+3 Magazin Dezember 2018 | Page 20

+3 20 › Martin Lang, Bayerischer Landesvorsitzender Bundesverband der Kinder- und Jugendärzte (BVKJ) GEDULDSPROBE Die Wartezeiten in deutschen Arztpraxen Keine Wartezeit Bis 15 Minuten Bis 30 Minuten Gernot Marx, Vorsitzender Deutsche Gesellschaft für Telemedizin (DGTelemed) Über 30 Minuten Versorgung wird Alltag Für Arzt und Patient Die Telemedizin ist eine große He- rausforderung für viele Ärzte in Deutschland. Viele Praxen sind am Rande ihrer Kapazität und können neue digitale Anwendungen nur schwer implementiert. Wir Pädiater nutzen das System des Telekonsils, das allgemeinärztlich tätige Kinder- und Jugendärzte mit pädiatrischen Fachärzten vernetzt. So kann ich bei Patienten, die sich mit unklaren Sym- ptomen vorstellen, innerhalb von 24 Stunden die Meinung eines Experten einholen, um etwa eine Verdachtsdi- agnose abzusichern oder eine Thera- pieempfehlung zu erhalten. Statt die Patienten zu überweisen, können wir in den meisten Fällen den Sachver- halt online klären. Das stärkt auch das Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patient und spart unnötige Arzt- besuche. Daher ist es nicht verwun- derlich, dass Eltern diese neuen Ange- bote gerne nutzen. Aus meiner Sicht können telemedizinische Angebote nur dann erfolgreich sein, wenn sie Esmeralda Hardny, Leserin 10% 33% 26% Umfrage unter 4.796 Personen ab 18 Jahren mit einem Arztbesuch im vergangenen Jahr, 2018 Quellen: KBV, Statista asynchron funktionieren, also nicht alle Teilnehmer gleichzeitig online sein müssen. Viele der neuen digitalen Anwendungen richten sich aber nur direkt an den Patienten. Medizinische Algorithmen sollen den Arzt ersetzen, um Kosten einzusparen und sich von der ärztlichen Expertise unabhängig zu machen. Ich bin skeptisch, ob die- ser Ansatz erfolgreich sein wird. Die Interaktion zwischen Arzt und Pati- ent besteht eben nicht nur aus Zahlen und Fakten. Insofern muss die Digi- talisierung im Gesundheitswesen von Ärzten mitgestaltet werden. Sebastian Zilch, Geschäftsführer Bundesverband Gesundheits-IT Daten in Gefahr Ich stehe der ganzen Thematik doch äußerst skeptisch gegenüber. So ein Telearzt kann sich doch nicht ansatz- weise vergleichbar um seinen Pati- enten kümmern und den Termin in der Praxis ersetzen. Der gläserne Pa- tient, dessen Daten sicherlich auch irgendwo gespeichert werden, wäre zudem ein Schreckensszenario. Von Datendiebstählen hört man doch jede Woche. 29% Digitale Lebensretter Während in vielen Gesellschaftsbe- reichen der digitale Wandel deutlich erkennbar ist, sind die bestehenden politischen und rechtlichen Struktu- ren oftmals noch nicht für die digitale Realität ausgelegt. So findet auch die Gesundheitsversorgung in Deutsch- land für die Patienten noch weitest- gehend analog statt. Wenn diese mit einer Grippe am liebsten im Bett blei- ben würden, müssen sie die nächste Arztpraxis aufsuchen, um dort nach langer Wartezeit persönlich einen ausgedruckten Krankenschein entge- genzunehmen. Während die Digitali- sierung administrativer Prozesse also schon spürbare Mehrwerte schaffen würde, kann die Telemedizin Leben retten. Ein Potenzial, das inzwischen auch die Ärzteschaft erkannt hat: Auf dem Deutschen Ärztetag wur- de in diesem Jahr beschlossen, eine ausschließliche Behandlung aus der Ferne grundsätzlich zu ermöglichen. So können etwa Patienten mit chro- nischen Herzerkrankungen durch die Fernüberwachung ihrer Vitaldaten vor schweren kardiologischen Ereig- nissen bewahrt werden. Damit tele- medizinische Leistungen zur Selbst- verständlichkeit werden, müssen zügig entsprechende Rahmenbedin- gungen geschaffen werden: Ärztin- nen und Ärzte müssen bereits in der Ausbildung im Umgang mit telemedi- zinischen Möglichkeiten geschult, die Leistungskataloge der Krankenkassen angepasst und die Patienten über ihre telemedizinischen Optionen infor- miert werden. Sicher ist: Telemedi- zinische Versorgung wird künftig die Gesundheitsversorgung prägen. Aus vielen Bereichen wie Diagnostik, Therapie und Rehabilitation ist die Telemedizin heute nicht mehr weg- zudenken. Einige aktuelle Entwick- lungen, beispielsweise die Lockerung des Fernbehandlungsverbotes, die Planung eines zweiten E-Health-Ge- setzes oder das Gesetz zur Stärkung des Pflegepersonals, haben dazu ge- führt, dass die Telemedizin immer mehr in den Fokus aller rückt, die an der Gesundheitsversorgung betei- ligt sind. Die DGTelemed trägt ihren Teil dazu bei, Akteure aus Politik und Wirtschaft, Versorgung und Wissen- schaft zusammenzubringen, um die telemedizinische Entwicklung im deutschen Gesundheitswesen aktiv voranzutreiben. Die Zeit drängt, das Potenzial der Telemedizin für die Patienten konsequenter zu nutzen, denn telemedizinische Anwendun- gen werden in vielen medizinischen Feldern immer wichtiger. Was noch fehlt, damit Telemedizin im Ver- sorgungsalltag ankommt, sind zum einen Anpassungen in der Vergü- tungsstruktur, damit etwa die Perso- nalkosten in telemedizinischen Zen- tren der Krankenhäuser aufgefangen werden können. Zum anderen muss die Interoperabilität der Systeme – also ihre Fähigkeit, miteinander zu kommunizieren und Daten auszu- tauschen – dringend optimiert wer- den. Mit unseren Veranstaltungen wie dem Nationalen Fachkongress Telemedizin, der gerade zum neun- ten Mal stattfand, oder dem „Netz- werk Innovationsfondsprojekte“ möchten wir den Diskurs rund um die Entwicklungen in der Telemedi- zin weiter vorantreiben. Anzeige Nothilfe Jemen Jetzt spenden! Die humanitäre Lage im Jemen ist katastrophal. Drei von vier Einwohnern des Landes drohen zu verhungern. Aktion Deutschland Hilft leistet Nothilfe. Mit Lebensmitteln, Trinkwasser und Medikamenten. Helfen Sie den Menschen jetzt – mit Ihrer Spende! Spendenkonto: DE62 3702 0500 0000 1020 30 Jetzt spenden unter: www.Aktion-Deutschland-Hilft.de