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Rolf Wehrle, Leser
Der rote Faden bleibt
Ein neues Trugbild wird durch das
Land gejagt: dass, wenn nur erst ge-
nug Tablets und schnelles WLAN an
allen Schülertischen installiert sind,
in der Bildung goldene Zeiten anbre-
chen. Gott sei Dank gibt es auch noch
Pädagogen und Wissenschaftler, die
dagegenhalten. Die Phasen mit gu-
tem, erklärendem, im besten Fall
fesselndem Frontalunterricht und
das Arbeiten mit guten Schul- und
Wissenschaftsbüchern nicht für Teu-
felszeug aus dem letzten Jahrtausend
halten. Lehrerpersönlichkeit und
der für das Lernen und Wohlfühlen
so wichtigen zwischenmenschlichen
Beziehung zwischen Schüler und
Lehrer kontra Algorithmen mit ho-
hem (Weg-)Wisch-Faktor. Gezielte,
altersgerechte Aufbereitung von In-
halten kontra völlige Überforderung
durch Tausende von mehr oder weni-
ger geprüften Internetseiten. Natür-
lich muss der Computer eine Rolle
in der Schule spielen – vom Medien-
und Methodenwechsel im Unterricht
über die Möglichkeiten des indivi-
dualisierten Übens bis zum Anleiten
zum verantwortungsvollen Umgang
mit den neuen Medien. Aber daraus
ein Allheilmittel für die moderne Bil-
dung zu stilisieren, ist für mich ein
gefährlicher Irrweg, der eher einer
weiteren Unkonzentriertheit und
Verflachung Vorschub leisten wird.
Von den noch nicht endgültig geklär-
ten Gefahren der Strahlung der Netze
für das kindliche Gehirn, dem hem-
mungslosen Verbrauch wertvoller
Ressourcen und den unverantwort-
lich hohen Bergen von anfallendem
Elektronikschrott gar nicht zu reden.
Christian Müller,
Leitungsteam
Didaktisches Labor
Universität Passau
Didaktische Werkzeuge
Die Digitalisierung birgt für alle Be-
reiche des Schullebens große Chan-
cen, als Mediendidaktiker interessiert
mich vor allem die Unterrichtsgestal-
tung mit digitalen Medien. Häufig
dreht sich die aktuelle Diskussion
um Substitutionsgedanken: Das
Buch wird durch Tablets ersetzt, die
Kreidetafel durch interaktive Ta-
feln, der Overheadprojektor durch
Dokumentenkameras. Das didakti-
sche Potenzial digitaler Medien wird
dadurch noch nicht ausgeschöpft.
Darüber hinaus praktizieren viele
Lehrkräfte jetzt schon sehr guten, di-
gital gestützten Unterricht. Es wird
in Teams gearbeitet und gleichzeitig
das Lernen der einzelnen Schülerin-
nen und Schüler pädagogisch pro-
fessionell in den Blick genommen.
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Ilka Hoffmann,
Leiterin Organisationsbe-
reich „Schule“, Gewerk-
schaft für Erziehung und
Wissenschaft
Internationale Studien attestieren
dem deutschen Schulsystem immer
wieder den engen Zusammenhang
von sozialer Herkunft und Bildungs-
erfolg. Auch die jüngste PISA-Stu-
die hat diesen Befund noch einmal
bestätigt. Es fehlt eine bildungs-
politische Strategie, die soziale Be-
nachteiligung im Bildungssystem zu
überwinden. Kinder und Jugendli-
che aus armen Stadtvierteln sind so-
gar gleich zweifach benachteiligt: Sie
besuchen in der Regel Schulformen
außerhalb des Gymnasiums und die betreffenden Schulen sind dazu noch
schlechter personell und materiell
ausgestattet. Weder ein Digitalpakt,
sollte er endlich einmal umgesetzt
werden, noch die immer wiederkeh-
renden Vergleichstests werden dar-
an etwas ändern. Die Verbesserung
von Bildungschancen und Teilhabe
für alle ist kein Randthema. Es geht
um den sozialen Zusammenhalt und
die Stärkung der Demokratie. Denn:
Immer mehr junge Menschen fühlen
sich abgehängt und glauben nicht
mehr, dass sie in dieser Gesellschaft
etwas zählen. Das treibt sie in die
Arme von Populisten und Extre-
misten, die ihre Probleme angeblich
aufgreifen. Die Demokratie braucht
gleiche Lebens- und Bildungschan-
cen für alle und ein Miteinander der
verschiedenen Menschen von klein
an. Hier hat die Schule von heute
noch einen großen Reformbedarf in
Richtung eines gut ausgestatteten
inklusiven Systems.
Digitale Medien eignen sich hervor-
ragend dafür, diese beiden pädago-
gischen Ziele zu erreichen. Aktuell
fördern viele Initiativen die Digita-
lisierung im Bildungswesen und das
Thema wird sehr gehypt. Keine Schu-
le, keine Lehrkraft kommt aktuell an
diesem Thema vorbei. Schon allein
deshalb wird es zukünftig mehr Un-
terricht mit digitalen Medien geben.
Gleichzeitig muss man dies aber auch problematisch sehen, da eine sinn-
volle Integration von digitalen Me-
dien im Unterricht aus der eigenen
Überzeugung von Lehrkräften her-
aus geschehen sollte und nicht durch
Druck von außen, etwa durch Politik
oder Wirtschaftsunternehmen. Und
selbstverständlich gibt es sehr guten
Unterricht auch ohne digitale Medi-
en und manchmal leider auch sehr
schlechten trotz Digitalisierung.
Gleiche Chancen
für alle
DIES IST EINE GESPONSERTE ANTWORT, ALSO EINE ANZEIGE
EINMAL DURCH LONDON LAUFEN – IM KLASSENZIMMER
Eine App verbindet klassische Schulbücher mit digitalen Inhalten
Wir sprechen mit Christoph Golla,
Redaktionsleiter für Fremdsprachen
bei der Westermann Gruppe, einem
der größten deutschen Anbieter von
Bildungsmedien, über Augmented
Reality in Schulbüchern.
Was genau ist Augmented Reality? Und wie kann man
sich den Einsatz im Schulunterricht vorstellen?
Mit Augmented Reality, also einer erweiterten Re-
alität, wollen wir den klassischen Schulunterricht
digital bereichern. Wir verknüpfen digitale Technik
mit dem analogen Schulbuch. Dafür haben wir die
kostenfreie Zoom-App entwickelt, mit der erwei-
ternde Inhalte zum Schulbuch angesteuert werden
können. Dazu hält man sein Smartphone oder Tablet
über die jeweilige Seite. In der App werden daraufhin
passende Zusatzmaterialien bereitgestellt. Das sind
zum Beispiel Hörtexte, die je nach Leistungsstand
vor- und zurückgespult werden können, methodische
Anregungen durch Audio-Lerntipps, audiovisuelle
Grammatik-Erklärfilme, landeskundliche Aspekte in
Slideshows oder die korrekte Aussprache von fremd-
sprachlichen Begriffen. Entscheidend ist, dass so auf
individuelle Bedürfnisse eingegangen werden kann.
Jeder holt sich dort Hilfe, wo er sie gerade braucht.
Das klingt eher nach der „Schule von morgen“. Ab wann
ist denn der Einsatz von Augmented Reality geplant?
Die Zoom-App gibt es schon seit 2013. Dank des
Feedbacks von Lehrkräften konnten wir die App aber
immer genauer auf die Inhalte des Unterrichts und
die Bedürfnisse der Lernenden anpassen. Aktuell
So funktioniertʼs
Einfach die Zoom-App starten und mit dem
Smartphone oder Tablet die jeweilige Doppel-
seite des Buches scannen. Sobald Zoom die
Buchseite durch langsames Darüberfahren
erkannt hat, öffnen sich passende Videos, Au-
dios, 3D-Animationen oder Zusatzmaterialien.
steht sie für den Unterricht mit Schulbüchern der
Westermann Gruppe in Englisch, Geografie/Erd-
kunde und Chemie zur Verfügung. Apps für weitere
Fächer sind in Planung.
Welche Vorteile bietet der Einsatz von Augmented
Reality für den Lernprozess?
Zurzeit ist das Schulbuch nach wie vor das Leitme-
dium im Unterricht. Nach meiner Einschätzung
wird sich das auch in den nächsten Jahren nicht
grundlegend ändern. Gerade deshalb finde ich eine
Hybrid-Lösung wie Zoom so spannend. Schulbücher
berücksichtigen zwar heute bereits unterschiedliche
Anspruchsniveaus, Lerntypen und methodische An-
sätze. Sie können mir aber nicht etwa neu eingeführ-
te Vokabeln vorsprechen oder einen audiovisuellen
Rundgang durch London anbieten. Hierfür brauche
ich das digitale Medium.
Welchen Stellenwert wird Augmented Reality
in Zukunft beim Lernen einnehmen?
Der Unterricht der Zukunft wird noch crossmedi-
aler werden. Es dürfte aber ein eher langwieriger
Prozess werden, denn letztlich müssen die digita-
len Lösungen auch immer den technischen Gege-
benheiten in den Schulen angepasst sein. Nur was
da ist, kann auch eingesetzt werden. Natürlich
stellt sich bei allen neuen Entwicklungen auch die
Frage nach der Wirtschaftlichkeit. Fest steht aber:
Wir haben das enorme Potenzial der Augmented
Reality noch lange nicht ausgeschöpft.
Download der App unter:
westermann.de/landing/zoom-app
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