+3 Magazin April 2021 | Page 8

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WIR FRAGEN :

WIE SIEHT DIE STADT IN 100 JAHREN AUS ?

Hirnimplantate , die eine Verbindung zwischen ( städtischen ) Netzwerken und dem eigenen Körper schaffen , sind bereits in der Entwicklung .
Quelle : www . cio . de / a © iStock ./ RyanJLane
Udo Knapp , Politologe
Bändigung der Kräfte
2121 werden Menschen nur noch in Städten leben . Diese bleiben die überlaufenden Zentren der Zivilisation . Stadt heißt auch in 100 Jahren : Leben in Freiheit und Selbstverantwortung mit Versuchungen , Scheitern und Fortschritt . Damit sich ein vor Dynamik berstendes Stadtleben auch weiter entfalten kann , müssen Kommunen ihren „ Ordnungsrahmen Stadt “ neu zusammenfügen : Der Stadtboden befindet sich in öffentlicher Hand und wird , wie Wasser , allein im Allgemeininteresse verwaltet , nicht privatisiert , sondern in Erbpacht weitergegeben . Hohe Dichte in menschlichem Maß
und intensiv nutzbarer öffentlicher Raum sind die Maßgaben für Stadtplaner . Wohnungen gehören mit festen Mietobergrenzen überwiegend kommunalen oder genossenschaftlichen Trägern . Sie fördern in ihren Beständen mit Quoten gemeinschaftsstiftende Inklusion . Der freie Wohnungsmarkt für das große Geld bleibt selbstverständlicher Teil der bürgerlichen Freiheiten . Die Arbeit , bestimmt von den Chancen und Plagen der Rationalisierung , der Digitalisierung und der Künstlichen Intelligenz findet ihren Ort in der Mitte des städtischen Lebens . Innerhalb der Städte gibt es keinen motorisierten Individualverkehr mehr , der hochverdichtete ÖPNV ist kostenfrei und das Fahrrad das zentrale individuelle Verkehrsmittel . Überflüssige Straßen werden für den Wohnungsbau genutzt . An diesem Ordnungsrahmen wird schon heute in Kopenhagen , Barcelona oder Bern mit ermutigenden Ergebnissen gearbeitet .
Felix Beer , Transformationsforscher
Urbane Symbiose
Die Prognosen sind eindeutig : Die Zukunft ist urban . Gleichzeitig stellt die Urbanisierung eine erhebliche Umweltbelastung dar . In gegenwärtiger Form sind gebauter und natürlicher Raum ein Gegensatzpaar . Wenn wir die Klimaziele ernst nehmen , brauchen wir künftig Städte , die wieder in den natürlichen Zyklus ihrer Umwelt eingebettet sind . Ein ökologisches Gleichgewicht entsteht dann , wenn Städte die Ökosysteme erhalten und wiederherstellen , von deren Wohlsein sie letztlich abhängen . Damit das gelingt , müssen Städte in Zukunft grundlegend ihre Beziehung
zur Natur transformieren . Es geht um nicht weniger als ein neues urbanes Ökosystem zu erfinden , in dem ein gemeinsamer ( Über- ) Lebensraum für alle Spezies entsteht . Die Chance liegt in neuen Gestaltungsansätzen , die „ grün “ und „ grau “ symbiotisch miteinander verweben . Die organische Welt wird zukünftig so zum wichtigen Element im Städtebau – wie heute Stahl , Holz und Beton . Dabei erfüllen neuen Grünflächen wichtige produktive Funktionen für das Stadtleben und dienen gleichzeitig als Entfaltungsraum für eine urbane Ökologie . Diese Zukunft zeichnet sich bereits heute in vielen Experimenten ab : Gebäude , die wachsen , Pflanzen , die gleichzeitig Tragwerk sind , oder grüne Infrastrukturen , die Energie erzeugen , die Luft reinigen , und sauberes Wasser produzieren – und damit die Grenzen zwischen Mensch , Technik und Natur auflösen . Diesen symbiotischen Städten gehört die Zukunft .