+2
12
›
Claudia Kemfert,
Leiterin Energie,
Verkehr, Umwelt,
Deutsches Institut für
Wirtschaftsforschung
(DIW)
Sehr smart
Dekarbonisierung, Digitalisierung und
Demokratisierung werden sich künftig
auch in der Mobilitätsbranche zeigen.
Die Bedeutung individueller Mobilität
wird weiter wachsen. Denn die Men-
schen wollen flexibel von einem Ort
zum anderen kommen – dann, wenn
sie es brauchen. Digitale Mobilitäts-
dienstleistungen ermöglichen eine ef-
fektive und klimaschonende Mobilität.
Autonome Fahrzeuge erhöhen nicht
nur die Auslastung einzelner Fahrzeu-
ge, sondern reduzieren auch die Park-
fläche um mehr als die Hälfte. Klima-
schonende Verkehrsmittel wie Busse,
Bahnen, Fahrräder und E-Scooter, aber
auch das Zufußgehen stehen deutlich
im Mittelpunkt der zukünftigen Stadt-
entwicklung. Ziel ist eine Raumord-
nung der kurzen Wege. So wird die
Atmosphäre in Städten und Dörfern
Corinna Kagermilch, Leserin
Smart gegen den
Kollaps
um einiges wohnlicher. Die aktive Mo-
bilität wirkt sich durch mehr Bewegung
im Alltag außerdem auf das persönli-
che Wohlbefinden und die Gesundheit
aus. Die Kosten für die medizinische
Versorgung können so deutlich sinken.
Die autogerechte Stadt hat ausgedient.
Die menschengerechte Städte vereinen
ein gesundes, grünes und friedliches
gemeinschaftliches Leben mit wenig
Lärm, Staus, Feinstaub und Emissio-
nen. Die Stadt von morgen ist vielfältig,
umweltschonend mobil, ruhig, grün
und durchmischt – mit kurzen Wegen,
Grünanlagen, Fahrradwegen und kurz
getakteten Bahnen und Elektrobussen.
Und wer ein Auto braucht, kann ein
leises und emissionsfreies Elektroauto
leihen. Das ist eine super-smarte Stadt.
Jan Selig, Leser Marie Steffens, Leserin
Evolution von unten Digital und bürgernah
Die Stadt wird vor allem durch Bür-
ger und Bürgerinitiativen smarter und
besser gemacht. Behörden und Politi-
ker jagen im Prinzip den Entwicklun-
gen nur hinterher, die a priori von so-
genannten Otto-Normalverbrauchern
im Alltag gelebt werden. Bürger grün-
den Vereine gegen das Clubsterben
oder versammeln sich jeden Freitag,
um für eine neue Klimapolitik und
grüne Technologien zu demonstrie-
ren. Sie bestimmen auch mit ihrer
Kaufentscheidung mit darüber, dass
es in Zukunft mehr smarte und nach-
haltige Produkte auf dem Markt gibt. Mit der digitalen Stadt gibt es die
Chance, die Beziehung zwischen
Bürgern und dem Staat neu zu defi-
nieren. In Estland müssen die Bürger
nur noch zu Hochzeiten persönlich
auf den Ämtern erscheinen. Alles an-
dere lässt sich online regeln. Das soll-
te auch unser Anspruch sein. Mona-
telange Wartezeiten auf Termine in
den jeweiligen Ämtern sollten end-
lich der Vergangenheit angehören.
Der Staat könnte vielmehr als Part-
ner wahrgenommen werden, wenn
man wichtige Angelegenheiten ein-
fach und bequem von zu Hause aus
lösen könnte. Viele betrachten Be-
hördengänge immer noch als großes
Hindernis und das Bild vom trägen
Beamten kennt auch jeder. Mit einer
effektiven Digitalisierung der Behör-
den könnten diese Klischees bald in
Vergessenheit geraten. Warum soll-
te das in Deutschland nicht möglich
sein? Die Bürger würden sich als
Partner auf Augenhöhe empfinden.
SMART-CITY-RANKING Die deutschen Vorreiter der digitalen Stadt
Rang Stadt
1 Hamburg
Gesamt-
IT und
Energie und
wertung Verwaltung Kommunikation
Umwelt
Mobilität Gesellschaft
79,5 70,6
82,7 61,4 93,7 89,3
2 Karlsruhe 69,0 65,1 67,8 54,4 95,2 62,5
3 Stugart 68,6 57,6 78,0 52,5 97,0 57,8
4 Berlin 68,1 76,3 69,3 52,0 75,5 67,3
5 München 67,7 73,0 82,2 49,0 83,8 50,3
6 Heidelberg 65,6 69,3 56,8 55,1 87,5 59,0
7 Bonn 62,4 75,8 66,4 31,3 64,7 73,9
8 Köln 62,3 68,4 83,5 40,7 54,7 63,9
9 Dortmund 61,7 75,3 54,0 49,6 59,3 70,4
10 Darmstadt 61,1 66,6 61,9 55,9 59,1 62,0
Städte ab 100.000 Einwohner, 2019; die angegebenen Indexwerte sind aus 96 Parametern
berechnet und mit Bezug auf eine Skala von 0 bis 100 normiert wiedergegeben
Quelle: bitkom
„Stadtluft macht frei“ – dieses Credo
sorgte bereits im Mittelalter dafür,
dass Städten eine besondere Bedeu-
tung innerhalb der feudalistisch ge-
prägten Gesellschaften zukam. Auch
heute noch genießen Stadtbewohner
besondere Freiheiten und viele um-
wälzende Bewegungen gehen von ur-
banen Zentren aus. Deswegen nimmt
weltweit seit Jahrzehnten die Land-
flucht dramatisch zu. Die Menschen
suchen ihr Glück in den immer mehr
aus allen Nähten platzenden, pros-
perierenden Metropolen. Um diese
Menschenmassen auch in der Zu-
kunft managen zu können, braucht
es in der Tat intelligente Lösungen.
Im Verkehrswesen werden die zur
Neige gehenden Ressourcen beson-
ders im regen Berufsverkehr sichtbar.
Überfüllte Straßen und U-Bahnen
sorgen für große Frustrationen bei
den Bürgern. Car-Sharing-Lösungen
könnten hier Abhilfe schaffen. Die
müssen natürlich elektrisch sein und
die Städte an neuralgischen Punkten
auch die nötige Ladeinfrastruktur
aufweisen.
Kirsten Stock, Leserin
Im Tunnelblick
Smart ist es, den Fokus mehr auf die
Menschen zu legen. Wer wohnt denn
alles in der Stadt? Was brauchen die
Bewohner dort wirklich? Infrastruk-
tur? Schulen? Oder doch lieber noch
mehr Hotels und noch mehr Ein-
kaufsmeilen? Ich dachte, wir haben
zu wenig Wohnraum?
Sybille Bauriedl,
Professorin für
Integrative Geografie,
Europa-Universität
Flensburg
Offener Prozess
Eine Smart City sollte mehr sein als
ein Marketing-Label oder ein Set an
Technologien, das eingekauft und
in die Stadtinfrastruktur eingebaut
wird. Denn das würde langfristig
zu einer Normierung von Urbanität
und zur Gleichförmigkeit der Stadt-
gestalt führen. Der Vielfalt städti-
scher Strukturen würde das ebenso
wenig gerecht werden wie den An-
sprüchen, die eine Kommune an
die eigene Entwicklung formuliert.
Nicht jede Stadt braucht Parkplät-
ze, die über Smartphones zu buchen
sind. Manche entscheiden sich viel-
leicht mittelfristig für eine Smart-
ness ohne Autos. Stadtregierungen
müssen sich mit ihren Bürgerinnen
und Bürgern über die mögliche Aus-
gestaltung einer Smart City austau-
schen. Dazu gehört zuallererst die
Frage, wer die Software der Datenge-
winnung und -verwaltung entwickelt
und kontrolliert, die die notwendige
digitale Konnektivität organisiert.
Die meisten Städte entscheiden sich
für proprietäre Systeme, das heißt,
sie schließen langfristige Verträge
mit internationalen IT-Konzernen
ab, die global standardisierte Tech-
nologie-Software anbieten. Städte
können für eigenständige Lösungen
jedoch auch offene Software-Kom-
ponenten und Prozesse entwickeln,
die Schwarmintelligenz und geteiltes
Wissen nutzen und den Kommunen
mehr Entscheidungsmöglichkeiten
und Kontrolle für zukünftige Pro-
jekte bewahren. Denn die Smartness
einer Stadt zeigt sich in ihrer voraus-
schauenden Planung, die Datensou-
veränität bewahrt und Optionen für
die Zukunft offenhält.
Otto Drachenburg, Leser
Ort der grenzenlosen
Freiheit
Ich hoffe, die smarte Stadt der Zu-
kunft ist ein Ort, an dem jeder sich
frei entfalten kann und der letztlich
zu einem großen Abenteuerspiel-
platz wird, auf dem es jeden Tag et-
was Neues zu entdecken gibt. Jeder
ist willkommen, der seinen Nach-
barn toleriert und sich einbringt. Die
Stadt kann zum Spiel deines Lebens
werden. Wir können an jeder Ecke
über eine App Punkte sammeln und
dann einen Gutschein bekommen –
zum Beispiel für eine Pizza. Smarte
Technologie kann uns alle zu Peter
Pans machen.
DIES IST EINE GESPONSERTE ANTWORT, ALSO EINE ANZEIGE
Kai Hock,
Vorstand Bürgerwerke eG
Smarte Bürgerenergie
Menschen wollen mehr, als Apps
und digitale Services nutzen. Die
Stadt der Zukunft muss auch ihre
demokratische und finanzielle Be-
teiligung sicherstellen. Die von Ge-
nossenschaften angestoßene Ener-
giewende zeigt, wie das funktioniert:
Menschen entscheiden mit, wie die
eigene Energie produziert wird. Sie
werden von reinen Konsumenten
zu Prosumern. Da nicht mehr ge-
sichtslose Investoren über die eigene
unmittelbare Umwelt bestimmen,
steigt die Akzeptanz für neue Ener-
gieprojekte – denn man ist selbst
daran beteiligt. Durch die Einbin-
dung der Menschen vor Ort hat die
Bürgerenergie lokale Investitionen
in Solar-, Wind- und Wärmeprojek-
te ermöglicht und einen enormen
Beitrag zum nachhaltigen Wandel
der Energieversorgung geleistet. Die
smarte Entwicklung unserer Städ-
te heißt also auch, dass wir die Kraft
und das Potenzial der Nachbarschaft
voll ausschöpfen. Nicht nur bei der
erneuerbaren Stromproduktion, auch
bei Elektromobilität und Ladeinfra-
struktur engagieren sich immer mehr
Energiegenossenschaften. Sowohl Di-
gitalisierung als auch Energiewende
eröffnen somit neue Chancen für Ge-
nossenschaften. Knapp 100 von ihnen
haben sich deshalb zu den Bürger-
werken zusammengeschlossen und
versorgen bundesweit Menschen mit
Bürgerenergie. Die smarte Kooperati-
on ermöglicht den Genossenschaften
zudem, innovative Ansätze der Ener-
giewende in Bürgerhand schnell in
unseren Städten und Regionen aus-
zurollen.
Mehr unter: www.buergerwerke.de