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+1 4 WIE SIEHT SCHULE HEUTE AUS? WIR FRAGEN: ... und was ist Ihre Meinung? www.plus-drei.de [email protected] Das „Einstein-Syndrom“ beschreibt Kinder, die besonders spät beginnen, zu sprechen. Albert Einstein selbst soll bis zu seinem vierten Lebensjahr keinen Ton gesagt haben. Quelle: The Guardian © iStock./RichVintage Christof Kuhbandner, Professor für Pädago- gische Psychologie, Universität Regensburg Potenziale erkennen und fördern Was erwarten wir eigentlich von Schu- len? Sie sollen Kinder in ihrer Per- sönlichkeitsentwicklung unterstützen und dazu befähigen, in ihrer zukünfti- gen Lebenswelt sachgerecht, kreativ, selbstbestimmt und verantwortungs- bewusst gegenüber der sozialen und natürlichen Umwelt zu handeln, ver- bunden mit der Gestaltungslust, die Welt ein Stück besser zu machen. Wie müssten Schulen dazu gestaltet sein? Der Grundstein ist die Überzeugung, dass jedes Kind über ein reichhaltiges Potenzial verfügt. Da heute „Wissen“ über digitale Geräte überall verfügbar ist, wird durch Auswendiglernen von Definitionen und Theorien dieses Po- tenzial vergeudet. Stattdessen müssen Schulen ein Lernen fördern, bei dem Definitionen und Theorien mit dem Erleben und Handeln in der Welt verknüpft werden. Unerlässlich dafür sind reale Erfahrungen mit der Welt, welche von einer mentalen Reflexion auf der Basis aktuellen Fachwissens begleitet sind. Angesichts der kaum mehr überblickbaren Fülle an Wis- sen macht das Bestreben wenig Sinn, in allen Bereichen vertieftes Wissen aufzubauen. Vielmehr müssen Kinder auf der Basis vielfältiger Anregungen darin unterstützt werden, ihr Poten- zial in den Bereichen optimal zu ent- falten, die ihren eigenen Interessen entsprechen. Dabei ist dafür Sorge zu tragen, dass die eigenen Interes- sen von anderen wertgeschätzt und mit deren Interessen in Einklang ge- bracht werden – auf der Basis einer Mitgestaltung des gesellschaftlichen Lebens. Jürgen Blum, Leser Nur eines zählt Der neuseeländische Bildungsforscher John Hattie untersuchte über viele Jahre in rund 800 Metastudien, was die wichtigsten Faktoren für guten Unterricht sind. Das Beeindruckende an seinen Studien ist nicht nur ihre empirische Breite, sondern vor allem die Eindeutigkeit ihrer Ergebnisse. Was macht die Qualität einer guten Schule aus? Ist es die Hinführung zu eigenverantwortlichem Arbeiten und Lernen ohne Lehrer? Überschätzt. Die Frage nach privater oder staat- licher Schule ebenso. Sind es die fi- nanziellen Ressourcen einer Schule? Nein. Didaktische Reformen? Auch nicht entscheidend. Das Wichtigste ist die einzelne Lehrperson. Nichts vermag den Menschen mehr zu moti- vieren als der Mensch. Lehrer, die für ihr Fach brennen, haben die größte Chance, das Interesse ihrer Schüler zu wecken. Manche Pädagogen schaffen das auch mit einem Vortrag. Insofern ist es fragwürdig, den Frontalunter- richt per se zu verdammen, wie es in der Lehrerausbildung seit Jahrzehn- ten geschieht. Niemand wünscht sich die Zeiten zurück, in denen Unterricht ausschließlich lehrerzentriert war. Aber lernerzentrierten Unterricht zum alleinseligmachenden Dogma zu erklären, heißt nach meiner Auffas- sung, Kompetenzen eines Lehrers un- genutzt zu lassen. Ein Pädagoge wird von den Lernern nur dann ernst ge- nommen, wenn er authentisch ist. Das kann er jedoch nur sein, wenn man ihm die Freiheit lässt, die Methoden anzuwenden, die seinen individuellen Fähigkeiten entsprechen. Jutta Bauer, Leserin Ein einfacher Ratschlag direkt aus der Praxis: Eine Obergrenze von ma- ximal 20 Schülern pro Klasse und viele Probleme sind gelöst.