+3 Magazin Dezember 2019 | Page 12

+2 12 › Claudia Kemfert, Leiterin Energie, Verkehr, Umwelt, Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) Sehr smart Dekarbonisierung, Digitalisierung und Demokratisierung werden sich künftig auch in der Mobilitätsbranche zeigen. Die Bedeutung individueller Mobilität wird weiter wachsen. Denn die Men- schen wollen flexibel von einem Ort zum anderen kommen – dann, wenn sie es brauchen. Digitale Mobilitäts- dienstleistungen ermöglichen eine ef- fektive und klimaschonende Mobilität. Autonome Fahrzeuge erhöhen nicht nur die Auslastung einzelner Fahrzeu- ge, sondern reduzieren auch die Park- fläche um mehr als die Hälfte. Klima- schonende Verkehrsmittel wie Busse, Bahnen, Fahrräder und E-Scooter, aber auch das Zufußgehen stehen deutlich im Mittelpunkt der zukünftigen Stadt- entwicklung. Ziel ist eine Raumord- nung der kurzen Wege. So wird die Atmosphäre in Städten und Dörfern Corinna Kagermilch, Leserin Smart gegen den Kollaps um einiges wohnlicher. Die aktive Mo- bilität wirkt sich durch mehr Bewegung im Alltag außerdem auf das persönli- che Wohlbefinden und die Gesundheit aus. Die Kosten für die medizinische Versorgung können so deutlich sinken. Die autogerechte Stadt hat ausgedient. Die menschengerechte Städte vereinen ein gesundes, grünes und friedliches gemeinschaftliches Leben mit wenig Lärm, Staus, Feinstaub und Emissio- nen. Die Stadt von morgen ist vielfältig, umweltschonend mobil, ruhig, grün und durchmischt – mit kurzen Wegen, Grünanlagen, Fahrradwegen und kurz getakteten Bahnen und Elektrobussen. Und wer ein Auto braucht, kann ein leises und emissionsfreies Elektroauto leihen. Das ist eine super-smarte Stadt. Jan Selig, Leser Marie Steffens, Leserin Evolution von unten Digital und bürgernah Die Stadt wird vor allem durch Bür- ger und Bürgerinitiativen smarter und besser gemacht. Behörden und Politi- ker jagen im Prinzip den Entwicklun- gen nur hinterher, die a priori von so- genannten Otto-Normalverbrauchern im Alltag gelebt werden. Bürger grün- den Vereine gegen das Clubsterben oder versammeln sich jeden Freitag, um für eine neue Klimapolitik und grüne Technologien zu demonstrie- ren. Sie bestimmen auch mit ihrer Kaufentscheidung mit darüber, dass es in Zukunft mehr smarte und nach- haltige Produkte auf dem Markt gibt. Mit der digitalen Stadt gibt es die Chance, die Beziehung zwischen Bürgern und dem Staat neu zu defi- nieren. In Estland müssen die Bürger nur noch zu Hochzeiten persönlich auf den Ämtern erscheinen. Alles an- dere lässt sich online regeln. Das soll- te auch unser Anspruch sein. Mona- telange Wartezeiten auf Termine in den jeweiligen Ämtern sollten end- lich der Vergangenheit angehören. Der Staat könnte vielmehr als Part- ner wahrgenommen werden, wenn man wichtige Angelegenheiten ein- fach und bequem von zu Hause aus lösen könnte. Viele betrachten Be- hördengänge immer noch als großes Hindernis und das Bild vom trägen Beamten kennt auch jeder. Mit einer effektiven Digitalisierung der Behör- den könnten diese Klischees bald in Vergessenheit geraten. Warum soll- te das in Deutschland nicht möglich sein? Die Bürger würden sich als Partner auf Augenhöhe empfinden. SMART-CITY-RANKING Die deutschen Vorreiter der digitalen Stadt Rang Stadt 1 Hamburg Gesamt- IT und Energie und wertung Verwaltung Kommunikation Umwelt Mobilität Gesellschaft 79,5 70,6 82,7 61,4 93,7 89,3 2 Karlsruhe 69,0 65,1 67,8 54,4 95,2 62,5 3 Stugart 68,6 57,6 78,0 52,5 97,0 57,8 4 Berlin 68,1 76,3 69,3 52,0 75,5 67,3 5 München 67,7 73,0 82,2 49,0 83,8 50,3 6 Heidelberg 65,6 69,3 56,8 55,1 87,5 59,0 7 Bonn 62,4 75,8 66,4 31,3 64,7 73,9 8 Köln 62,3 68,4 83,5 40,7 54,7 63,9 9 Dortmund 61,7 75,3 54,0 49,6 59,3 70,4 10 Darmstadt 61,1 66,6 61,9 55,9 59,1 62,0 Städte ab 100.000 Einwohner, 2019; die angegebenen Indexwerte sind aus 96 Parametern berechnet und mit Bezug auf eine Skala von 0 bis 100 normiert wiedergegeben Quelle: bitkom „Stadtluft macht frei“ – dieses Credo sorgte bereits im Mittelalter dafür, dass Städten eine besondere Bedeu- tung innerhalb der feudalistisch ge- prägten Gesellschaften zukam. Auch heute noch genießen Stadtbewohner besondere Freiheiten und viele um- wälzende Bewegungen gehen von ur- banen Zentren aus. Deswegen nimmt weltweit seit Jahrzehnten die Land- flucht dramatisch zu. Die Menschen suchen ihr Glück in den immer mehr aus allen Nähten platzenden, pros- perierenden Metropolen. Um diese Menschenmassen auch in der Zu- kunft managen zu können, braucht es in der Tat intelligente Lösungen. Im Verkehrswesen werden die zur Neige gehenden Ressourcen beson- ders im regen Berufsverkehr sichtbar. Überfüllte Straßen und U-Bahnen sorgen für große Frustrationen bei den Bürgern. Car-Sharing-Lösungen könnten hier Abhilfe schaffen. Die müssen natürlich elektrisch sein und die Städte an neuralgischen Punkten auch die nötige Ladeinfrastruktur aufweisen. Kirsten Stock, Leserin Im Tunnelblick Smart ist es, den Fokus mehr auf die Menschen zu legen. Wer wohnt denn alles in der Stadt? Was brauchen die Bewohner dort wirklich? Infrastruk- tur? Schulen? Oder doch lieber noch mehr Hotels und noch mehr Ein- kaufsmeilen? Ich dachte, wir haben zu wenig Wohnraum? Sybille Bauriedl, Professorin für Integrative Geografie, Europa-Universität Flensburg Offener Prozess Eine Smart City sollte mehr sein als ein Marketing-Label oder ein Set an Technologien, das eingekauft und in die Stadtinfrastruktur eingebaut wird. Denn das würde langfristig zu einer Normierung von Urbanität und zur Gleichförmigkeit der Stadt- gestalt führen. Der Vielfalt städti- scher Strukturen würde das ebenso wenig gerecht werden wie den An- sprüchen, die eine Kommune an die eigene Entwicklung formuliert. Nicht jede Stadt braucht Parkplät- ze, die über Smartphones zu buchen sind. Manche entscheiden sich viel- leicht mittelfristig für eine Smart- ness ohne Autos. Stadtregierungen müssen sich mit ihren Bürgerinnen und Bürgern über die mögliche Aus- gestaltung einer Smart City austau- schen. Dazu gehört zuallererst die Frage, wer die Software der Datenge- winnung und -verwaltung entwickelt und kontrolliert, die die notwendige digitale Konnektivität organisiert. Die meisten Städte entscheiden sich für proprietäre Systeme, das heißt, sie schließen langfristige Verträge mit internationalen IT-Konzernen ab, die global standardisierte Tech- nologie-Software anbieten. Städte können für eigenständige Lösungen jedoch auch offene Software-Kom- ponenten und Prozesse entwickeln, die Schwarmintelligenz und geteiltes Wissen nutzen und den Kommunen mehr Entscheidungsmöglichkeiten und Kontrolle für zukünftige Pro- jekte bewahren. Denn die Smartness einer Stadt zeigt sich in ihrer voraus- schauenden Planung, die Datensou- veränität bewahrt und Optionen für die Zukunft offenhält. Otto Drachenburg, Leser Ort der grenzenlosen Freiheit Ich hoffe, die smarte Stadt der Zu- kunft ist ein Ort, an dem jeder sich frei entfalten kann und der letztlich zu einem großen Abenteuerspiel- platz wird, auf dem es jeden Tag et- was Neues zu entdecken gibt. Jeder ist willkommen, der seinen Nach- barn toleriert und sich einbringt. Die Stadt kann zum Spiel deines Lebens werden. Wir können an jeder Ecke über eine App Punkte sammeln und dann einen Gutschein bekommen – zum Beispiel für eine Pizza. Smarte Technologie kann uns alle zu Peter Pans machen. DIES IST EINE GESPONSERTE ANTWORT, ALSO EINE ANZEIGE Kai Hock, Vorstand Bürgerwerke eG Smarte Bürgerenergie Menschen wollen mehr, als Apps und digitale Services nutzen. Die Stadt der Zukunft muss auch ihre demokratische und finanzielle Be- teiligung sicherstellen. Die von Ge- nossenschaften angestoßene Ener- giewende zeigt, wie das funktioniert: Menschen entscheiden mit, wie die eigene Energie produziert wird. Sie werden von reinen Konsumenten zu Prosumern. Da nicht mehr ge- sichtslose Investoren über die eigene unmittelbare Umwelt bestimmen, steigt die Akzeptanz für neue Ener- gieprojekte – denn man ist selbst daran beteiligt. Durch die Einbin- dung der Menschen vor Ort hat die Bürgerenergie lokale Investitionen in Solar-, Wind- und Wärmeprojek- te ermöglicht und einen enormen Beitrag zum nachhaltigen Wandel der Energieversorgung geleistet. Die smarte Entwicklung unserer Städ- te heißt also auch, dass wir die Kraft und das Potenzial der Nachbarschaft voll ausschöpfen. Nicht nur bei der erneuerbaren Stromproduktion, auch bei Elektromobilität und Ladeinfra- struktur engagieren sich immer mehr Energiegenossenschaften. Sowohl Di- gitalisierung als auch Energiewende eröffnen somit neue Chancen für Ge- nossenschaften. Knapp 100 von ihnen haben sich deshalb zu den Bürger- werken zusammengeschlossen und versorgen bundesweit Menschen mit Bürgerenergie. Die smarte Kooperati- on ermöglicht den Genossenschaften zudem, innovative Ansätze der Ener- giewende in Bürgerhand schnell in unseren Städten und Regionen aus- zurollen. Mehr unter: www.buergerwerke.de