Nicolas Colsman , Geschäftsführer Zukunft Digitale Bildung
Lehrkraft der Zukunft
Vom allwissenden professoralen Gott zum modernen Lernbegleiter , der auch nur ein Mensch ist : die Lehrkraft der Zukunft ist keine bloße Autoritätsfigur , die stumpfen Frontalunterricht abhält . Vielmehr kann sie die Selbstständigkeit und die Lernprozesse der Kinder individuell fördern und ihnen auf Augenhöhe begegnen . Kernfähigkeiten , die eine Lehrkraft dafür braucht : Empathie , Mut , Selbstreflexion und Veränderungsbereitschaft . Sie ist sich darüber im Klaren , dass sie nicht allwissend ist und Scheitern dazugehört . Sie lebt den Kindern den Weg des lebenslangen Lernens vor . Um diese Vision zu verwirklichen , ist ausschlaggebend , dass die Lehrkraft der Zukunft digital kompetent und aufgeklärt ist . Sie erkennt die Risiken des digitalen Arbeitens an , aber nutzt es als essenzielle Ressource für den Unterricht .
Judit Costa , Leserin
Einfach vertrauen
Die Schule braucht mehr Vertrauen und weniger Vorschriften . Mehr Vertrauen in Schüler , Lehrkräfte , Erzieher und Schulleitungen . Wenn Menschen lehren und lernen wollen , dann muss ihnen niemand vorschreiben , wann genau über die Französische Revolution gesprochen wird . Auch kleinteilige Forderungen wie Steuererklärungen ausfüllen gehen am Ziel vorbei . Nach den Grundfertigkeiten Rechnen , Schreiben und Lesen muss es mehr Freiheit , Zeit und Gestaltungsraum geben .
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Die Lehrkraft der Zukunft verfolgt mit Mut und Neugier das Ziel , die Schülerinnen und Schüler in eine digitalisierte Zukunft zu begleiten und gibt ihnen das passende Werkzeug für eine selbstständige , mündige Entwicklung an die Hand . Das Misstrauen in unsere Lehrerinnen und Lehrer können wir getrost hinter uns lassen . Es ist Zeit , ihnen mit der Anerkennung und dem Vertrauen zu begegnen , das sie benötigen und verdienen . Fortschritt ist schließlich immer mit einem gewissen Wagnis verbunden . Die Lehrkraft der Zukunft hat aber keine Angst davor , genau dieses Risiko einzugehen .
Schule 5.0
Isabell M . Welpe , Professorin für Strategie und Organisation , TU München
Das deutsche Schulsystem hat seit über 100 Jahren keine echte Innovation mehr erfahren . Eng besetzte Klassenzimmer mit Tafel , starre Klassenverbände , viele altbekannte Unterrichtsinhalte , nach Fächern aufgeteilte Stundenpläne und Schulnoten als zentraler Leistungsmaßstab – Zeitreisenden aus dem Jahr 1921 wäre all das sehr vertraut . Um zukünftig ihrem Bildungsauftrag gerecht zu werden , müssen Schulen drei wesentliche Veränderungen anstoßen . 1 ) Schule 5.0 macht individuelle Lernangebote statt Einheitsunterricht . Adaptive Lerntechnologien ermöglichen es , das Lernen individuell an Schüler anzupassen und so zur Lösung einiger Herausforderungen von Schulen wie heterogene Lernstände , Schulabbrüche und Unterrichtsausfälle beizutragen . 2 ) Schule 5.0 braucht Lehrpläne , die zukunftsrelevante Fähigkeiten vermitteln . In der
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Angela Jetter , Primarlehrerin und Personalvermittlerin im Bildungsbereich
Nach vorne denken
Als ich mich 2011 dem allerersten Studiengang für Quereinsteiger an der Pädagogischen Hochschule in Zürich anschloss , war das Thema Quereinstieg noch sehr neu und verunsicherte auch Studierende . Sie wussten nicht , ob sie jemals den gleichen Stellenwert wie Lehrkräfte mit klassischer Ausbildung bekommen würden . Im Kanton Zürich hatten wir Glück : Schon während des Studiums durften wir unterrichten . Finanziell mussten wir nicht bei null anfangen , unsere vorherige Bachelor-Ausbildung wurde honoriert . Inzwischen unterrichte ich nicht mehr selbst , sondern vermittle Lehrkräfte an Schulen , spontan bei krankheitsbedingten Ausfällen oder langfristig . Aus meinen Erfahrungen heraus weiß ich , dass Veränderungen im Schulzimmer beginnen . Dafür sind Quereinsteiger bereichernd . Sie brin-
zukünftigen „ Creator Economy “ werden zudem diejenigen belohnt , die in der Lage sind , etwas zu kreieren , egal ob physisch oder digital . 3 ) Schule 5.0 braucht Flexibilität in Räumen , Zeiten und Strukturen . Weil Schüler zu unterschiedlichen Zeiten lern- und aufnahmefähig sind und weil sich Erwerbs- und Familienleben drastisch verändert haben . Deutschland sollte auch darüber nachdenken , die Präsenzpflicht durch eine Schul- und Bildungspflicht zu ersetzen . Flexible Schulorganisationen verzichten ganz auf Klassenräume , Stundenpläne , Fächer und Schulnoten , um problembasiertes Lernen in Projekten als primäre Unterrichtsform umzusetzen .
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gen nicht nur Lebenserfahrung mit , sondern auch Erfahrungen aus anderen Berufen – und damit neue Ideen und Impulse für den Unterricht und die Schule . Natürlich braucht es dafür einen fruchtbaren Boden . Das bestehende Lehrpersonal sollte den „ Neuen “ aufgeschlossen gegenüberstehen und bereit sein , auch mal umzudenken . Sowieso darf man Schule nie als etwas Statisches betrachten . Schon seit längerem geht der Trend hin zu mehr Teamarbeit auf Augenhöhe . Um diesen Trend zu verankern , sollten Medien nicht das Bild vom klassischen Frontalunterricht reproduzieren . Vor allem braucht es mutige Lehrkräfte , die das Schulsystem Tag für Tag nach vorne denken .
Kai Radtke , Leser
Zu viele Fesseln
Die Schule braucht auf keinen Fall eine hierarisch-absolutistische und politikhörige Bürokratie , die aus der Ferne Macht exerziert . Sie braucht allerhöchstens einen Overhead , der evidenzbasiert auf einer ( erziehungs- ) wissenschaftlichen Basis an einer Weiterentwicklung des Schulwesens unterstützend wirkt . Menschen lernen , weil sie zusammen Gemeinschaft erleben , und nicht , weil sie speziellen lerntechnischen Prozessen unterworfen werden . Damit die Schule mit Leidenschaft und Freude ihren Bildungsauftrag erfüllen kann , braucht sie Vertrauen und keine ausgefeilten Kontrollmechanismen , die durch Misstrauen jegliches Engagement ersticken . Ohne Freude am Lernen und Lehren bleiben alle Fragen etwa nach Digitalisierung , Bezahlung oder Klassengröße irrelevant und die Antworten Nebelkerzen , die von den Leerstellen ablenken . Nur selbst einmal Schüler gewesen zu sein , reicht nicht aus , um Schule weiterentwickeln zu können .
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