+3 Magazin Februar 2022 | Page 19

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Julien Park , Wissenschaftlicher Mitarbeiter und Assistenzarzt , Universitätsklinikum Münster
Es geht nur gemeinsam
Marlies Vogt , Leserin
Andere Normalität
Das Leben mit einer seltenen Krankheit hängt sehr stark von den Rahmenbedingungen ab . Natürlich spielt die Krankheit mit ihren Symptomen und idealerweise auch mit der Behandlung eine große Rolle im Leben der Betroffenen . Mindestens genauso wichtig sind die Lebensumstände . Ein harmonisches Familienumfeld , in dem sich das Kümmern um die Krankheit mit den Bedürfnissen der anderen Familienmitglieder die Waage hält , kann eine wichtige Voraussetzung für einen so weit wie möglich normalen Alltag sein . Genauso wichtig ist die wirtschaftliche Situation . Kann man trotz seiner Krankheit einer Arbeit nachgehen oder ist das wirtschaftliche Fundament der Familie jeden Monat aufs Neue gefährdet ? Hier sind auch der Gesetzgeber und das Gesundheitssystem gefordert . Betroffene und ihre Angehörigen verdienen , dass sie sich auf den normalen Alltag und die Behandlung der Krankheit konzentrieren können und sich nicht um finanzielle Probleme sorgen müssen , die ihre Existenz bedrohen .
Forschung hilft
Alexander Röth , Leiter Nicht-maligne Hämatologie und Gerinnung , Universitätsmedizin Essen
Seltene Erkrankungen sind für alle Beteiligten eine Herausforderung . Der Weg zur richtigen Diagnose gleicht oft einer Odyssee . Es kann schwer sein , die Erkrankung zu verstehen und anderen zu vermitteln . Therapien sind vielleicht nicht verfügbar oder wegen der Seltenheit der Erkrankung dafür nicht zugelassen . Betroffene sollten sich früh mit der Erstdiagnose oder zur Abklärung einer unklaren Diagnose an spezialisierte Zentren wenden . Hier können frühzeitig Untersuchungen und Verlaufskontrollen eingeleitet werden und die Teilnahme an Studien zur Entwicklung neuer Medikamente ist möglich .
Auch wenn wir von „ seltenen “ Erkrankungen sprechen , sind viele Menschen direkt oder indirekt betroffen . Um den Betroffenen zu helfen , forschen wir . Und diese Forschung kann nur im Team aus Forschenden , Klinikern und den Betroffenen erfolgreich sein . Gleich zu Beginn meiner Arbeit ist mir klargeworden , welche Kraft aus diesem Zusammenspiel erwachsen kann : Als Doktorand lernte ich eine Familie kennen , deren Kind mit einer unbekannten und lebensbedrohlichen Erkrankung lebte , die zu schweren Krampfanfällen führte . Diese Begegnung war so eindrücklich , dass ich zusammen mit meinem Doktorvater Professor Thorsten Marquardt unbedingt verstehen wollte , was diese Krankheit auslöst und wie man sie behandeln kann . Wir konnten die Ursache der Erkrankung klären und eine effektive Behandlung beginnen . Die Krampfanfälle ließen rasch nach . Ohne die Familie und ihre Beharrlichkeit würde das Kind noch immer mit der Last einer ungewissen Diagnose und ohne eine gezielte Therapie leben . Die Erkrankung wurde Thema meiner Dissertation . Wie können wir seltene Erkrankungen verstehen und behandeln ? Diese Frage hat mich seitdem nicht losgelassen und ist die Motivation , als Clinician Scientist auch weiterhin Forschung und Patientenversorgung zu verbinden . Im Kontakt mit den Betroffenen verstehen wir jeden Tag etwas besser , wie wir den vielen seltenen Diagnosen begegnen können . Ziel bleibt eine Therapie für alle Betroffenen .
Ihr Name , Leserin
Was ist Ihre Meinung ?
Schreiben Sie uns , was Sie zu den kommenden Fragen auf der letzten Seite denken – vielleicht erscheinen Sie dann im nächsten Heft .
Bei seltenen Erkrankungen liegt nicht selten eine klare Ursache zugrunde , die sich mit neuen zielgerichteten Therapien sehr gut behandeln lässt . Bei der Paroxysmalen nächtlichen Hämoglobinurie ( PNH ) und der Kälteagglutininerkrankung ( CAD ) etwa ist durch eine gezielte Blockade eines Teils des Immunsystems , Komplementsystem genannt , eine gute Behandlung möglich . Schwere Komplikationen lassen sich vermeiden , Beschwerden lindern und Betroffene können wieder ein fast normales Leben führen . Für die PNH sind die Wirkstoffe schon zugelassen , für die CAD wird bald damit gerechnet . Diese neue Therapieform kann wiederum Ausgangspunkt für die Behandlung anderer seltener Erkrankungen werden . Die Forschung spielt somit eine wichtige Rolle bei der Entschlüsselung der Erkrankung und des ursächlichen Mechanismus sowie bei den sich daraus ergebenden Behandlungsmöglichkeiten .

FRÜHERKENNUNG DER DMD – WEIL JEDER TAG ZÄHLT !

Wenn Kinder , vor allem Jungen , in ihrer Entwicklung langsamer sind als Gleichaltrige , muss zunächst kein Grund zur Sorge bestehen . Denn schließlich entwickelt sich jedes Kind in seinem eigenen Tempo , ganz individuell . Doch in seltenen Fällen kann auch einmal mehr dahinterstecken , zum Beispiel eine Duchenne-Muskeldystrophie ( DMD ). Die DMD ist eine schwerwiegende Erkrankung , die durch einen fortschreitenden , unaufhaltsamen Muskelabbau gekennzeichnet ist . Zunächst ist nur die Bewegungsmuskulatur betroffen , später auch die Atemund Herzmuskulatur . Oberstes Ziel ist es , die Gehfähigkeit so lange wie möglich zu erhalten , denn ein früher Verlust der Gehfähigkeit ist mit einer schnelleren Verschlechterung wichtiger Funktionen assoziiert , etwa der Abnahme motorischer Funktionen , orthopädischen Komplikationen und Ateminsuffizienz .
Da einmal zugrunde gegangene Muskeln nicht wieder repariert werden können , ist die Früherkennung der DMD umso wichtiger . Neben der Behandlung kommt deshalb der Diagnostik der DMD besondere Bedeutung zu . Denn gerade eine frühzeitige Diagnose kann die Prognose und die Lebensqualität der Betroffenen erheblich verbessern . Dabei ist es wichtig , dass nicht nur die ersten muskelspezifischen Symptome rechtzeitig erkannt werden , sondern bereits auch auf die unspezifischen frühen Zeichen einer DMD wie motorische , kognitive und sprachliche Entwicklungsverzögerungen geachtet wird .
Eine frühe Diagnose der DMD bedeutet weniger Stigmatisierung , weniger Belastung und weniger Komplikationen für Eltern und Kind . Die Patienten können frühzeitig behandelt werden und durch die Aufnahme in ein Patientenregister beispielsweise auch von neuen innovativen Therapien profitieren . Welche frühen Zeichen einer Entwicklungsverzögerung bei Jungen können auf eine DMD hinweisen ? Was ist zu tun bei Verdacht auf DMD ? Hierzu bietet die Website www . hinterherstattvolldabei . de Eltern , Angehörigen und Interessierten in nur drei Schritten eine schnelle Orientierung . Damit eine DMD so früh wie möglich erkannt werden kann .
Die Erbkrankheit Duchenne-Muskeldystrophie ( DMD ) tritt bei etwa einem von 3.600 bis 6.000 Neugeborenen auf . In den allermeisten Fällen sind Jungen betroffen . Erste Zeichen einer DMD können bereits im Kleinkindalter auftreten . Durch eine Veränderung in der Erbsubstanz wird bei den betroffenen Kindern kein funktionsfähiges Muskelprotein Dystrophin gebildet .
Mit der Kampagne „ Hinterher statt voll dabei ?“ möchte PTC Therapeutics das Bewusstsein für die DMD in der Öffentlichkeit schärfen .
Erfahren Sie mehr auf : www . hinterherstattvolldabei . de