+3
20
Martha Pawlitzki, Leserin
Im Kreis der Familie
Als unsere Pensionierung näher
rückte, beschlossen wir, der Groß-
stadt den Rücken zu kehren. Und
da eine unserer Töchter als Ärztin in
der Stadt keine Niederlassung fand,
suchten wir uns etwas zusammen.
Wir fanden einen Bauernhof auf
dem Land, in dem schon eine Ärztin
tätig gewesen war. Das Haus hatte
genug Platz für ihre Familie und eine
Praxis. Mein Mann und ich bauten
unser Haus in die Scheune. Mittags
kamen alle zum Essen zusammen,
Familienfeste feierten wir gemein-
sam. Wir achteten darauf, dass die
junge Familie ihre Freiräume hatte
und sie achteten die unsrigen. Einige
Jahre später zog unsere älteste Toch-
ter 400 Meter entfernt in ein Haus.
So waren häufig noch mehr Kinder
auf dem Hof. Es ist ein besonderes
Erlebnis, das Heranwachsen mitzu-
erleben und auch Freud und Leid
zu teilen. Davon gab es genug. Der
große Garten wartete auch auf mich.
Wenn die Arbeit zu viel wurde, war
immer einer bereit, mit anzufassen.
Jeder freute sich, die eigene Ernte
auf dem Tisch zu haben und zu ge-
nießen. Mein Mann war beschäftigt
mit den Reparaturen, die bei alten
Gebäuden tagtäglich anfallen. Wir
leben jetzt 25 Jahre gemeinsam auf
Ihr Name,
Leserin
WERTEKANON Ältere Menschen ticken anders, aber nicht überall
Gesamtbevölkerung
ab 14 Jahren
Generation
60plus
Schreiben Sie uns Ihre Antwort und viel-
leicht erscheinen Sie im nächsten Heft.
Rolf-Jürgen Simon, Leser
Ab in den Selbstversuch
Im Oktober 2019 beginnt mein Ru-
hestand. Ob das Rentenalter „gol-
dene Jahre“ werden, wird sich noch
herausstellen. Die voraussichtlichen
gesetzlichen Rentenbezüge werden
wohl eher mau als golden ausfallen.
Damit meine ich, dass eine gewisse
finanzielle Sicherheit schon einmal
eine grundlegende Säule eines an-
genehmen Lebens im Alter darstellt.
Noch wichtiger ist natürlich Gesund-
heit, die durch eine aktive, bewusste
und nachhaltige Lebensweise geför-
dert werden kann – wenn denn nicht
das Schicksal dazwischenfunkt. Zu
meinem persönlichen Rezept für ein
glückliches Leben im Alter gehören
auch intensive Erfahrungen in der
Natur und das Reisen. Schließlich
hoffe ich, dass meine freundschaft-
lichen Kontakte bestehen bleiben
und weitergeknüpft werden, denn
Gemeinschaft ist für mich ebenfalls
Bestandteil eines erfüllten Alterns.
85,4%
80,1%
74,6%
70,2%
64,6%
68,9%
69,7%
68,1%
57,9%
61,2%
53,6%
57,5%
40,4%
48,2%
60,6%
45%
48,7%
41,4%
40,6%
34,9%
51,5%
34,5%
23,4%
33,3%
Für die Familie da sein, sich für die Familie einsetzen
Gute Freunde haben, enge Beziehungen zu anderen Menschen
Eine glückliche Partnerschaft
Soziale Gerechtigkeit
Unabhängigkeit, sein Leben weitgehend selbst bestimmen können
Kinder haben
Menschen helfen, die in Not geraten
Naturerfahrungen, viel in der Natur sein
Viel Spaß haben, das Leben genießen
Immer Neues lernen
Die Welt, andere Länder und Kulturen kennenlernen
Erfolg im Beruf
Religion, feste Glaubensüberzeugung
Anteil der
0%
20%
40%
60%
80% Befragten
Quellen: IfD Allensbach, Statista
dem Hof. Wir sind glücklich, alle um
uns zu haben, aber auch alleine sein
zu können. Alle Kinder sind in der
Lehre oder studieren. Aber am Sonn-
tag ist unser Tisch immer noch mit
bis zu zwölf Personen besetzt. Alle
sind willkommen. Wir haben immer
ein offenes Ohr und so unendlich viel
Schönes erlebt.
Jutta Harms, Leserin
Das Leben ist ein
Geschenk
Was ist Ihre Meinung?
80,5%
82,1%
›
Unverhofft bin ich nach einer schweren
Erkrankung schon mit 56 Jahren er-
werbsunfähig verrentet. Und zwar mit
einer sehr kleinen Rente. Jetzt könnte
ich bereuen, nicht besser für diesen Fall
vorgesorgt zu haben. Dafür aber blicke
ich auf ein Erwerbsleben zurück, in
dem ich (fast) jeden Tag gern zu meiner
Arbeit in einem kleinen Verlag gegan-
gen bin. Ich hatte viel Gestaltungsspiel-
raum, habe die allerschönsten Bücher
herausgegeben und wunderbare Ver-
anstaltungen organisiert. Wir haben
alle zusammen junge Autorinnen und
Autoren auf ihrem Weg unterstützt so-
wie den Diskurs in unserem Feld vor-
angebracht. Das kann ich einfach nicht
bedauern. Ich bin jetzt zwar nicht mit
finanziellem, dafür aber mit kulturel-
lem Kapital reich ausgestattet. Und
habe – was mir am meisten bedeutet
– ein reißfestes soziales Netzwerk aus
Freunden und früheren Kollegen. Ma-
teriell komme ich über die Runden,
kulturell und sozial bin ich mehr als gut
versorgt. Ich genieße jeden einzelnen
Tag und bin dankbar für das Geschenk
des Lebens. Dieses kann sich plötzlich
als viel kürzer erweisen, als man immer
gedankenlos vorausgesetzt hatte. Also
lerne ich, im Moment zu leben und
Wichtiges von Unwichtigem zu unter-
scheiden. Das wird mich auch im Alter
tragen oder mir helfen, falls die Krank-
heit wieder schlimmer wird. Allerdings
Franziska Giffey,
Bundesministerin für
Familie, Senioren,
Frauen und Jugend
Teil der Gemeinschaft
„Hauptsache, gesund!“ ist wahr-
scheinlich das Erste, woran man
denkt. Der nächste Gedanke ist: nicht
allein, nicht einsam. Wir wünschen
uns Menschen, mit denen wir reden
und etwas unternehmen können. Wir
wollen uns gebraucht fühlen, uns mit
unseren Fähigkeiten einbringen, aber
auch Zuwendung und Unterstützung
erfahren, wenn wir etwas brauchen.
All das bietet die Familie. Aber was,
wenn die Kinder weit entfernt woh-
nen oder wenn man keine Kinder
hat? Es gibt rund 540 Mehrgenerati-
onenhäuser bundesweit, die das Bun-
desfamilienministerium fördert. Es
sind Begegnungsorte für Ältere und
sollte man nie auf „goldene Jahre“ war-
ten. Das Leben ist nicht teilbar in „Al-
ter“ und eine Zeit davor.
Susanne Tyll, Leserin
Hier kann ich bleiben
Die meisten Menschen wollen in ih-
rer vertrauten Umgebung wohnen
bleiben. Viele müssen das wegen der
Entwicklung der Mietpreise auch.
Das Umfeld sollte so gestaltet sein,
dass es diesem Bedürfnis Rechnung
trägt – nicht nur bei Mobilitäts-, son-
dern auch bei Sinneseinschränkungen.
Weniger Barrieren bedeuten mehr
Komfort für alle Menschen. Der Bewe-
gungsradius wird mit zunehmendem
Alter häufig kleinräumiger. Barrieren
bedeuten nicht nur für viele Ältere
Bewegungseinschränkung. Eine be-
dürfnisgerechte und sichere Wohnum-
Jüngere. Menschen treffen einander,
helfen sich gegenseitig und gestalten
ihr Umfeld mit. Sie kümmern sich
um andere und können sich darauf
verlassen, dass sich jemand um sie
kümmert. Ältere Menschen werden
im Mehrgenerationenhaus beispiels-
weise zu Wunschgroßeltern: Ihr Le-
ben wird bereichert durch ein Kind,
dessen Eltern dank der Wunschoma
oder dem Wunschopa Familie und
Beruf besser vereinbaren können.
33.000 Menschen engagieren sich
in den Mehrgenerationenhäusern:
Schülerinnen und Schüler zeigen
Älteren den Umgang mit digitalen
Medien, in einer Geschichtswerk-
statt werden Lebenserfahrungen
weitergegeben. Ich will die Arbeit der
Mehrgenerationenhäuser weiter un-
terstützen. Wie gesund wir alt wer-
den, liegt nur zum Teil an uns selbst.
Dafür, im Alter nicht einsam zu sein,
kann jede und jeder etwas tun. Ge-
hen Sie doch einfach mal ins nächste
Mehrgenerationenhaus.
gebung ist mitentscheidend für alltäg-
liche Routinen und Rituale. Wichtig
sind kostenfreie Trefforte zur Kontakt-
aufnahme, ausreichende Versorgungs-
angebote, Bewegungsmöglichkeiten
und somit Gesundheitsprävention,
Selbstbestimmtheit und Selbststän-
digkeit. Notwendig ist zudem eine
professionelle Wohnberatungsstelle in
der Nähe mit kostenlosem und unab-
hängigem Beratungsangebot zu allen
Fragen des Wohnens – auch präven-
tiv. Das beschleunigt und unterstützt
die möglichst barrierefreie Anpassung
der Wohnung an die jeweiligen indivi-
duellen Bedürfnisse. Ziel einer solchen
Entwicklung des Wohnumfelds ist
auch, möglichst allen Menschen den
Verbleib in ihrer vertrauten Wohnung
dauerhaft zu ermöglichen oder gege-
benenfalls individuelle Alternativen
wie zum Beispiel Hausgemeinschaften
in hoffentlich funktionierender Nach-
barschaft anzubieten.