+3 Magazin Februar 2022 | Page 16

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WIR FRAGEN :

WIE LEBT MAN MIT

EINER SELTENEN ERKRANKUNG ?

© martinschoeller . com
Zum World Rare Disease Day hat der in New York lebende Starfotograf Martin Schoeller die Close-up-Porträtserie „ Faces of XLH “ fotografiert . Sie ist aktuell im NRW-Forum Düsseldorf zu sehen .
Eva Luise Köhler , Initiatorin Eva Luise und Horst Köhler Stiftung für Menschen mit Seltenen Erkrankungen
Mit leeren Händen
Seltene Erkrankungen manifestieren sich in der Regel früh und folgenschwer . Bei Kindern und Jugendlichen sind sie die mit Abstand häufigste Todesursache . Hunderttausende sind von schweren oder schwersten Behinderungen betroffen oder bedroht . Weil es mangels Forschung nur für einen Bruchteil dieser Krankheiten kurative Therapieansätze gibt , stehen Ärzte oft mit leeren Händen vor den zu Recht verzweifelten Eltern . Viele Familien zerbrechen daran , auch angesichts des extrem fordernden Alltags . Andere wachsen über sich hinaus : Sofern sie über die notwendigen Ressourcen
an Zeit , Kraft und Bildung verfügen , vernetzen sie sich weltweit mit Wissenschaftlern und Betroffenen , um unermüdlich die Forschung voranzutreiben . Schließlich hat der medizinische Fortschritt in den vergangenen Jahren wegweisende Behandlungserfolge hervorgebracht . Insbesondere in der Onkologie , aber auch bei seltenen degenerativen Erkrankungen gibt es ermutigende Beispiele : So erlernen Kinder mit spinaler Muskelatrophie ( SMA ), die im Rahmen des natürlichen Krankheitsverlaufs vor dem 24 . Lebensmonat versterben würden , dank frühzeitiger gentherapeutischer Intervention heute das Laufen . Der medizinische Fortschritt eröffnet neue , geradezu historische Chancen . Das bringt uns als Gesellschaft in die Pflicht , dafür zu sorgen , dass innovative Verfahren zügig den Weg in die therapeutische Praxis finden – und zwar dort , wo sie am dringendsten gebraucht werden .
Martin Schoeller , Fotograf
Aktiv bleiben
Als Fotograf arbeite ich häufiger mit mehr oder weniger klar definierten Gruppen von Menschen . Als dann mein Team ein Fotoprojekt zum diesjährigen Rare Disease Day an mich herangetragen hat , war mein Interesse sofort geweckt . Phosphatdiabetes ist zwar nur eine von rund 8.000 seltenen Krankheiten , doch es gibt eine Gemeinsamkeit : den langen Leidensweg – mit zum Teil jahrelanger Ungewissheit . Diese Krankheit ist nun besonders gemein , weil man dagegen wenig machen kann . Gerade in der Wachstumsphase fehlt Phosphat im Körper , was wichtig für den Knochenaufbau
ist . Kein leichter Start ins Leben , wenn man dann schon in der Schule gehänselt wird . Die Menschen , die ich als Fotograf nun kennenlernen und porträtieren durfte , waren alle in einem Verein organisiert , und es war beeindruckend zu sehen , wie gut sie mit ihrer Krankheit umgehen und leben können . Sie alle lassen sich davon nicht groß einschränken , sind stattdessen einfach weiterhin aktiv und können so ein zufriedenes Leben führen . Mir hat das gezeigt , wie wichtig ein starker Wille und eine lebensbejahende Haltung sind . Generell denke ich , dass die Auseinandersetzung mit diesem Thema nicht nur zum Rare Disease Day auf der Tagesordnung stehen sollte – weil es nur so mehr Verständnis für andere Menschen geben kann , die es schwerer haben . Auch wünsche ich mir noch mehr Forschung auf diesem Gebiet und mehr Aufklärung , damit Betroffene früher diagnostiziert werden können .