+3 Magazin April 2021 | Page 4

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WIR FRAGEN :

WODURCH GELINGT INKLUSION ?

Sportrollstühle gibt es in unzähligen Varianten . Dieses Modell kommt normalerweise beim Basketball zum Einsatz . Quelle : www . der-querschnitt . de © iStock ./ kali9
Seite an Seite
Verena Bentele , Präsidentin Sozialverband VdK Deutschland
Woran denken Sie beim Wort Inklusion ? Mein persönliches Bild von Inklusion sieht so aus : In einem früheren Leben , vor meiner Wahl zur Präsidentin des größten Sozialverbands in Deutschland , war ich Leistungssportlerin . Im Biathlon und Skilanglauf wollte ich unbedingt aufs Treppchen , am besten ganz nach oben . Immer wieder wurde ich gefragt : „ Wie kannst du Sport machen , ohne zu sehen ?“ Meine Antwort darauf lautete : „ Wie kannst du keinen Sport machen , obwohl du alles siehst ?“ Wichtig war mir nur die Frage : Wie kann es gehen ? Das Gewinnen von Medaillen gelang
ganz wunderbar mit einem sehenden Begleitläufer vor mir , der mir mit seiner Stimme die Sehkraft ersetzte . Ohne ihn hätte ich nie die Ziellinie gefunden . Ohne mich hätte er nie eine paralympische Goldmedaille in Händen gehalten . Inklusion ist , wenn wir das Wie beantworten , nicht das Ob . Inklusion ist , das Schulsystem endlich mit kleinen Klassen umzubauen und die individuellen Potenziale der Kinder zu fördern , egal ob sie eine Behinderung haben oder nicht . Inklusion ist , am Arbeitsplatz über verschiedene Perspektiven zu sprechen , die in einem Team zu guten Ergebnissen führen . Inklusion ist auch , dass sich der Staat endlich zur Barrierefreiheit bekennt und diese verpflichtend für alle Dienstleistungen und Produkte umsetzt . In einem Leben ohne Barrieren können Menschen mit und ohne Behinderungen ohne Probleme Begleitläufer füreinander sein und Ziele gänzlich neu definieren .
Bernhard Conrads , Leser
Hürden abbauen
Alle Erfahrung zeigt : Inklusion ist kein Selbstläufer . Wie bei fast allem braucht man motivierte Menschen und bisweilen auch Geld . Man braucht Kraft . Nicht selten sind auch eingefahrene Strukturen weiter und Methoden neu zu entwickeln . Je genauer wir jedoch hinschauen , desto niedriger werden die Hürden , wenn wir überzeugt sind , dass Inklusion eine gute Sache ist – für uns selbst , unsere Firma , unseren Verein , unsere Gesellschaft . Lohnt sich das alles ? Diese Frage ist zulässig . Erfahrungen zeigen : Vereine bekommen neue Mitglieder . In Firmen entsteht ein anderes Klima der Zuwendung
und Wertschätzung . Und es lohnt sich für die Gesellschaft . „ Demokratie braucht Inklusion “ meint Heribert Prantl , ehemaliger Chefredakteur und Kolumnist der Süddeutschen . Für den Beauftragten der Bundesregierung für die Belange behinderter Menschen ist dies Programm . Inklusion ist leicht , wenn man sich nicht zu viel vornimmt . Schon die Begegnung zwischen Menschen mit und ohne Behinderung , mit und ohne Migrationshintergrund , alt und jung helfen weiter . Durch Begegnungen verändern sich Einstellungen – veränderte Einstellungen schaffen Platz für Begeisterung , Begeisterung setzt Energie frei . Energie mobilisiert Kräfte , die zu Erfolgen führen . Inklusion ist Illusion – Mit diesem Satz wurde noch vor wenigen Jahren dieses Paradigma abgetan . Die Entwicklung zeigt , dass dies eine krasse Fehleinschätzung ist , wenn es überzeugte und begeisterte Menschen gibt , die Hürden erkennen und aus dem Weg räumen .