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WAS MACHT KINDER
GLÜCKLICH?
WIR FRAGEN:
... und was ist
Ihre Meinung?
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Deutsche Kinder belegen auf einer Glücksrangliste nur einen der hin-
teren Plätze – ganz vorne steht überraschenderweise der Nachwuchs
aus Rumänien und Kolumbien.
Quellen: Goethe-Universität Frankfurt, „Children’s World”
Kieran Egan,
Bildungsphilosoph
Türen öffnen
Wenn man glückliche Kinder haben
möchte, sollte man ihnen am besten
eine Ideologie und damit verbunde-
ne religiöse Überzeugungen beibrin-
gen, diese als zentrale Stütze ihres
Handelns festigen, jedwede Zweifel
zerstreuen und sicherstellen, dass sie
unter Gleichgesinnten leben. Denn
zahlreiche Studien legen nahe, dass
gläubige Menschen, egal welch un-
sinniger Idee sie auch anhängen, zu
den glücklichsten Gruppen in der Be-
völkerung zählen. Aber ist das nicht
ein zu hoher Preis für das Glück?
Grundsätzlich ist es erstrebenswert,
glücklich zu sein, und jeden Men-
schen machen unterschiedliche Dinge
glücklich. Wer sich mit Bildung be-
schäftigt, weiß, dass fehlende Bildung
nicht das eigene Unglück bedeuten
muss. Denn das Gegenteil von Bil-
dung wäre Ignoranz. Der Erwerb von
Kenntnissen ist ein oft mühsamer und
manchmal schmerzhafter Prozess.
Und er trägt oft nicht dazu bei, glück-
licher zu werden. Er kann Momen-
te der Ekstase hervorbringen, aber
das ist eine andere Sache. Dabei ist
es relativ einfach, bei vielen Kindern
die Unzufriedenheit, die mit ihren
Schulerfahrungen verbunden ist, zu
reduzieren, wenn man ihre Fantasie
und Emotionalität in die Gestaltung
des Lehrplans einbezieht. Die Welt
ist voller Wunder und leider findet
davon nur ein kleiner Teil seinen Weg
in den Unterrichtsalltag. Unnötige
Unzufriedenheit zu reduzieren, klingt
wie ein zu bescheidenes Ziel, aber es
scheint dafür leichter erreichbar zu
sein. Und es scheint sich zu lohnen.
Jürgen Maeno,
Leser
Mehr Musik, bitte
Kleinkinder wissen: Musik macht
Spaß. Erklingt der Lieblingssong,
wird „Widdewiddewitt bumm bumm“
mitgesungen, mitgehüpft, hingefallen,
aufgestanden und auf die Töpfe ge-
schlagen. Das ist laut und steigert sich,
bis die Kleinen lieber mit den Klötzen
spielen möchten. Als Vater muss man
lernen, dieses ekstatische Glück zu-
zulassen und nicht mit dem Satz „Sei
jetzt bitte still!“ zu zerstören. Es ist
später dieses Glücksempfinden, wes-
halb Kinder ein Instrument erlernen
wollen. Hier aber erwartet sie zuerst
harte Arbeit. Finger werden trainiert,
eine neue Schrift gelernt und schön
© iStock./Imgorthand
klingen soll es auch noch. Das könnte
die Kleinen verzweifeln lassen, doch
die Belohnung kommt sofort. Sobald
die Töne im richtigen Moment ge-
spielt werden, hören sie tatsächlich die
Melodie zu „Ihr Kinderlein, kommet
…“ – welch ein Glück! Gleich weiter-
machen bis „… für Freude uns macht“.
Auf diesem Weg ein paar Mal sich ver-
spielen, bis es endlich klappt. Das ist
die Belohnung – nicht durch eine an-
dere Person, sondern durch die eigene
Leistung. Daraus entsteht der Flow
des zufriedenen Musizierens. Und weil
das so schön ist, hören Kinder auch
gerne zu. Mit ihren Eltern gehen sie in
Kinderkonzerte, später kaufen sie sich
ein Jugendabo und werden Teil einer
blühenden Kulturlandschaft. Diese
zu pflegen, ist Aufgabe der heutigen
Elterngeneration. Das fängt bei den
Musikerziehern an und hört einfach
nie auf. Glück kann man nicht kaufen,
aber Kultur stetig fördern.