+3 Magazin April 2020 | Page 6

+1 6 › Jo B. Aschenbrenner, Wirtschaftsanwältin und Autorin System auf dem Prüfstand Durch die Corona-Krise ist der Ruf nach einer sinnorientierten, agilen und dezentralen Unternehmens- führung noch lauter geworden, so laut, dass er mittlerweile auch die Vorstandsetagen unserer glo- balen Firmen erreicht. Wenn den Wirtschaftsteilnehmern bisher die Ausbeutung unserer natürlichen Ressourcen, die Spaltung in Mäch- tige und Machtlose sowie die Kom- plexität unserer vernetzten Welt als Gründe noch nicht ausgereicht haben, sollten sie nach dieser Kri- se nun endlich ihre gemeinsame Pflicht, diese Transformation mitzu- gestalten, erfüllen. Dabei ist es egal, ob sie bislang in der Werkshalle Gü- ter produziert oder im Mahagoni- zimmer die Strategie festlegt haben. Die einen müssen lernen, Macht an ein dezentrales Steuerungssystem abzugeben, die anderen, ihre Macht und Verantwortung in dem System auszuüben. Alle sind gleichermaßen aufgefordert, in ihre persönliche, authentische Macht zu gelangen, Frédéric Laloux, Organisationsökonom und Autor Krisen als Chance Krankenschwestern, die mit am Corona-Virus Sterbenden arbeiten, wissen, was diese am meisten bereu- en: „Ich wünschte, ich hätte weniger um so dem Sinn des Unternehmens immer wieder von neuem Geltung zu verschaffen – während und nach der Krise. In meiner Arbeit setze ich mich damit auseinander, wie diese Veränderung in den Menschen und in den Unternehmen gelingen kann: DER CORONA-EFFEKT Sie benötigt konkrete Regeln für die Selbstorganisation der Arbeit, das Miteinander und das Eigentum am Unternehmen. Mit diesen Regeln im Dienste der Freiheit wird es ge- lingen, den Herausforderungen un- serer Zeit zu begegnen. Vier denkbare Szenarien für eine Welt nach der Krise optimistisch gelingende Beziehungen SZENARIO 3 NEO-TRIBES Die Gesellschaft kehrt wieder stärker zu lokalen Strukturen zurück. Kleine Gemeinschaften entstehen neu und verfestigen sich – immer in vorsichtiger Abgrenzung zu „den Anderen“. Nachhaltigkeit und Wir-Kultur sind wichtige Werte, die jedoch nur lokal gedacht werden, nicht global. SZENARIO 4 ADAPTION Die Welt lernt und geht gestärkt aus der Krise hervor. Wir passen uns besser den Gegebenheiten an und sind flexibler im Umgang mit Veränderung. Gleichzeitig stellt sich die Sinnfrage nach dem Zweck des Wirtschaftens. Das gemeinsame Überstehen der Krise verhilft zu einem neuen, achtsamen Umgang miteinander. connected global disconnected lokal SZENARIO 1 DIE TOTALE ISOLATION SZENARIO 2 SYSTEM-CRASH Die Welt ist im permanenten Der Shutdown ist zur Normalität Krisenmodus. Jede Nation ist sich selbst geworden. Bei der Ausreise die Nächste. Die Sorge vor einer brauchen wir eine Genehmigung erneuten Pandemie macht jede lokale und durchlaufen langwierige Verbreitung eines Virus zum Auslöser Visaverfahren. Handelsabkommen drastischer Maßnahmen. An die einzelner Staaten untereinander internationale Zusammenarbeit gewährleisten die Grundversorgung, aber auch nicht mehr. Wir leben pessimistisch glaubt kaum noch jemand. So wankt die Welt nervös in die Zukunft. gerne in der Isolation. nicht gelingende Beziehungen Alexandra Lauck, Leserin Angestrengte Geister „Die Erde wird der schönste Platz im All“, sang die Berliner Band Mutter 1994. Hat sie recht behalten? Zu den- ken, dass die Post-Corona-Welt eine Bessere wird, ist vor allem der Wunsch danach, dass sich die Krise für etwas lohnt. Derzeit investieren wir für die- sen Lohn nichts Geringeres als uns selbst. Neben Social Distancing wäre eine Investition wert, den Gedanken von seiner wirtschaftlichen Logik zu lösen. Denn es geht darum, eine Not zu überstehen, während dieser wir nicht gleichzeitig von der Couch aus Missstände revolutionieren. Der Aus- nahmezustand kreiert nicht selbst- ständig eine Welt „danach“. Solange es Menschen gibt, die an Händewaschen aus Wassermangel gar nicht erst zu denken brauchen, kann die Welt ad hoc keine bessere werden. Was sich dennoch lohnen würde, wäre, sein Pri- vileg zu investieren, indem man sich zum Handeln bemüht, Verantwortung für die Welt zu übernehmen, in der wir leben wollen. Mutter hat zehn Jahre später den Song „Wer hat schon Lust, so zu leben“ veröffentlicht. Scheinbar konnten sie sich noch nicht einmal selbst recht geben. Quelle: Zukunftsinstitut gearbeitet und mehr Zeit mit meinen Liebsten verbracht, wäre nicht im- mer dem gefolgt, was andere von mir verlangt haben, und wäre näher bei mir gewesen.“ Darauf wird sich die Welt nach der Krise ausrichten: we- niger Kram, weniger Arbeit, um Platz zu schaffen für die wirklich wichti- gen Dinge im Leben. Für Liebe und Freundschaft, für die Möglichkeit, zu sich selbst zu finden und einen Bei- trag für etwas Größeres zu leisten. Der Corona-Virus tötet gerade ein Prozent der Menschen, die mit ihm in Kontakt kommen. In Wirklichkeit vernichtet menschliches Handeln Jahr für Jahr in gleicher Weise alles, was ihm ausgesetzt ist: Populationen von Insekten, Vögeln und Fischen, fruchtbare Böden, Regenwald, Man- groven, Korallenriffe. Wir sind der Corona-Virus für die Natur. Mit ei- nem Unterschied: Der Virus wird ab einem bestimmten Punkt abebben. Wir dagegen verhalten uns wie ein ständig wiederkehrendes Unheil. Tausende Spezies sterben jedes Jahr aus. Der Corona-Virus bietet uns die Chance, eine andere Welt zum Leben zu erwecken, die sich weniger um Be- sitz dreht, die weniger hektisch und erfüllt von destruktivem Handeln ist. Es könnte eine Welt sein, die die Din- ge in den Fokus nimmt, die wirklich zählen – und in der Krankenschwes- tern keine Reue-Klagen mehr hören. DIES IST EINE GESPONSERTE ANTWORT, ALSO EINE ANZEIGE SOLIDARITÄT GEGEN KRISEN WELTWEIT Corona bedroht die ganze Welt. Wir alle sind betroffen. Der Kampf ge- gen die Ausbreitung des Virus bindet unsere Kräfte. Doch darüber dürfen wir nicht jene humanitären Katastro- phen vergessen, die Menschen weiter durchleiden müssen. Auch nach Corona wird es Kriege und Konflikte geben, etwa in Syrien und im Jemen. Es wird Dürren und Stürme geben, Millionen Menschen werden noch immer auf der Flucht sein und unter schwierigen Bedin- gungen in Camps leben. Die Men- schen, die schon vor Corona in Not waren, brauchen auch während und nach der Krise unsere Hilfe – mehr denn je. Eine Welt nach Corona wird uns auch weiterhin vor große Herausfor- derungen stellen. Sie wird aber auch von der Erfahrung geprägt sein, dass wir alle im selben Boot sitzen. Dass uns nur weltweite Solidarität aus weltweiten Krisen führt. Auf diese Erkenntnis müssen wir aufbauen. Das dürfen wir nicht wieder verges- sen – auch nicht, wenn in Zukunft Menschen in Not unsere Unterstüt- zung brauchen. Hand in Hand mit unseren Partnern auf der ganzen Welt stehen wir als Diakonie Katas- trophenhilfe den Menschen bei. Während der Krise und ganz sicher auch danach. Mehr Informationen unter: www.diakonie-katastrophenhilfe.de Spenden Sie an die Diakonie Katastrophenhilfe, Berlin Evangelische Bank | IBAN DE68 5206 0410 0000 5025 02 | BIC GENODEF1EK1 Stichwort Corona-Hilfe weltweit Online unter: www.diakonie-katastrophenhilfe.de/spenden