+3 Magazin Dezember 2022 | Page 8

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Annika Rittmann , Klimaaktivistin und Sprecherin Fridays for Future
Ursachen bekämpfen
Alle Menschen erleben gerade , was es bedeutet , in einer krisengeprägten Welt zu leben . Dabei überfordern nicht nur die Krisennachrichten an jeder Ecke , man erlebt gleichzeitig , wie immer mehr Verantwortung für Probleme und Krisen in den eigenen Alltag verschoben wird . Darf man noch heiß duschen , sollte man die WM in Katar anschauen , kann
Johan Rockström , Direktor Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung ( PIK )
Wende mit Genuss
Gut essen . Lecker und nachhaltig , gesund und gemeinsam – das ist eine der Antworten auf zwei der Fragen dieses Heftes : die nach dem genussvollen Leben und die nach Lösungen für eine sichere und gute Zukunft auf dieser Erde . Denn beides gehört zusammen , beim Essen . Wenn wir Klimarisiken wie die Zunahme von Dürren und Fluten begrenzen wollen , müssen wir den Ausstoß von Treibhausgasen bis Mitte des Jahrhunderts auf netto null bringen . Und wir brauchen gegen den Klimastress eine gesunde Natur , gegen den Druck aus dem Ernährungssystem eine stabile Biosphäre . Damit das gelingt , müssen wir sofort anfangen . Unser Ernährungssystem , vom Acker bis zum Teller , ist für rund ein Viertel des Ausstoßes von Treibhausgasen verantwortlich – und die wichtigste Ursache für das Artensterben . Mehr Gemüse und Hülsenfrüchte , weniger Fleisch
man es sich leisten , die Heizung aufzudrehen ? Diese Verantwortungsverlagerung ist Konsequenz eines systemischen Versagens , mit Krisen umzugehen und Konflikte innerhalb der zuständigen Gremien zu klären . Sie vergiftet nicht nur zwischenmenschliche Beziehungen und verschließt dadurch Diskursräume , sie verschiebt auch den Fokus weg von den eigentlichen Problemen und Lösungen . Die Debatte lenkt davon ab , dass niemand sich weitere provisorische Symptombekämpfung leisten kann . Insbesondere , wenn die Lösung so offensichtlich ist : Wir haben keine andere Wahl , als Krisen gemeinsam anzugehen und bei jeder Maßnahme zu hinterfragen , ob sie tatsächlich die Ursache der Krisen bekämpft und dabei eine gerechtere Welt schafft oder nur einen Wohlfühlmoment in einer überfordernden Welt erzeugen soll . Wenn wir das schaffen , können wir vielleicht irgendwann zufrieden zurückschauen und sagen : Wir haben es geschafft , eine klimaneutrale Welt zu bauen , unser Zusammenleben ist auf Menschen statt auf Profite ausgerichtet , in unserer Gesellschaft haben alle , was sie zum Leben brauchen – niemand muss Angst vor zukünftigen Krisen haben .
und Milchprodukte , nur so können wir Treibhausgase reduzieren und Ernährungssicherheit für acht Milliarden Menschen schaffen . Denn es ist der Anbau von Futtermitteln für Tiere statt von Lebensmitteln für Menschen , der zu viel Ackerland beansprucht . Weltweit werden rund 80 Prozent der landwirtschaftlichen Nutzfläche dafür genutzt , dabei tragen tierische Lebensmittel nur knapp 20 Prozent unserer globalen Kalorienversorgung . Bei der Ernährungswende sollte es aber nicht um Verzicht gehen , sondern um Genuss . Wir brauchen neue Lebensstile , neue Konsummuster , neuen Respekt für gutes Essen . Zumal mit gutem Gewissen alles doppelt so gut schmeckt .
LEBENSMITTEL Wo vermeidbare Abfälle anfallen
Fleisch , Wurst und Fisch
4 %
Obst und Gemüse
Brot und Backwaren
Milchprodukte
Getränke
Zubereitetes
Fertigprodukte
5,9 %
Sonstiges
8,9 %
6,9 %
12,9 %
11,9 %
14,9 %
34,7 %
U m f ra g e u n te r 6 . 0 0 0 Pe r so n e n zu w e g g e w o r fe n e n Lebensmitteln , die bei rechtzeitigem Verzehr genießbar gewesen wären , 2020 , Anteil an Gesamtmenge
Quelle : GfK
Peter Schilling , Sänger und Songwriter
Veränderung beginnt mit uns
Dass die Inhalte meiner Songs später Realität geworden sind , ist im Falle von „ Die Wüste lebt “ von 1982 natürlich nichts , was mich als Autor stolz macht , da die dort angekündigte Klimasituation inzwischen Wahrheit geworden ist . Mittlerweile spiegeln sich in meinen Texten eher Hoffnung und die Liebe für unsere Lebensgrundlagen wider . Mir ist wichtig geworden , dahingehend zu sensibilisieren , dass die Erde ohne uns auskommt , wir sie jedoch als unseren Lebensraum erhalten müssen – für uns , für die Next Generations . Und so handelt meine kommende Single von dem von uns abzugebenden Versprechen an die , die auch in Zukunft hier leben werden . In 2010 habe ich in dem Titel „ Das Ende der Unschuld “ getextet : „ Die Generation Nimmersatt macht selbst im Frieden unsre Erde platt . Sie hätten gerne sieben Leben , um den Kindern noch den Rest zu nehmen .“ Ich meine , es sollte für jeden von uns möglich sein , sich der Schönheit unseres Planeten gewahr zu sein und den eigenen Umgang mit den Ressourcen zu überdenken . Mich freut es zum Beispiel , dass es immer mehr Anbieter gibt , bei denen gebrauchte Artikel neu überarbeitet angeboten werden oder auch Share- statt „ Own “ - Modelle . Aus der Zusammenarbeit mit dem Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt für die Kinderbuchreihe „ Der kleine Major Tom “ weiß ich aus erster Hand , wie bedrohlich die Situation tatsächlich ist . Vielleicht ist Liebe für unseren Lebensraum tatsächlich der Schlüssel , unser Verhalten zu verändern . Sonst wären wir sinnbildlich über dem Rubikon , aber eine Umkehr ist noch möglich .

DIES IST EINE GESPONSERTE ANTWORT , ALSO EINE ANZEIGE HIV IM ALTER : OHNE GEHEIMNIS LEBEN

Dr . Kristel Degener , Vorstandsvorsitzende Deutsche AIDS-Stiftung
Was wünschen sich ältere Menschen mit HIV ? Ein Umfeld , in dem sie ihre Infektion nicht verschweigen müssen . Wir wissen von vielen , dass sie froh sind , mit HIV alt geworden zu sein . Aber : HIV war oft ein gut gehütetes „ Geheimnis “. Mitunter jahrzehntelang . Das hinterlässt Spuren – und ist schlecht für die Seele und die Gesundheit . Wir wollen , dass HIV-positive Menschen offen reden und Erinnerungen teilen können . Im Alter sollte die Vergangenheit kein Tabu sein .
Wie kann das gelingen ? Als Deutsche AIDS-Stiftung ist unser Ziel : über Missverständnisse aufklären , über HIV informieren , mit Vorurteilen gegenüber HIV-positiven Menschen aufräumen . Denn leider haben
© istock / fizkes zu viele Mitmenschen alte Bilder von HIV und HIV-positiven Menschen im Kopf . Und leben mit irrationalen Ängsten . Außerdem sorgen wir als Stiftung für Häuser , in denen Menschen mit HIV ohne Furcht vor Diskriminierung leben können , insbesondere im Alter .
Wie sieht Ihre Arbeit konkret aus ? Aktuell entsteht mit Unterstützung von Förderern und Spendern zum Beispiel unser neues barrierefreies Wohnhaus in Hannover . Dort stehen bald empathische und informierte Fachleute den HIVpositiven Bewohnern zur Seite . Wie schon in unseren Häusern in Berlin , Düsseldorf und Essen . Wir unterstützen daneben das Qualitätssiegel „ Lebensort Vielfalt “ für Senioreneinrichtungen , Pflegedienste , Hospize und Krankenhäuser . Für das Siegel müssen Einrichtungen am Ende eines Informations- und Trainingsprogramms zeigen : Bei uns wird Toleranz und Respekt vor jeder Biografie gelebt . Jede und jeder ist willkommen , mit und ohne HIV . Helfen Sie mit Ihrer Spende : aids-stiftung . de / spenden