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Karsten Schwanke,
Meteorologe
und Fernsehmoderator
Keine Alternativen
mehr
Vergessen wir einmal die Fahrt mit
dem Fahrrad zur Arbeit, den Einkauf
beim Bio-Bauern, die ökologisch
vorbildliche Urlaubsfahrt mit
der Bahn und den Vorsatz, weniger
Fleisch zu essen. Dies ist alles richtig
und wichtig und natürlich auch
nachhaltig. Aber diese individuellen
Maßnahmen lenken möglicherweise
sogar ab vom eigentlichen Ziel,
dem wir uns als Gesellschaft widmen
müssen: den CO 2 -Ausstoß so schnell
wie möglich zu verringern und noch
deutlich vor 2038, dem Jahr des „offiziellen“
Kohleausstiegs, auf null
zu bringen – und zwar nicht nur im
Energiesektor. Der Dürresommer
2018, die Hitze 2019, die Wasserknappheit
in einigen Dörfern 2020
– all das hat gezeigt, was auf uns in
Deutschland in den nächsten Jahren
zukommen wird. Wir werden wesentlich
häufiger mit Dürreperioden
rechnen müssen – die noch dramatischer
werden – die Temperatur wird
noch weiter ansteigen, die Land- und
Forstwirtschaft vor riesige Probleme
gestellt. Das, was uns die Klimakrise
abverlangt, ist kein Spaziergang. Die
Transformation unserer Gesellschaft
von einer kohlenstoffbasierten zu einer
kohlenstofffreien wird eine Menge
Geld kosten, es wird auch nicht
ohne Verzicht gehen, aber es gibt
keine Alternative dazu. Das müssen
wir endlich begreifen. Sollten wir
das schaffen und damit die Erderwärmung
auf maximal zwei Grad
begrenzen, dann können wir wirklich
von Nachhaltigkeit reden. Die
Lösungen liegen dafür auf dem Tisch
– seit Jahrzehnten.
Gesund
39% der Befragten verzichten nicht auf Fleisch
Einfache und
schnelle Zubereitung
artgerechte Tierhaltung
faire Produktionsbedingungen
Hinweis: ohne Gentechnik
umweltverträgliche Erzeugung
Hinweis auf vegetarische/vegane Produkte
1%
Veganer
Vegetarier
WORAUF KOMMT‘S BEIM ESSEN AN?
Geschmack
Flexitarier
37%
Gesundheit
41%
Klima
Kalorienarm
WELCHE FREIWILLIGEN ANGABEN AUF LEBENSMITTELVERPACKUNGEN
SIND DEN BEFRAGTEN SEHR WICHTIG ODER WICHTIG?
WIE VIELE MENSCHEN ACHTEN BEIM
EINKAUF AUF KENNZEICHNUNGEN?
Siegel für nachhaltige Fischerei
47%
Quelle: BMEL
NACHHALTIGE ERNÄHRUNG Deutschland isst immer gesünder
52%
90%
Tierwohllabel
48%
Siegel „Fairer Handel“
49%
Bio-Siegel
50%
WIE VIELE MENSCHEN VERZICHTEN
GELEGENTLICH BEWUSST AUF FLEISCH
ODER ESSEN GAR KEIN FLEISCH?
5%
98%
55%
WARUM WERDEN VEGETARISCHE
ODER VEGANE ALTERNATIVEN
ZU TIERISCHEN PRODUKTEN GEKAUFT?
Geschmack 43%
32%
48% 75%
Tierwohl Neugier
33%
Preis
84%
83%
78%
76%
41%
Umfrage unter 1.000 Personen ab 14 Jahren, Dezember 2019-Januar 2020
Karsten Eiermann, Leser
Annette Ahme,
Leserin
Ein Konto für alles
Es gibt eine starke Tendenz, diese Frage
individuell zu beantworten – gerade
in der „westlichen“ Gesellschaft, die auf
Entscheidungsfreiheit des Einzelnen
großen Wert legt. Aber ist das auch
sinnvoll? Die Welt kann nicht warten,
bis alle Menschen durch Zauberhand
ihr Leben individuell nachhaltig gestalten.
Politik sollte immer die Schaffung
von Rahmenbedingungen sein,
die es dem Einzelnen nahelegen, ein
gemeinwohlorientiertes Leben zu führen.
Bisher sind wir daran gewöhnt,
dass Geld eine Hauptrolle in unserem
Leben spielt: Leben, Konsumieren,
Vermögen aufbauen. Warum sollte
unser ökologischer Fußabdruck nicht
diese Rolle einnehmen können? Es
wäre angemessen und zeitgemäß. Es
wäre doch vorstellbar, dass die Weltgemeinschaft
eine gerechte maximale
Größe für den ökologischen Fußabdruck
eines Menschenlebens festlegt.
Alle Produkte erhalten automatische
Kennzahlen für CO 2 und andere klimaschädliche
Stoffe. Bei der Geburt
erhält jeder Mensch eine Art Scheckkarte
mit einem Lebenskonto aller
klima- und umweltschädlichen Stoffe.
Diese Scheckkarte kann für jeden Einzelnen
zum schönen Hobby werden.
Bei jedem Kauf, bei jedem Abonnement
wird neben der Geldfunktion
auch der ökologische Fußabdruck „heruntergerechnet“.
Natürlich sollte man
ein Spaß machendes Motivationsprogramm
ergänzen – eine Leichtigkeit
für heutige Software-Entwickler.
Tiere sind nicht nur Kreaturen, sondern
Lebewesen, deren Leben wir wie
unser eigenes berücksichtigen müssen.
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DIES IST EINE GESPONSERTE ANTWORT, ALSO EINE ANZEIGE
Volker Schmidt-Sköries,
Chef der Biobäckerei Kaiser
SINN UND SOUL FOOD
Sie haben die 18. Filiale in Frankfurt/Main eröffnet.
Wann ist man zu groß, um nachhaltig zu arbeiten?
Wir haben jetzt eine Größe erreicht, bei der wir uns
selbst gefragt haben: Wie wollen wir das Wachstum
begrenzen? Ein entscheidender Begriff für uns ist
die Beseelung von Wirtschaft. Wir glauben, dass
Wirtschaftsunternehmen Organismen sind. Ein
Maß für die Größenfindung ist daher immer die
Frage: Ist die Organisation so, dass noch Beseelung
stattfindet? Gibt es noch Sinn, gibt es Identität?
Macht die Arbeit noch Freude und Sinn? Das alles
gehört zu unserem nachhaltigen Konzept.
Ihr Brot bekommt sehr viel Reifezeit – und dieses Konzept
ist über einen langen Zeitraum gereift: gut 40 Jahre.
Ja, angefangen habe ich, weil ich die Idee von einer
besseren Welt aktiv umsetzen wollte. Ich wollte mit
anderen ein Modell errichten: Modell sein, Anstifter
sein für eine andere Wirklichkeit.
Was derzeit ja sehr gut klappt.
Es gibt ein Prinzip, das man in unserer Kultur haben
muss: Man muss erfolgreich sein. Heute hören
ganz viele auf uns, am Anfang haben sie uns ausgelacht.
Jetzt, wo der Erfolg da ist, fangen wir an, die
Erträge zu kappen und teilen sie mit Mitarbeitern
und Landwirten. Wir setzen demnach auf Kooperation
statt Konkurrenz.
Teilen ist also das Schlüsselwort für nachhaltiges
Wirtschaften?
Ja, abgesehen von Klimaneutralität als Ziel – was
klar ist – sind Teilen und Kooperieren zwei Schlüsselworte
für die Zukunft. Wir müssen mit Hingabe
wirtschaften, die Leute einladen, dass man anders
lebt. Und einsehen, dass Arbeit ein Kulturgut ist:
eine Chance, sich als Mensch weiterzuentwickeln.
Mehr Informationen unter: www.biokaiser.de