+3 Magazin Dezember 2020 | Page 16

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Uwe Spiekermann , Sozial- und Wirtschaftshistoriker
Fest der Projektionen
Genuss ist ein inhaltsleerer Begriff und nicht auf einen Nenner zu bringen . Deshalb lieben wir ihn , deshalb umgibt er uns . Hoch- und Populärkultur verschwimmen : Ein guter Rotwein zu einem gaumenkitzelnden Dessert – oder doch eher der Biss in die fett belegte Stulle ? Genuss bedarf der Materie und des Umfeldes . Der Rest ist Projektion . Es gibt die Sitte , die Tradition . Genuss und Luxus sind seit langem ein Paar , den Halteruf des Gebührlichen , des Schicklichen im Ohr . Speis und Trank , sie sollen passen , nach Stand und Klasse und Alter – Champagner und Hummer nur dort , wo sie widerscheinen . Die Wissenschaft gibt Rat . Genuss als optimierte Stoffauswahl : Kohlehydrate für Stimmung , Alkohol für Lockerheit , Fett für Geschmack . Die Pfunde , wir achten kurz nicht drauf . Auch Abspecken kann Genuss bereiten , mit wohlig rinnendem Schweiß . Die Wirtschaft ? Konsum trotz Fülle , trotz Überbürdung : Genussversprechen erlauben Ordnung . „ Guter “ Kaffee hieß es einst , heute ziehen wir Excelsa dem Robusta vor , gern auch fair . Und zu Weihnachten Baumkuchen , denn er stand einst auf den Hochzeitstafeln der Könige – ganz recht für König Kunde . Und ich selbst ? Fremdversorgt und bekocht . Lust auf Genuss im Restaurant , dann aber mit Sternchen . Was ergötzt mich , was frommt mir und den Meinen ? Das Weihnachtsprogamm läuft ab , Kaufen , Machen und Machen lassen , dann Ritualgebäck , ein voller Bratenmagen und zuckersüßes Aufstoßen . Und am Ende Ruhe – welch ein Genuss .
Cornelius Meister , Generalmusikdirektor Staatsoper und Staatsorchester Stuttgart
Ein Hoch auf die Muße
Vor einigen Wochen gab es größere Empörung , als in einer Corona-Verordnung Kulturstätten mit Freizeiteinrichtungen gleichgesetzt wurden . Vielleicht hing die Verwirrung damit zusammen , dass die deutsche Sprache kein Wort für die mußevolle freie Zeit kennt , die im Lateinischen mit „ otium “ bezeichnet wird ? Denn in Wahrheit sind wir weder eine Universität noch ein Vergnügungspark . Im Gegensatz zum Tagesgeschäft , dem „ negotium “, gibt mir das otium die Muße , mich mit anderem – wir würden wohl sagen : mit dem Wahren
FESTLICHER GENUSS Essen zu Weihnachten folgt Traditionen
Würstchen mit Kartoffelsalat
Entenbraten
Gänsebraten
Raclette
Fondue
Kekse ( zum Beispiel Vanillekipferl , Spekulatius )
Lebkuchen
Schoko-Weihnachtsmann
Stollen
Nüsse
Dominosteine
12 %
17 %
Marzipanbrot / -kartoffeln
21 %
Umfrage unter 1.036 Personen ab 18 Jahren , November 2020 ; Mehrfachnennung möglich
27 % und Bleibenden – zu beschäftigen . In der Antike fuhren die wohlhabenden Bürger dafür gern aus Rom hinaus zu ihrem Landhaus ; Gustav Mahler hatte , in den Sommermonaten weit weg von Wien , sein Komponierhäusl am Wörthersee . Was ich dort tue , hat aber mit unproduktivem Müßiggang wenig zu tun : Vielmehr schaffe ich dort das wirklich Bleibende , das dem Alltagsgeschäft Enthobene , das im Kern Wichtige . Daher ist es gleichermaßen richtig , dass wir als Kulturschaffende das Publikum bilden , wie aber auch erfreuen und bewegen wollen . Das ist die Basis dafür , dass eine Gesellschaft es sich leistet , nicht nur Straßen und Gehwege , sondern auch Theater und Konzerthäuser mit öffentlichen Geldern zu unterstüt-
29 %
33 %
32 %
35 %
37 %
40 %
45 %
50 %
Quelle : Statista
zen , damit jeder und jede , unabhängig von der Größe des persönlichen Geldbeutels , daran teilhaben kann . Wenn aber am Ende Kultur auch immer wieder mit Genuss erlebt werden kann , dann entsteht der größte Genuss überhaupt : der Kulturgenuss .
Ina Möller , Leserin
Interessante Frage , anfangs fast einfältig , die Wirkung erst nach Tagen spürbar , plötzlich und überraschend , erhellend und motivierend . Als Start für eine Selbstreflexion , als Start einer Reise auf dem Weg zur eigenen Genusskultur . Danke dafür .
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Margit Kurz-Rothmaier , Geschäftsführerin ovofit Eiprodukte
Liebe für Zutaten
Ich persönlich bin eine überzeugte Genießerin : Gutes Essen beginnt bei mir mit einem guten Rezept , den bewusst ausgewählten Zutaten und der Zeit , die ich mir fürs Kochen nehme . Dabei gibt es meist das , was gerade bei uns Saison hat . Ich habe tolle Rezepte für frische Pilze oder Spargel , aber auch für Wintergemüse wie Wirsing und andere Kohlsorten . In unserer Esskultur bewegt sich gerade viel : Wir achten bei der Auswahl von Lebensmitteln vermehrt auf Regionalität und Nachhaltigkeit . Insbesondere die jüngere Generation stellt ganz neue Ansprüche an umwelt- und klimaverträgliches Essen . Hochwertige und regionale Produkte , das Wohl der Tiere in der Haltung und Nachhaltigkeit im Anbau – das kommt nicht nur uns und unserer gesunden Ernährung zugute , sondern auch der Umwelt . Dazu gehört auch Wertschätzung und Respekt gegenüber den Produkten aus der Natur . Bei ovofit legen wir darauf besonders großen Wert , denn hier beginnt die Kultur unseres Essens . Genuss ist für mich , wenn ich weiß , dass das Huhn , das mein Ei gelegt hat , artgerecht gehalten wird . Ein bewusster , reduzierter Fleischkonsum trägt ebenfalls dazu bei . Darüber hinaus schmeckt ein gutes Essen in Gesellschaft noch viel besser . Gemeinsam mit der Familie oder mit Freunden genießen – das ist für mich ein Stück Lebensfreude . Wichtig ist auch : Das Auge isst mit . Das Anrichten der Teller ist ebenfalls ein Stück Esskultur . So ist ein Essen immer ein Fest für alle Sinne .