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Franziska Divis, Leserin
Nicht lockerlassen
Ich beobachte die Digitalisierung in
beiden Rollen, als Mutter eines schulpflichtigen
Kindes und als Verantwortliche
im IT-Vertrieb. Die letzten
Monate haben eklatant gezeigt, wo
Deutschland noch aufholen muss. Leider
stelle ich hier eine Art Lethargie
fest, seitdem sich bei den Menschen
der „Fast-Normalzustand“ wieder eingestellt
hat. Somit rückt die absolut
essenzielle Digitalisierung in vielen Bereichen
in den Hintergrund. Viele Eltern
höre ich immer noch sagen: „Mein
Kind ist noch zu jung für ein Notebook,
ich möchte das nicht.“ Auf der anderen
Seite steht die Lehrerschaft, die
sich hoffentlich in den Sommerferien
Gedanken über ihre Kompetenzen im
digitalen Unterricht gemacht hat. Mir
Ihr Name,
Leser
Was ist Ihre Meinung?
Schreiben Sie uns, wie Sie darüber denken
– und vielleicht erscheinen Sie dann
im nächsten Heft.
Frank Mattes, Leser
Thorsten Holz,
Professor
für Systemsicherheit,
Ruhr-Universität Bochum
Gesundes Misstrauen
Der digitale Wandel ist in allen Bereichen
unserer Gesellschaft angelangt.
Unaufhaltsam durchdringt die
Entwicklung ins digitale Zeitalter
alle Schichten und Aspekte unserer
modernen Gesellschaft. Digitale
Sichtbarer Gewinn
Ich, noch vor Corona: „Ich installier
euch mal beim nächsten Besuch ein
Programm, damit wir Videotelefonate
führen können.“ Papa und Opa daraufhin
unisono: „Nein, sowas brauchen
wir nicht und sowas kommt mir nicht
ins Haus!“ Wenige Wochen später ruft
mein Papa wieder an: „Du, komm doch
demnächst mal vorbei. Wir bräuchten
mal dieses Videotelefon auf dem
Computer, Oma will die Enkel sehen.
Kannst du morgen?“ Daraufhin Programm
installiert und erklärt, auch
Opa sieht jetzt den Nutzen – im wahrsten
Sinne des Wortes – und hört beim
nächsten Mal wirklich hin, wenn der
Enkel mit diesem Internet um die Ecke
kommt. Kurzum: Machen und lernen
(wollen), dann klappt es auch im Alter
noch mit der digitalen Kompetenz.
Kompetenzen werden deshalb immer
wichtiger. Wir müssen lernen, effektiv
mit den neuen digitalen Möglichkeiten
umzugehen. Nahezu parallel
mit der zunehmenden Digitalisierung,
dem Wachstum des Internets
und der Vielzahl der dort angebotenen
Informationen und Dienstleistungen
steigen die Herausforderungen
in den Bereichen Datenschutz
und Datensicherheit. Der Austausch
von persönlichen und wirtschaftlich
relevanten Daten ermöglicht es, viele
Aktivitäten und Geschäfte in die virtuelle
Welt zu verlagern. Dies schafft
U m f ra g e u n te r 2 . 0 19 Pe r so n e n a b 14 J a h re n , J u ni - J u l i 20 19
Christine Scholz, Leserin
Fake News
Künstliche Intelligenz
Shitstorm
Cloud
Elektronische Patientenakte
Algorithmus
Digitale Gesundheitsdienste
Zwei-Faktor-Authentifizierung
Bots (Social Bots, Chatbots)
Industrie 4.0
Internet der Dinge
Blockchain
Endstation Zukunft
Wir würden als Lehrer gerne mehr digitale
Kompetenzen vermitteln, wenn
denn die Rahmendaten stimmen.
Leider ist unsere Arbeitszeit mit administrativen
Aufgaben verstopft, deren
Sinn sich nicht immer erschließt.
Auch die Dokumentationspflicht frisst
Zeit, die für die Schüler verloren geht.
Gerade die Corona-Krise hat gezeigt,
wie schwierig die Ausgangsbedingungen
sind und wie wenig digitaler Unterricht
im Schultag angekommen ist.
Ein großes Manko war die fehlende
Ausstattung der Schüler, Viele Eltern
können sich gerade mal ein Smartphone
leisten. Auch in den Schulen fehlt
eine zeitgemäße digitale Infrastruktur.
Der Digitalpakt Schule wird hier
sicherlich irgendwann Abhilfe schaffen,
aber die schier endlosen Debatten,
welche Anwendungen überhaut
benutzt werden dürfen, sollten dann
endlich beendet sein.
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Raum für Begehrlichkeiten und Manipulationen.
Ein wichtiger Aspekt
digitaler Kompetenz ist deshalb die
IT-Sicherheit: Nur sichere und vertrauenswürdige
IT-Prozesse werden
nachhaltig den positiven Einsatz der
Informationstechnik möglich machen.
Um dies zu erreichen, sollte
man ein gesundes Misstrauen in digitale
Dienste entwickeln. Beispielsweise
stellen Fake News und Deepfake-Bilder
große Herausforderungen
dar. Wir müssen lernen, solche Bedrohungen
effektiv zu erkennen und uns
nicht davon täuschen zu lassen.
blutet das Herz als digitaler Pionier,
wenn ich sehe, wie sehr sich Menschen
in Deutschland vor dem technischen
Fortschritt verschließen. Klappen
könnte es, wenn sich Eltern und Bildungseinrichtungen,
aber auch Arbeitgeber
und Mitarbeiter mit dem Thema
Digitalisierung bewusst auseinandersetzen
und es als Chance begreifen, die
sich ihnen bietet. Wir stehen doch für
das Qualitätslabel „Made in Germany“,
dann nutzen wir doch bitte die Chance
und öffnen uns gegenüber diesen tollen
neuen Möglichkeiten, die durch die
Digitalisierung in allen Bereichen auf
einmal machbar werden.
FREMDE WELT Die Bedeutung digitaler Begriffe ist vielen noch unbekannt
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14-29 Jahre: 51%
30-49 Jahre: 64%
50+ Jahre: 47%
Berufstätige: 36%
Bürojob: 47%
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Thiemo Fojkar,
Vorstandsvorsitzender
Internationaler Bund (IB)
Teilhabe für alle
DIES IST EINE GESPONSERTE ANTWORT, ALSO EINE ANZEIGE
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Quelle: Initiative D21
Ramón Reichert,
Kultur- und
Medientheoretiker
Eine Gesellschaft
wird digital
Digitale Kompetenz ist heute in aller
Munde. Oft wird sie als eine Art Fitnessprogramm
bewertet, das der Einzelne
für Bildungssysteme, Kapitalmärkte
und Technologiesektoren zu
absolvieren hat. Digitale Kompetenz
kann aber auch als kritisch-kreative
Reflexion des digitalen Lebens verstanden
werden und firmiert in diesem
Sinne als grundlegende Einstellung
zur Frage: Wie will ich leben?
Digitale Kompetenz kann Chancen
der politischen Ermächtigung eröffnen.
Sie ebnet den Weg für neue demokratische
Beteiligungsverfahren
und ermöglicht Initiativen für mehr
Bildungsgerechtigkeit und Gendersensibilität.
Inzwischen hat sich eine
breite Diskussion um den Begriff
„Literacy“ etabliert. Er bezeichnet
medienreflexive und technologieresiliente
Fähigkeiten, die bei der Verwendung
von Medien, Technologien
und Ressourcen entstehen können.
Digital Literacy umfasst neben technisch-praktischen
Fertigkeiten auch
interpretative und kritische Fähigkeiten
der sinnverstehenden Medienrezeption.
Befähigt für den digitalen
Alltag erkennen Repräsentanten der
Digital Literacy rhetorische Verfahren
und visuelle Regime von Hate
Speech und Cyber-Mobbing. Sie können
Fake News gegen den Strich lesen
und haben ein Gespür für die Machtasymmetrie
von User-Interface und
algorithmischer Informationskontrolle.
Wer heute digital kompetent
sein will, der vereint technologische,
soziale und kulturelle Kompetenzen,
ist Informatiker, Künstler und Bürger
der digitalen Zivilgesellschaft. ›
Um mehr Bildungsgerechtigkeit zu
ermöglichen, muss es auch im Bereich
Digitales Lernen eine Entkopplung
zwischen dem sozialen Umfeld und
dem Bildungserfolg geben. Eine meiner
Forderungen lautet daher, dass
digitales Lernen nicht vom Elterneinkommen
abhängig sein darf. Zunächst
ist es notwendig, dass Menschen aus
primär bildungsfernen Verhältnissen
mit den entsprechenden Endgeräten
und Internetzugängen ausgestattet
werden. Der Technikaspekt, der beim
Digitalpakt Schule im Mittelpunkt
steht, muss dringend weitergedacht
werden: Die Ausbilderinnen und Ausbilder
spielen eine zentrale Rolle, um
die Menschen in die Lage zu versetzen,
überhaupt mit den Geräten umgehen
zu können. Zugleich müssen
die Inhalte methodisch-didaktisch
ganz anders aufbereitet werden. Problematisch
ist es, dass die Fördersummen,
die zur Verfügung stehen, bisher
kaum abgerufen werden, weil die
Hürden zu hoch sind. Die Stichworte
lauten hier Entbürokratisierung und
mehr Raum für Innovation. Was bei
Kindern und Jugendlichen besonders
ins Gewicht fällt, gilt für alle: Auch bei
Erwachsenen brauchen wir einen Digitalpakt
Weiterbildung. Für die Älteren
gilt, dass sie durch mehr Digitalisierung
länger am gesellschaftlichen
Leben teilhaben können. Eins darf
aber nicht sein: dass der Digitalisierung
alles andere untergeordnet wird.
Sie ist nur ein Hilfsmittel. Und: Die
Menschen müssen partizipativ mitbestimmen
können, wie sie Digitales
anwenden.