+3 Magazin Februar 2019 | Page 7

+1 Rolf Wehrle, Leser Der rote Faden bleibt Ein neues Trugbild wird durch das Land gejagt: dass, wenn nur erst ge- nug Tablets und schnelles WLAN an allen Schülertischen installiert sind, in der Bildung goldene Zeiten anbre- chen. Gott sei Dank gibt es auch noch Pädagogen und Wissenschaftler, die dagegenhalten. Die Phasen mit gu- tem, erklärendem, im besten Fall fesselndem Frontalunterricht und das Arbeiten mit guten Schul- und Wissenschaftsbüchern nicht für Teu- felszeug aus dem letzten Jahrtausend halten. Lehrerpersönlichkeit und der für das Lernen und Wohlfühlen so wichtigen zwischenmenschlichen Beziehung zwischen Schüler und Lehrer kontra Algorithmen mit ho- hem (Weg-)Wisch-Faktor. Gezielte, altersgerechte Aufbereitung von In- halten kontra völlige Überforderung durch Tausende von mehr oder weni- ger geprüften Internetseiten. Natür- lich muss der Computer eine Rolle in der Schule spielen – vom Medien- und Methodenwechsel im Unterricht über die Möglichkeiten des indivi- dualisierten Übens bis zum Anleiten zum verantwortungsvollen Umgang mit den neuen Medien. Aber daraus ein Allheilmittel für die moderne Bil- dung zu stilisieren, ist für mich ein gefährlicher Irrweg, der eher einer weiteren Unkonzentriertheit und Verflachung Vorschub leisten wird. Von den noch nicht endgültig geklär- ten Gefahren der Strahlung der Netze für das kindliche Gehirn, dem hem- mungslosen Verbrauch wertvoller Ressourcen und den unverantwort- lich hohen Bergen von anfallendem Elektronikschrott gar nicht zu reden. Christian Müller, Leitungsteam Didaktisches Labor Universität Passau Didaktische Werkzeuge Die Digitalisierung birgt für alle Be- reiche des Schullebens große Chan- cen, als Mediendidaktiker interessiert mich vor allem die Unterrichtsgestal- tung mit digitalen Medien. Häufig dreht sich die aktuelle Diskussion um Substitutionsgedanken: Das Buch wird durch Tablets ersetzt, die Kreidetafel durch interaktive Ta- feln, der Overheadprojektor durch Dokumentenkameras. Das didakti- sche Potenzial digitaler Medien wird dadurch noch nicht ausgeschöpft. Darüber hinaus praktizieren viele Lehrkräfte jetzt schon sehr guten, di- gital gestützten Unterricht. Es wird in Teams gearbeitet und gleichzeitig das Lernen der einzelnen Schülerin- nen und Schüler pädagogisch pro- fessionell in den Blick genommen. 7 Ilka Hoffmann, Leiterin Organisationsbe- reich „Schule“, Gewerk- schaft für Erziehung und Wissenschaft Internationale Studien attestieren dem deutschen Schulsystem immer wieder den engen Zusammenhang von sozialer Herkunft und Bildungs- erfolg. Auch die jüngste PISA-Stu- die hat diesen Befund noch einmal bestätigt. Es fehlt eine bildungs- politische Strategie, die soziale Be- nachteiligung im Bildungssystem zu überwinden. Kinder und Jugendli- che aus armen Stadtvierteln sind so- gar gleich zweifach benachteiligt: Sie besuchen in der Regel Schulformen außerhalb des Gymnasiums und die betreffenden Schulen sind dazu noch schlechter personell und materiell ausgestattet. Weder ein Digitalpakt, sollte er endlich einmal umgesetzt werden, noch die immer wiederkeh- renden Vergleichstests werden dar- an etwas ändern. Die Verbesserung von Bildungschancen und Teilhabe für alle ist kein Randthema. Es geht um den sozialen Zusammenhalt und die Stärkung der Demokratie. Denn: Immer mehr junge Menschen fühlen sich abgehängt und glauben nicht mehr, dass sie in dieser Gesellschaft etwas zählen. Das treibt sie in die Arme von Populisten und Extre- misten, die ihre Probleme angeblich aufgreifen. Die Demokratie braucht gleiche Lebens- und Bildungschan- cen für alle und ein Miteinander der verschiedenen Menschen von klein an. Hier hat die Schule von heute noch einen großen Reformbedarf in Richtung eines gut ausgestatteten inklusiven Systems. Digitale Medien eignen sich hervor- ragend dafür, diese beiden pädago- gischen Ziele zu erreichen. Aktuell fördern viele Initiativen die Digita- lisierung im Bildungswesen und das Thema wird sehr gehypt. Keine Schu- le, keine Lehrkraft kommt aktuell an diesem Thema vorbei. Schon allein deshalb wird es zukünftig mehr Un- terricht mit digitalen Medien geben. Gleichzeitig muss man dies aber auch problematisch sehen, da eine sinn- volle Integration von digitalen Me- dien im Unterricht aus der eigenen Überzeugung von Lehrkräften her- aus geschehen sollte und nicht durch Druck von außen, etwa durch Politik oder Wirtschaftsunternehmen. Und selbstverständlich gibt es sehr guten Unterricht auch ohne digitale Medi- en und manchmal leider auch sehr schlechten trotz Digitalisierung. Gleiche Chancen für alle DIES IST EINE GESPONSERTE ANTWORT, ALSO EINE ANZEIGE EINMAL DURCH LONDON LAUFEN – IM KLASSENZIMMER Eine App verbindet klassische Schulbücher mit digitalen Inhalten Wir sprechen mit Christoph Golla, Redaktionsleiter für Fremdsprachen bei der Westermann Gruppe, einem der größten deutschen Anbieter von Bildungsmedien, über Augmented Reality in Schulbüchern. Was genau ist Augmented Reality? Und wie kann man sich den Einsatz im Schulunterricht vorstellen? Mit Augmented Reality, also einer erweiterten Re- alität, wollen wir den klassischen Schulunterricht digital bereichern. Wir verknüpfen digitale Technik mit dem analogen Schulbuch. Dafür haben wir die kostenfreie Zoom-App entwickelt, mit der erwei- ternde Inhalte zum Schulbuch angesteuert werden können. Dazu hält man sein Smartphone oder Tablet über die jeweilige Seite. In der App werden daraufhin passende Zusatzmaterialien bereitgestellt. Das sind zum Beispiel Hörtexte, die je nach Leistungsstand vor- und zurückgespult werden können, methodische Anregungen durch Audio-Lerntipps, audiovisuelle Grammatik-Erklärfilme, landeskundliche Aspekte in Slideshows oder die korrekte Aussprache von fremd- sprachlichen Begriffen. Entscheidend ist, dass so auf individuelle Bedürfnisse eingegangen werden kann. Jeder holt sich dort Hilfe, wo er sie gerade braucht. Das klingt eher nach der „Schule von morgen“. Ab wann ist denn der Einsatz von Augmented Reality geplant? Die Zoom-App gibt es schon seit 2013. Dank des Feedbacks von Lehrkräften konnten wir die App aber immer genauer auf die Inhalte des Unterrichts und die Bedürfnisse der Lernenden anpassen. Aktuell So funktioniertʼs Einfach die Zoom-App starten und mit dem Smartphone oder Tablet die jeweilige Doppel- seite des Buches scannen. Sobald Zoom die Buchseite durch langsames Darüberfahren erkannt hat, öffnen sich passende Videos, Au- dios, 3D-Animationen oder Zusatzmaterialien. steht sie für den Unterricht mit Schulbüchern der Westermann Gruppe in Englisch, Geografie/Erd- kunde und Chemie zur Verfügung. Apps für weitere Fächer sind in Planung. Welche Vorteile bietet der Einsatz von Augmented Reality für den Lernprozess? Zurzeit ist das Schulbuch nach wie vor das Leitme- dium im Unterricht. Nach meiner Einschätzung wird sich das auch in den nächsten Jahren nicht grundlegend ändern. Gerade deshalb finde ich eine Hybrid-Lösung wie Zoom so spannend. Schulbücher berücksichtigen zwar heute bereits unterschiedliche Anspruchsniveaus, Lerntypen und methodische An- sätze. Sie können mir aber nicht etwa neu eingeführ- te Vokabeln vorsprechen oder einen audiovisuellen Rundgang durch London anbieten. Hierfür brauche ich das digitale Medium. Welchen Stellenwert wird Augmented Reality in Zukunft beim Lernen einnehmen? Der Unterricht der Zukunft wird noch crossmedi- aler werden. Es dürfte aber ein eher langwieriger Prozess werden, denn letztlich müssen die digita- len Lösungen auch immer den technischen Gege- benheiten in den Schulen angepasst sein. Nur was da ist, kann auch eingesetzt werden. Natürlich stellt sich bei allen neuen Entwicklungen auch die Frage nach der Wirtschaftlichkeit. Fest steht aber: Wir haben das enorme Potenzial der Augmented Reality noch lange nicht ausgeschöpft. Download der App unter: westermann.de/landing/zoom-app ›