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Martin Lang,
Bayerischer
Landesvorsitzender
Bundesverband der
Kinder- und Jugendärzte
(BVKJ)
GEDULDSPROBE Die Wartezeiten in deutschen Arztpraxen
Keine Wartezeit
Bis 15 Minuten
Bis 30 Minuten
Gernot Marx,
Vorsitzender Deutsche
Gesellschaft für
Telemedizin (DGTelemed)
Über 30 Minuten
Versorgung wird
Alltag
Für Arzt und Patient
Die Telemedizin ist eine große He-
rausforderung für viele Ärzte in
Deutschland. Viele Praxen sind am
Rande ihrer Kapazität und können
neue digitale Anwendungen nur
schwer implementiert. Wir Pädiater
nutzen das System des Telekonsils,
das allgemeinärztlich tätige Kinder-
und Jugendärzte mit pädiatrischen
Fachärzten vernetzt. So kann ich bei
Patienten, die sich mit unklaren Sym-
ptomen vorstellen, innerhalb von 24
Stunden die Meinung eines Experten
einholen, um etwa eine Verdachtsdi-
agnose abzusichern oder eine Thera-
pieempfehlung zu erhalten. Statt die
Patienten zu überweisen, können wir
in den meisten Fällen den Sachver-
halt online klären. Das stärkt auch das
Vertrauensverhältnis zwischen Arzt
und Patient und spart unnötige Arzt-
besuche. Daher ist es nicht verwun-
derlich, dass Eltern diese neuen Ange-
bote gerne nutzen. Aus meiner Sicht
können telemedizinische Angebote
nur dann erfolgreich sein, wenn sie
Esmeralda Hardny, Leserin
10%
33%
26%
Umfrage unter 4.796 Personen ab 18 Jahren mit einem Arztbesuch im vergangenen Jahr, 2018
Quellen: KBV, Statista
asynchron funktionieren, also nicht
alle Teilnehmer gleichzeitig online
sein müssen. Viele der neuen digitalen
Anwendungen richten sich aber nur
direkt an den Patienten. Medizinische
Algorithmen sollen den Arzt ersetzen,
um Kosten einzusparen und sich von
der ärztlichen Expertise unabhängig
zu machen. Ich bin skeptisch, ob die-
ser Ansatz erfolgreich sein wird. Die
Interaktion zwischen Arzt und Pati-
ent besteht eben nicht nur aus Zahlen
und Fakten. Insofern muss die Digi-
talisierung im Gesundheitswesen von
Ärzten mitgestaltet werden.
Sebastian Zilch,
Geschäftsführer
Bundesverband
Gesundheits-IT
Daten in Gefahr
Ich stehe der ganzen Thematik doch
äußerst skeptisch gegenüber. So ein
Telearzt kann sich doch nicht ansatz-
weise vergleichbar um seinen Pati-
enten kümmern und den Termin in
der Praxis ersetzen. Der gläserne Pa-
tient, dessen Daten sicherlich auch
irgendwo gespeichert werden, wäre
zudem ein Schreckensszenario. Von
Datendiebstählen hört man doch
jede Woche.
29%
Digitale Lebensretter
Während in vielen Gesellschaftsbe-
reichen der digitale Wandel deutlich
erkennbar ist, sind die bestehenden
politischen und rechtlichen Struktu-
ren oftmals noch nicht für die digitale
Realität ausgelegt. So findet auch die
Gesundheitsversorgung in Deutsch-
land für die Patienten noch weitest-
gehend analog statt. Wenn diese mit
einer Grippe am liebsten im Bett blei-
ben würden, müssen sie die nächste
Arztpraxis aufsuchen, um dort nach
langer Wartezeit persönlich einen
ausgedruckten Krankenschein entge-
genzunehmen. Während die Digitali-
sierung administrativer Prozesse also
schon spürbare Mehrwerte schaffen
würde, kann die Telemedizin Leben
retten. Ein Potenzial, das inzwischen
auch die Ärzteschaft erkannt hat:
Auf dem Deutschen Ärztetag wur-
de in diesem Jahr beschlossen, eine
ausschließliche Behandlung aus der
Ferne grundsätzlich zu ermöglichen.
So können etwa Patienten mit chro-
nischen Herzerkrankungen durch die
Fernüberwachung ihrer Vitaldaten
vor schweren kardiologischen Ereig-
nissen bewahrt werden. Damit tele-
medizinische Leistungen zur Selbst-
verständlichkeit werden, müssen
zügig entsprechende Rahmenbedin-
gungen geschaffen werden: Ärztin-
nen und Ärzte müssen bereits in der
Ausbildung im Umgang mit telemedi-
zinischen Möglichkeiten geschult, die
Leistungskataloge der Krankenkassen
angepasst und die Patienten über ihre
telemedizinischen Optionen infor-
miert werden. Sicher ist: Telemedi-
zinische Versorgung wird künftig die
Gesundheitsversorgung prägen.
Aus vielen Bereichen wie Diagnostik,
Therapie und Rehabilitation ist die
Telemedizin heute nicht mehr weg-
zudenken. Einige aktuelle Entwick-
lungen, beispielsweise die Lockerung
des Fernbehandlungsverbotes, die
Planung eines zweiten E-Health-Ge-
setzes oder das Gesetz zur Stärkung
des Pflegepersonals, haben dazu ge-
führt, dass die Telemedizin immer
mehr in den Fokus aller rückt, die
an der Gesundheitsversorgung betei-
ligt sind. Die DGTelemed trägt ihren
Teil dazu bei, Akteure aus Politik und
Wirtschaft, Versorgung und Wissen-
schaft zusammenzubringen, um die
telemedizinische Entwicklung im
deutschen Gesundheitswesen aktiv
voranzutreiben. Die Zeit drängt, das
Potenzial der Telemedizin für die
Patienten konsequenter zu nutzen,
denn telemedizinische Anwendun-
gen werden in vielen medizinischen
Feldern immer wichtiger. Was noch
fehlt, damit Telemedizin im Ver-
sorgungsalltag ankommt, sind zum
einen Anpassungen in der Vergü-
tungsstruktur, damit etwa die Perso-
nalkosten in telemedizinischen Zen-
tren der Krankenhäuser aufgefangen
werden können. Zum anderen muss
die Interoperabilität der Systeme –
also ihre Fähigkeit, miteinander zu
kommunizieren und Daten auszu-
tauschen – dringend optimiert wer-
den. Mit unseren Veranstaltungen
wie dem Nationalen Fachkongress
Telemedizin, der gerade zum neun-
ten Mal stattfand, oder dem „Netz-
werk
Innovationsfondsprojekte“
möchten wir den Diskurs rund um
die Entwicklungen in der Telemedi-
zin weiter vorantreiben.
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