+3 Magazin Februar 2019 | Page 18
+3
18
WIR FRAGEN:
WIE WOLLEN WIR
ALT WERDEN?
... und was ist
Ihre Meinung?
www.plus-drei.de
[email protected]
Rund 230.000 Deutsche haben
einen Altersruhesitz im Ausland.
Quelle: Deutsche Rentenversicherung
Josef Aldenhoff,
Psychotherapeut,
Autor und Berater
Glücksschmiede
Wie wir alt werden, ist entscheidend.
Denn das können wir beeinflussen. Alt
werden heißt vieles: mehr Freiheit, das
Leben zu bestimmen, aber auch weni-
ger werden, ein höheres Krankheits-
risiko haben und sterben. Diese Per-
spektiven verändern das Leben: Ich
kann es bestimmen, unabhängig von
Arbeitszwängen. Doch dann stellt sich
die Frage: Was will ich? Nur ich. Wenn
ich arm bin, habe ich weniger Möglich-
keiten, aber ganz ohne Mittel bin ich
nie. Gegen das Wenigerwerden kann
ich durch Bewegung etwas tun und
indem ich Herausforderungen anneh-
me. Der Krankheit kann ich begegnen,
© iStock./CasarsaGuru
indem ich gesund lebe. Ich kann ab-
nehmen und meinen Bluthochdruck,
meine Zuckerkrankheit, meine Ge-
fäßerkrankung – an Herz-Kreislauf-
Erkrankungen sterben immer noch die
meisten Menschen –, meine Gelenk-
probleme positiv beeinflussen. Und
ich kann mich bewegen, schon wieder.
Dazu kann ich mir Ärzte suchen, die
mir zuhören, mich und nicht nur ihren
Geldbeutel wertschätzen. Denn im Al-
ter brauche ich Ärzte, die gut für mich
sind. Überhaupt: Ich brauche Men-
schen, die gut für mich sind. Freund-
schaften finden und erhalten – das ist
das große Thema. Und dann das Ster-
ben. Es macht das Leben kostbarer.
Wir gehen wacher mit dem Leben und
Erleben um, jeder Moment ist einzig-
artig. Wie es sich stirbt, können wir
nicht wissen, wir werden es erfahren.
Nach dem ersten Schreck werden wir
gelassener. Alles in allem bedeutet Al-
tern: dieses Leben ernst nehmen und
etwas dafür zu tun.
Marsel Mesulam,
Direktor Center for
Cognitive Neurology and
Alzheimer‘s Disease,
Northwestern University
Die Verjüngungsformel
Altern ist kein perfekter Prozess, aber
alternativlos. Wenn wir älter werden,
nimmt unsere kognitive Schärfe meist
ab. Solche Veränderungen mögen
frustrierend sein, sie schreiten in der
Regel aber nur langsam voran, sodass
ein einigermaßen erfülltes Leben wei-
ter möglich ist. Dementgegen stehen
anormale Alterungsprozesse, die oft
mit Alzheimer verbunden werden und
aufgrund des viel schnelleren Verfalls
der Gedächtnisleistung zu Demenz
führen. Kann die Alterung aber auch
ungewöhnlich langsam verlaufen,
weil das Gehirn weniger anfällig für
altersbedingte Veränderungen ist?
Mit dieser Frage beschäftigen wir uns
in unserem Projekt „Super-Aging“.
Super-Ager sind Menschen ab 80
Jahren, deren Gedächtnisleistung
mindestens so gut ist wie normaler-
weise bei 50- bis 60-Jährigen. Wir
fanden heraus, dass Super-Ager we-
niger anfällig für die allmähliche Aus-
dünnung der Großhirnrinde im Alter
sind. Der Gyrus cinguli, eine Hirnre-
gion, die unter anderem an Lern- und
Gedächtnisprozessen beteiligt ist, ist
bei Super-Agern dicker als bei 50-
bis 60-Jährigen. Zudem verfügen sie
über eine größere Zahl an Von-Eco-
nomo-Neuronen. Diese Nervenzellen
kommen am zahlreichsten bei höher-
entwickelten Spezies mit komplexen
sozialen Beziehungen vor. Ein Resul-
tat des Super-Aging-Projekts könnte
die Identifikation von Faktoren sein,
die die kognitive Leistung des jungen
Gehirns noch im Alter möglichst lan-
ge erhalten. Das wäre für viele von uns
eine willkommene Erkenntnis.