus Syrien und
Irak keine legalen und sicheren Reisewege eröffnen. Hier ist es dringend geboten, großzügig und unbürokratisch
Visa nach Europa auszugeben und
erneut ein Programm zur Ansiedlung
besonders bedrängter Familien aus Syrien in Europa zu beschließen und umzusetzen. Die gemeinsamen Werte, auf
denen die Europäische Union basiert,
erfordern eine Willkommenskultur für
Schutzsuchende.
joG, Leser/in
Mauern werden höher
Eher sieht es aus, als würden in Europa
die Grenzen wieder errichtet werden
(müssen). Die EU und die Mitgliedsregierungen haben seit den 1990ern
unerhört geschlampt und die Bevölkerungen sind unruhig geworden mit den
ganzen Desastern, die man durch immer neue Regeln zu korrigieren sucht.
Wie nun jetzt auch hier, wo man sogar
bespricht, bewaffnetes Militär gegen
Leute einzusetzen, die nur den Ärmsten der Welt, wiewohl gegen Geld, helfen. Das verunsichert die Wähler und
sie beginnen zu murren.
Wolfgang Diederich, Leser
Spaß mit Zäunen
Es wird Grenzen geben, solange es
Menschen gibt. Menschen grenzen
sich ab. Politisch in Form von Nationalitäten, privat in Form von „Maschendrahtzaun“. Und wer das nicht
Gerhard Bachleitner, Leser
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Peter Jagusch,
Leser
Andreas Köthemann, Leser
Einzeller
Ein dehnbarer Begriff
Welch eine dumme (und auch sehr
neudeutsche) Insinuation! Wollen Sie
uns tot sehen? Jede lebende Zelle existiert nur, weil sie zwischen sich und
dem Rest der Welt eine Grenze zieht.
Wir haben die große Chance, hierzu
unseren Schengen-Raum genau zu beobachten. Zu schauen, wie es uns da
gelingt zusammenzuwachsen. Diese Erfahrungen können dann die Grundlage
sein für eine komplette Welt ohne Grenzen. Wann es die geben wird, hängt vom
politischen Willen der verantwortlichen
Regierenden ebenso ab wie von zu Extremismus neigenden Untergrundgruppen. Solange es aber noch „Antiterrorgesetze“ gibt, die nicht die Terroristen
treffen, sondern das Volk ruhig halten
sollen, solange über den Islam gehetzt
wird, solange man über Flüchtlinge und
Asylbewerber herzieht und Massenarbeitslosigkeit regiert, dürften völlig offene Grenzen noch in sehr weiter Ferne
liegen. Obwohl ich mir die überall offene Grenze sehnlichst wünsche.
Siegbert Wolf,
Herausgeber der
„Ausgewählten Schriften“
von Gustav Landauer
Ordentlich anarchisch
Der libertäre Kulturphilosoph und
Initiator zahlreicher anarchistischer Projekte Gustav Landauer
(1870–1919) entwickelte ein Nationenkonzept jenseits von Nationalstaatlichkeit, Staatsgrenzen und
Nationalismus. Er zielte auf eine
Trennung der Nation vom Staat, da
der Staat für ihn nur eine Zwangsstruktur war und damit das Gegenteil von Freiheit, Bund und Vielfalt:
„Volk […] ist ein Mischgebilde aus
Nationalität, staatlichen Grenzen
und Wirtschafts- und Kultureinheit.
Der Staat und seine Grenzen sind
elende Zufallsprodukte der erbärmlichsten Erscheinungsformen so genannter Geschichte.“
Hierbei kommt dem Föderalismus
– ein Organisationsprinzip, geprägt
von der Eigenständigkeit und engen
Vernetzung der einzelnen Glieder –
eine erhebliche Bedeutung zu. Nur
in einer grundlegend erneuerten Gesellschaft freier und gleichberechtigter Menschen konnte sich Landauer
eine Welt ohne (nationalstaatliche)
ganz so eng sieht, empfindet das
nicht als eingrenzend, sondern als
bereichernd!
Jochen Viehoff,
Geschäftsführer
des Heinz Nixdorf
Museumsforums
Alles auf Anfang?
Die Internationalisierung der Kommunikation begann schon vor dem digitalen Zeitalter, als analoge Telegrafen- und Telefonnetze erst Länder und
später über Tiefseekupferkabel ganze
Kontinente verbanden. Mit dem beginnenden Computerzeitalter kamen
digitale Informationen hinzu, die das
bestehende Netz international nutzen
konnten, deren Leistungen aber rasch
nicht mehr ausreichten. Neue Glasfaserleitungen verbinden heute fast
alle Länder der Erde und dienen der
In weiter Ferne
Dazu müsste man erstmal klären, ob
Grenzen überhaupt fall