+3 Magazin Dezember 2021 | Page 4

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WIR FRAGEN :

WARUM SPIELT DER MENSCH ?

Analog zur Altersklasse „ Alte Herren “ gibt es im Fußball auch die „ Alten Damen “, kurz AD .
Quelle : Wikipedia
© iStock ./ urbazon
Klaus Teuber , Spieleautor
Urlaub vom Alltag
Es gibt viele Gründe , warum Menschen gerne spielen . Einer davon ist die Leichtigkeit des Spiels . Wenn ich nicht gerade um Geld zocke , wird der Alltag beim Spielen ausgeblendet und ich begebe mich in einen sorgenfreien Raum . Während mich im Alltag Fehler oft viele Jahre lang verfolgen und strafen können , darf ich im kleinen Leben eines Spiels ohne Konsequenzen für mein reales Leben Fehler machen oder auch mal Pech haben . Auch kann ich mich innerhalb der Regeln eines Spiels ausprobieren und mich ungestraft ganz anders verhalten , als ich es im normalen Leben tun würde .
So wird man mir in der Regel eine kleine Gemeinheit verzeihen , denn sie bezog sich ja nur auf das Spiel . Wenn ich verliere , muss ich mich nicht grämen . Im nächsten Spiel verteilt der Zufall die Karten neu . Fehler , die ich gemacht , oder Pech , das ich gehabt hatte , sind für das nächste Spiel nicht bedeutsam . Dann heißt es : neues Spiel , neues Glück . Wer spielt , erfährt oft mehr über seine Mitspieler als nach stundenlangen Gesprächen . Masken fallen eher , wenn Menschen eine Rolle in einem Spiel annehmen . Gefühle wie Begeisterung und Ärger , aber auch Genugtuung oder Schadenfreude überwinden schneller die natürliche Zurückhaltung und tragen zu einem lebendigen , spannenden Spielerlebnis bei . Dieses Gefühl , im menschlichen Miteinander Spannung wie im realen Leben zu spüren und gleichzeitig entspannt sein zu können , ist einer der Gründe , warum ich gerne spiele .
Regine Nohejl , Slavistin , Albert-Ludwigs- Universität Freiburg im Breisgau
Freud oder Leid
Warum spielt der Mensch ? Weil er nur im Spiel „ ganz Mensch “ ist , meinte Friedrich Schiller , das heißt frei von äußeren Zwängen . Im Spiel erprobt und genießt der Mensch seine körperlichen , geistigen , kreativen und sozialen Fähigkeiten , um ihrer selbst willen , einfach aus Freude darüber , dass er sie hat . Spiel ist Selbstzweck . Trotzdem „ trainiert “ man , wie zum Beispiel das intensive Spielen von Kindern zeigt , dabei natürlich – quasi nebenbei – auch fürs Leben . Eine Art des Spiels fügt sich allerdings nicht in dieses Muster : das Glücksspiel . Hier setzt der Mensch nicht auf
seine eigenen Fähigkeiten , sondern unterwirft sich der unberechenbaren Macht des Zufalls . Im Englischen gibt es für diese unterschiedlichen Arten des Spielens sogar verschiedene Begriffe : „ to play “ und „ to gamble “. Das Glücksspiel hat seinen Ursprung wohl in magischen und kultischen Handlungen . Es bedient die Sehnsucht des Menschen nach Transzendenz , nach dem Eingreifen höherer Mächte . Doch die launische Fortuna ist keine gütige Gottheit . Sie schenkt niemals dauerhafte Seinsgewissheit , ihrer Gunst muss man sich ständig aufs Neue versichern . Deshalb kippt der freie , mußevolle Habitus des Spiels im Glücksspiel so leicht in sein Gegenteil : in Zwanghaftigkeit und Sucht . Das Schicksal berühmter Hazardspieler des 19 . Jahrhunderts wie Fjodor Dostojewskij zeugt davon ebenso wie das namenlose Heer besessener Lottound Automatenspieler in unserer Zeit .