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Ina Goller,
Professorin für
Innovationsmanagement,
Berner Fachhochschule
Produktive Sicherheit
Wozu brauchen Menschen überhaupt
Sicherheit? Verrückterweise brauchen
wir sie immer dann, wenn wir Neu-
es wagen, kreativ und innovativ sein
wollen oder komplexe Entscheidun-
gen fällen müssen – also in unsicheren
Situationen. Sei es im Operationssaal
bei einer Herztransplantation, bei der
Schaffung eines neuen Blockbusters
oder bei der Leitung eines Unterneh-
mens. Psychologische Sicherheit wird
von Wissenschaftlern immer mehr als
die eigentliche Grundlage für erfolg-
reiche Teams entdeckt. Sie entsteht,
wenn alle Teammitglieder das Gefühl
haben, es ist sicher, ihre Meinung ein-
zubringen, Fehler einzugestehen oder
anzusprechen und um Hilfe zu bitten.
Die anfängliche Skepsis gegenüber
solchen soften Faktoren als Grundla-
ge für Erfolg und das Belächeln von
Wohlfühloasen im Arbeitsumfeld ver-
schwindet meist, wenn Menschen di-
rekt erleben, welche enorm positiven
Auswirkungen psychologische Sicher-
heit hat und wie hart Teammitglie-
der miteinander diskutieren, um die
beste Lösung zu finden, wenn sie sich
sicher fühlen. Egal wo ich bin, ver-
suche ich psychologische Sicherheit
mitzugestalten. Mich begeistert, dass
psychologische Sicherheit sehr gut
und relativ schnell über Kommuni-
GRENZERFAHRUNG Die psychischen Folgen eines Einbruchs
„Der Schutz Ihrer Privatsphäre ist
uns wichtig.“ Datenschutzerklärun-
gen beginnen oft mit einer Lüge.
Bei der Recherche zu meinem Buch
erfuhr ich, dass mein Amazon-Click-
stream des letzten Jahres 15.365
Einträge mit bis zu 50 zusätzlichen
Angaben pro Klick umfasst. Laut Fa- cebook gehöre ich zur Werbegruppe
„Stress“. Das Unternehmen weiß,
wie es um die Psyche unserer Kinder
bestellt ist. Google verfolgt, wo App-
Nutzer letzte Nacht waren. Kran-
kenkassen bieten Prämien, wenn wir
Daten des Fitness-Trackers freige-
ben. Diese Zukunft macht mir Angst.
Wie konnte es nur so weit kommen,
dass Konzerne mehr über uns wis-
sen, als wir engsten Freunden an-
vertrauen würden? Woher nehmen
wir die Sicherheit, dass diese Daten
nicht eines Tages gegen uns verwen-
det werden? Unternehmen haben
ein Interesse daran, uns glauben zu
machen, das alles sei alternativlos.
Dabei liegt es an uns zu entscheiden,
welche Geschäftsmodelle uns scha-
den. Für Google Maps und Whats-
app gibt es gute Alternativen. Wer
auf Bonusprogramme verzichtet,
spart am Ende meist sogar Geld. Bei
vielen Onlinediensten habe ich die
Wahl. Das gilt aber nicht für staat-
liche Datensammlungen. Egal ob
Vorratsdatenspeicherung, Geheim-
dienstüberwachung oder Staatstro-
janer – autoritäre Parteien bekämen
heute einen Überwachungsstaat auf
dem Silbertablett serviert. Ich frage
mich bei neuen Datensammlungen
mittlerweile: Was würde eine AfD-
Regierung damit anstellen? Sicher
fühle ich mich dadurch nicht.
was wenig verwundert. Denn laut
Maslowscher Bedürfnispyramide folgt
die „Sicherheit“ direkt auf die „körper-
lichen Grundbedürfnisse.“ Sie ist uns
wichtiger als die sozialen Bedürfnisse
oder Anerkennung und Wertschät-
zung. Doch während das Gefühl von
Sicherheit den einen ruhig schlafen
lässt, empfindet es der andere als Inbe-
griff von Spießigkeit und Stagnation.
Wo ständen wir heute ohne die vielen
Menschen, deren Risikobereitschaft
uns voranbringt, Lebensverhältnisse
verbessert und Menschenleben rettet.
Schon heute weiß ich: Am Ende werde
ich eher das bereuen, was ich vor lauter
Sicherheitsdenken nicht erlebt habe,
als dass es mir vielleicht vergönnt war,
in Sicherheit alt zu werden. im Internet, was man nicht bezahlen
muss, auch umsonst ist. Man zahlt
mit seinen Daten, die im besten Fall
nur für kommerzielle Zwecke ver-
kauft und ausgewertet werden. Im
schlechtesten Fall werden sie krimi-
nell genutzt. Der bewusste Umgang
mit seinen persönlichen Daten sollte
ganz selbstverständlich dazugehören,
wenn man im Netz unterwegs ist. Das
Sichersten wäre natürlich ein großer
roter Knopf, auf dem steht: „Mei-
ne Daten Löschen“. Ein adäquates
Mittel ist auch, einfach irgendeinen
Quatsch einzugeben, wenn man nach
seiner Adresse oder anderen Daten
gefragt wird. Beispielsweise wäre die
Google-Zentrale ein idealer Ort, um
ungewollte Werbepost loszuwerden.
24,5% Angstgefühle
34%
Schock
32,7%
Nach einem Monat noch
Unsicherheitsgefühl
in der eigenen Wohnung
Umfrage unter 11.500 Einbruchsopfern,
2011; Mehrfachnennungen möglich
20,3% Auszug aus der Wohnung
17,7% Schlafstörungen
10,7% Opfer wäre am
liebsten ausgezogen
6,4% Bis heute Unsicherheitsgefühl
in der eigenen Wohnung
14,7% Sonstiges
24,1% Keine Folgen
Quellen: KFN, Statista
Stefan Lorenz, Leser Sebastian Linde, Leser
Akzeptierte Regeln Eigentlich sicher
Der Begriff der Sicherheit ist sehr
subjektiv und in der Tat eher als eine
Abwesenheit von Gefahr, insbeson-
dere dem subjektiven Gefühl von Ge-
fahr, zu verstehen. Daraus ergeben
sich gleich mehrere Möglichkeiten,
um als Individuum und als Gemein-
schaft mehr Sicherheit zu verspüren.
Als Einzelperson kann man direkt mit
dem eigenen Verständnis von Sicher-
heit beginnen und hier überprüfen,
inwieweit man eine komplette Absi-
cherung benötigt, um sich sicher zu
fühlen. Grundsätzlich sollte man sich
auch damit abfinden, dass es die ab-
solute Sicherheit nie geben kann. Ein
wichtiger Faktor für das individuelle
Sicherheitsempfinden ist zudem das
Gefühl der Absicherung innerhalb
einer Gemeinschaft. Gibt es hier ein-
heitliche Regeln, die das Individuum
innerhalb einer Gemeinschaft schüt-
zen und von allen Mitgliedern res-
pektiert und berücksichtigt werden,
so zahlt dies direkt in das Sicherheits-
empfinden der Einzelpersonen ein.
Daher ist der regelkonforme Umgang
miteinander die beste Grundlage für
ein sicheres Gefühl. Um ehrlich zu sein, fühle ich mich
sehr sicher in diesem Land. Klar
bekomme ich viel Spam und habe
manchmal Bedenken, auf einen Link
zu klicken, danach erpresst zu wer-
den und mit Bitcoins meine Daten
freizukaufen, doch ist es im Großen
und Ganzen und nach meinem Ver-
ständnis extrem sicher in Deutsch-
land. Unser Sicherheitsverständnis
mündet eher in Bauverzögerungen
von gefühlt zehn Jahren, wenn es um
Brandschutz geht. Aber: Safety first!
Dennis Wachowski, Leser
Sicherheit gewinnen
Das beste Rezept für mehr Sicherheit
ist Erfolg und das gilt für jedes Alter.
Dafür ist es nie zu früh – und vor allem
nie zu spät. Am Anfang steht immer das
Machen. Wer nichts anfängt, kann auch
nichts erfolgreich zu Ende bringen. Da
müssen Sie mal drauf achten: Unsi-
chere Personen sind meist die, die be-
sonders wenig selbst machen. Letztlich
geht es darum, irgendwann mal was
zu wagen. Mit Erfolg wird die nächste
Hürde kleiner, man traut sich immer
mehr und gewinnt an Sicherheit.
kationsmuster trainiert werden kann.
Achten Sie mal darauf, dass jeder im
Team gleich häufig zu Wort kommt –
also nicht nur die üblichen Verdäch-
tigen reden. Das ist ein guter erster
Schritt und jeder kann ihn umsetzen,
noch heute. Warum also bis morgen
warten?
Katharina Nocun,
Autorin und
Bürgerrechtlerin
Nur in Freiheit
Friedrich Schönhoff,
Leser
Warum nicht wagen
Als ich mich mit der Frage beschäftig-
te, kam ich immer mehr zu der Gegen-
frage: Will ich mehr Sicherheit? Somit
verfehlt dieser Beitrag vielleicht das
Thema, erweitert aber auch den The-
menkomplex. Im Internet las ich ein
Interview mit Antje Steinhäuser, einer
der Autorinnen des Buches „Wir. Al-
les was man über uns Deutsche wis-
sen muss“. Sie wurde gefragt, was als
typisch deutsch gelte. Sie antwortete:
„Bestimmte Klischees wie die Zuver-
lässigkeit, das Sicherheitsdenken – das
ist schon eindeutig deutsch. Auf der
anderen Seite zählen junge Deutsche
zu den Unerschrockensten. Sie fah-
ren zwei Monate mit dem Fahrrad
durch Indien. Das würde man nicht
als typisch deutsch betrachten.“ Wäh-
rend ich das las, blinkten mich stän-
dig Werbebanner von Lebens- und
Haftpflichtversicherungen an. Unser
Sicherheitsbedürfnis scheint also für
viele auch ein gutes Geschäft zu sein,
Mario Berger, Leser
Ihr Name,
Leserin
Schütz deine Daten
Wenn man Sicherheit im Internet
haben will, ist am wichtigsten, dass
man bewusst mit seinen Daten um-
geht und nicht überall seine Spuren
hinterlässt. Man sollte sich freima-
chen von dem Gedanken, dass alles
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