+3 Magazin Dezember 2019 | Page 8

+2 8 WIE SMART KANN DIE STADT SEIN? WIR FRAGEN: ... und was ist Ihre Meinung? www.plus-drei.de [email protected] Smarte Städteplaner denken Blau: Die Farbe gilt als unaufdringlich und produktivitätssteigernd – außerdem ist sie die Lieblingsfarbe der Deutschen (40 Prozent), weit vor Rot (19 Prozent). Quelle: IfD Allensbach © iStock./PeterAustin Jens Libbe, Leiter Forschungsbereich Infrastruktur, Wirtschaft und Finanzen, Deutsches Institut für Urbanistik (Difu) Wir steuern den Wandel Den Terminus „smart“ empfinde ich im Kontext von Stadtentwicklung zu- weilen als Anmaßung, suggeriert er doch, dass Städte bisher nicht intel- ligent geplant wurden. Stadtentwick- lung ist ein Resultat von politischen Aushandlungsprozessen. Das heißt für mich selbstverwaltet, partizipa- tiv und demokratisch. Die Annahme, dass sich mittels smarter Steuerung die städtischen Systeme quasi aus sich heraus optimieren lassen, greift zu kurz. Algorithmen sind weder neu- tral noch wertfrei. Ihnen liegen Wer- tungen und Gewichtungen zugrunde. Wir werden auch künftig politisch entscheiden müssen, in welchen Städten wir leben wollen und was die Lebensqualität einer Stadt ausmacht. Digitale Technologien können dabei unterstützen, notwendige Entschei- dungen zu treffen, sie können diese aber nicht ersetzen. Sie können Pro- zesse verbessern, uns aber nicht die Entscheidung abnehmen, welche In- frastrukturen oder Dienstleistungen wir im Sinne einer nachhaltigen und sozial verantwortlichen Stadtent- wicklung bevorzugen sollten. Welche digitalen Technologien für das Leben in unseren Städten hilfreich sind, muss stets im Interesse der Bürgerin- nen und Bürger entschieden werden. Digitale Kommunikation kann das demokratische Gemeinwesen berei- chern und digitale Visualisierungs- technologien können städtische Pro- jekte anschaulich machen. Dies setzt voraus, dass die Technik die Teilhabe aller Menschen verbessert und nicht neuen sozialen Ausschluss bedeutet. Sabine Meigel, Leiterin Digitale Agenda Stadt Ulm Bürger ist immer dabei Wie in allen anderen zukunftsorien- tierten Städten stellt uns die digitale Transformation auch in Ulm vor neue Herausforderungen. Zum Glück, denn sie bietet allen Teilen der Stadtgesell- schaft große, mitunter noch ungeahn- te Chancen, die es effizient und nach- haltig zu nutzen gilt. Dabei geht es beileibe nicht nur um den Aufbau ei- ner digitalen Infrastruktur und smar- ter Anwendungen, sondern immer um eine gesamtgesellschaftliche Betrach- tung, den Aufbau von Kompetenzen und die Überwindung digitaler Kluf- ten. Wir in der Geburtsstadt von Al- bert Einstein und Albrecht Berblinger verbinden seit jeher Lebensqualität mit Toleranz und dem Gefühl der bür- gerschaftlichen Selbstverwirklichung. Mit dem Credo „Offen, für alle, clever und nachhaltig“ übertragen wir die- se Prinzipien auf unsere Digitalisie- rungsstrategie – gemeinsam mit den Bürgern. Ein Beispiel sind für mich smarte Urban-Gardening-Modell- projekte in den Stadtquartieren mit Hochbeeten, die mit Regenwasser- speichern, Feuchtesensoren und So- larpanelen ausgerüstet und mit einer für alle zugänglichen Datenplattform verbunden sind. So können digital Absprachen zur gemeinsamen Pfle- ge, zum Samen- und Pflanzentausch oder der Ernte getroffen werden – und eine Webcam bringt den Wachs- tumsstand des Gemüses ins Netz. Auf diese Weise können junge Menschen über Social-Media-Formate Gemein- schaft in der Nachbarschaft erfahren und erleben lernen – offen, für alle, clever und nachhaltig.