+3 Magazin Februar 2021 | Page 13

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Maria Heinze , Leserin
Digitalisiert euch
Ein erfahrener Hausarzt erkennt viele Erkrankungen schnell und weiß um die dazugehörige korrekte Therapie . Das ist bei den Waisen der Medizin , den seltenen Krankheiten , anders . Hier kann das Finden der Diagnose sehr lange dauern und kompliziert sein . Findet sich keine Erklärung für die Beschwerden des Patienten , wird oft zwangsläufig ein falsches Krankheitsbild diagnostiziert , was durch eine Fehlbehandlung natürlich ein Risiko für den Patienten darstellt . Selbst für Fachärzte ist es schwer , stets auf dem aktuellen Stand der Forschung zu bleiben . Ein Bekannter von mir ist Arzt . Er liest so viele Fachjournals , wie er eben schafft , und sagt , dass er trotzdem nur einen kleinen Ausschnitt seines Fachgebiets kennt . Wie soll da ein Hausarzt den Überblick in der Flut von Informationen über tausende Krankheiten behalten . Hier braucht es digitale Unterstützung – zum Beispiel durch spezielle Online-Datenbanken , die man als Arzt anhand von Symptomen nach Anhaltspunkten für eine mögliche Diagnose durchsuchen kann . Idealerweise filtert ein lernendes System anhand der Symptome schon eigenständig infrage kommende Krankheiten heraus . Wenn zusätzlich auch eine automatische Vernetzung mit passenden Experten implementiert ist , könnte der Weg zur Diagnose deutlich kürzer werden .
Wie in Sechser im Lotto
Christine Braune , von Primärer Ciliärer Dyskinesie Betroffene
Michael Glubow , Leser
Bürde fürs Leben
Ich habe ALD . Bei dieser seltenen Krankheit werden durch einen genetischen Fehler bestimmte Fettsäuren nicht abgebaut . Diese schädigen dann Gehirn , Rückenmark und Nebennieren . Seit meiner Kindheit ist mein Leben stark beeinträchtigt und ein Ende des Leidens ist nicht in Sicht .
Meine Kindheit und Jugend waren geprägt vom Kranksein . Eine Entzündung jagte die nächste . Ständig war die Nase verstopft , sie musste mehrmals jährlich operativ gespült und gefenstert werden , ich hörte schlecht und erhielt mehrmals Paukenröhrchen . Zudem hatte ich chronischen feuchten Husten und einige Lungenentzündungen . Sämtliche Operationen , Rehamaßnahmen und Medikamente brachten keine Besserung . Die Ärzte waren ratlos . Jahrzehntelang
irrte ich durch Praxen und Krankenhäuser – eine richtige Odyssee . 2016 dann endlich ein Anhaltspunkt in einer TV-Sendung : ein Kind mit ganz ähnlichen Symptomen – und einer Diagnose ! Ich ließ nichts unversucht und tatsächlich diagnostizierten Ärzte eine Primäre Ciliäre Dyskinesie ( PCD ), eine angeborene seltene Erkrankung , bei der die Flimmerhärchen ( Zilien ) auf allen Schleimhäuten im Körper eine Fehlbeweglichkeit aufweisen . Dadurch ist die Selbstreinigung aller Schleimhäute , insbesondere der
Lunge und Nasennebenhöhlen , eingeschränkt oder gar nicht möglich . Der Schleim bleibt in den betroffenen Organen liegen . Heute bin ich 37 Jahre alt . Die Diagnose war gefühlt mein Sechser im Lotto . Das hat mir so viel Kraft gegeben , nun selbst aktiv zu sein , selbst zu handeln und mit der Therapie endlich „ gut “ leben zu können . Seither versuche ich außerdem , PCD in das Bewusstsein der Menschen zu rücken , etwa über Social Media . Als Tempo . tine berichte ich von meiner Therapie , meinem Alltag und der Erkrankung .
Geske Wehr , Vorsitzende Allianz Chronischer Seltener Erkrankungen ( ACHSE )
Wir wollen keine Waisen sein
In Europa gilt eine Erkrankung als selten , wenn weniger als fünf von 10.000 Menschen von einem Krankheitsbild betroffen sind . Das Au-Kline-Syndrom , eine neurologische Entwicklungsstörung , ist in Deutschland siebenmal verzeichnet , wohingegen 8.000 Menschen hier mit Mukoviszidose leben . Aufgrund der Seltenheit und der Vielzahl gleichermaßen wird zu wenig geforscht . Krankheitsübergreifend haben die Betroffenen vieles gemeinsam : die jahrelange Suche nach der richtigen Diagnose , wenige oder keine Therapien , das fundierte Wissen liegt in wenigen Händen , behandelnde Ärzte , die sich auskennen , sind rar . Im Alltag müssen Betroffene viele Hürden nehmen . Sie kämpfen um Anerkennung in Schule und Beruf , bei Krankenkassen und Ämtern . Sie werden oft nicht ernst genommen , weil ihre Erkrankung unbekannt ist . „ Waisen der Medizin “ beschreibt diese Gruppe also ganz gut . Dennoch müssen wir aufpassen , dass diese Bezeichnung nicht zu einem Stigma gerät . Sie wird dem , was die vielen Menschen in Patientenorganisationen aktiv erreicht haben , nicht gerecht . Gerade zum Rare Disease Day , immer Ende Februar , wird ganz besonders deutlich , wie stark , laut und mächtig die Seltenen weltweit sind . Auch in der ACHSE haben wir gemeinsam schon viel für die vier Millionen betroffenen Kinder und Erwachsenen in Deutschland tun können . Mit noch mehr Unterstützung aus Politik , Medizin , Wissenschaft und Forschung können wir noch mehr erreichen . Dafür kämpfen wir .
Dr . Kirsten Wittling , Cluster General Manager DACH , Kyowa Kirin GmbH
Erwachsenwerden mit seltener Erkrankung
Menschen mit einer seltenen Erkrankung haben ein Recht auf adäquate medizinische Behandlung – in jedem Alter . Seltene Erkrankungen sind oft erblich und chronisch . Daher erfordern sie eine kontinuierliche Betreuung durch spezialisierte
Petra Andrichs , Leserin
Schwer erkennbar
Die Herausforderungen bei den Waisen der Medizin beginnen bereits mit der richtigen Diagnose . Wenn eine Erkrankung nur wenige Menschen auf unterschiedlichen Kontinenten betrifft , stellt das die Medizin vor große Herausforderungen . Für Pharmaunternehmen lohnt sich hier die Forschung
DIES IST EINE GESPONSERTE ANTWORT , ALSO EINE ANZEIGE
Fachärzte . Das trifft auch auf den Phosphatdiabetes ( XLH ) zu . Infolge einer angeborenen Entwicklungsstörung von Knochen , Zähnen und Bewegungsapparat leben die Betroffenen mit lebenslangen Einschränkungen . Diagnose und Therapie vieler seltener Erkrankungen erfolgen zunächst über Kinderärzte in der Klinik und spezialisierten Zentren . Die Transition , also der Wechsel von der Kinder- und Jugendmedizin zur Erwachsenenversorgung , wird oft zur Herausforderung , vor allem wenn wohnortnah spezialisierte Fachärzte fehlen . Damit der Wechsel ohne Therapieunterbrechung und Informationsverlust gelingen kann , sind auf
Quelle : ACHSE
meist nicht und gewöhnliche Krankenhäuser sind mit der Identifizierung der korrekten Diagnose und der therapeutischen Betreuung von Betroffenen meist überfordert . Umso bedeutender sind alle forschenden Tätigkeiten in dem Bereich , denn viele der seltenen Erkrankungen haben genetische Ursachen . Und weil sie so schwer zu erkennen sind , werden sie oft lange mit anderen Krankheitsbildern verwechselt und dadurch falsch behandelt . ›
die Patienten zugeschnittene Versorgungswege notwendig – und mehr Transparenz über die medizinischen Kompetenzzentren und Spezialisten . Wir bei Kyowa Kirin leisten einen Beitrag dazu , dass Patienten ihr Leben lang eine adäquate Versorgung erhalten . So gelten wir als Pionier in der Erforschung von Wirkstoffen zur Behandlung von XLH und weiteren sehr seltenen Erkrankungen . Im Alltag suchen wir den engen Austausch mit Betroffenen und externen Partnern . Unser Ziel ist es , gemeinsam schnellere und bessere Antworten auf Patientenbedürfnisse zu finden , zu denen auch eine gelungene Transition zählt .