+3 Magazin April 2020 | Page 10

+2 10 › Jonas Schmidt-Chanasit, Leiter Arbeitsgruppe Arbovirologie, Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin (BNITM) Hamburg Schutz vor der nächsten Pandemie Kein Mensch weiß, wie viele Viren- arten auf der Welt existieren. Schät- zungen reichen bis zu 10 31 – das ist eine Zehn mit 31 Nullen. Was wir aber sicher wissen, ist: Alle Viren, die uns Menschen in den vergangenen Jahr- zehnten Ärger gemacht haben, sind zoonotische Viren. Also Viren, die von Wirbeltieren auf den Menschen über- tragen wurden. Diese Viren stehen im Zentrum unseres Interesses. Ihre Wirtstiere leben oft in abgelegenen tropischen Regionen. Wir reisen da- her regelmäßig nach Afrika und Süd- ostasien und suchen im Dschungel nach Wirbeltieren und den mit ihnen vergesellschafteten Viren – erst mit Fallen, dann mit molekularbiologi- schen Labortechnologien. Nach einer solchen Expedition geht es ins Labor. Wir wollen wissen: Können diese Vi- ren menschliche Zellen infizieren? Machen sie Menschen krank? Wie leicht lassen sie sich übertragen? Nach Jahren mit aufwändigen Laborexperi- menten mit den aktiven Viren haben wir Antworten und können einschät- zen, welches Risiko von einem Virus ausgeht. Und wenn wir die geneti- schen Eigenschaften dieser Viren und die Struktur ihrer Proteinbestandteile kennen, können wir sogar eine zuver- lässige Diagnostik – die nun dringend benötigten Schnelltests – entwickeln oder auch Impfstoffe. Die könnten wir einsetzen, sobald es zu einer Epi- demie mit einem dieser Viren kommt. Das Problem dabei: Allein die Zahl der Säugetier-Viren wird auf mehr als 300.000 geschätzt. Es gleicht der Su- che nach der Nadel im Heuhaufen. HOHE MESSLATTE Medizinforschung gestern und morgen Helden von heute Ich empfinde es als sehr wohltuend, dass viele in der Gesellschaft jetzt kla- rer sehen und erkennen, wer die wah- ren Helden in der Gesellschaft sind. Nicht Instagram-Influencer und Popsternchen, sondern Pflegekräfte, Mediziner und Forscher. Der Zusam- menhalt in unserem Land wird nicht durch das Trällern eines Liedchens bestimmt, sondern durch die heraus- ragende Spitzenforschung, die es uns hoffentlich bald mit der Entwicklung eines Impfstoffes ermöglichen wird, unser liebgewonnenes Alltagsleben wieder aufzunehmen und gesund zu bleiben. Woran Politiker oftmals scheitern, machen meines Erachtens Forscher in mustergültiger Weise vor: eine effektive und intelligente Zusammenarbeit auf globaler Ebene. Viele Probleme der Welt lassen sich nur lösen, wenn Menschen kooperie- ren. Ich bin überzeugt davon, dass die akute Pandemie, aber auch andere Gesundheitsrisiken, durch universale Forschungsnetzwerke lösbar sind. Ich ziehe auch meinen Hut vor Forschern, die in der jetzigen Situation Tag für Tag komplexe Zusammenhänge ver- ständlich erklären, damit alle Bürger den Ernst der Lage begreifen können, ohne zu verzweifeln. Und deswegen trägt der Held von heute kein Desig- nerkleid, sondern einen Kittel. 44% 35% 43% Behandlung von neurologischen Erkrankungen Behandlung von Krebs 2060 2019 1980 Umfrage unter 1.000 Personen in Deutschland, Juli 2019; Mehrfachnennungen möglich Quelle: Amgen Stephan Sieber, Professor für Organische Chemie, Technische Universität München Entwaffnen statt töten Antibiotika gelten als zuverlässige Me- dikamente gegen bakterielle Infektio- nen. Allerdings werden Antibiotika- resistente Keime zunehmend zum Problem. Woran liegt das? Beim Tei- lungsprozess von Bakterien kommt es immer wieder zu spontanen Fehlern, sogenannten Mutationen. Erfolgt eine solche Mutation in einem Angriffsziel des Antibiotikums, kann dieses nicht mehr binden und der entsprechende 8% 3% Europa Nordamerika Asien Rest der Welt Quellen: Vaccines Europe, Statista DIES IST EINE GESPONSERTE ANTWORT, ALSO EINE ANZEIGE viduelle Asthmatherapien zu entwi- ckeln, um mehr Patienten zu helfen. Denn Asthma ist nicht gleich Asth- ma. Es gibt viele Untergruppen, die über die klassische inhalative Thera- pie hinaus spezifische Behandlungen benötigen. Um diese weiter zu erfas- sen, verfolgt AstraZeneca einen drei- stufigen Ansatz, wobei wir uns als in- ternationaler Pharmakonzern so nah wie möglich an der Wissenschaft ori- entieren: Wir verbessern zum einen die inhalativen Therapien, die weiter die Grundlage der Asthmabehand- lung bilden. Zum anderen forschen wir intensiv an biologischen Präzisi- onstherapien, also Wirkstoffen, die 38% Stammzellenforschung Aids-Forschung 13% Asthma ist eine der häufigsten chro- nischen Krankheiten. Etwa 300 Millionen Betroffene gibt es welt- weit. All diese Menschen zählen in der Covid-19-Pandemie zur Risiko- gruppe, vor allem wenn ihr Asth- ma schlecht eingestellt ist. Uns von AstraZeneca geht es darum, indi- 58% Behandlung von Krebs 33% Früherkennung von Krebs Organ-Transplantationen 76% Therapien nach Maß kommenden 40 Jahre 47% Friedhelm Mannig, Leser VIRENSCHUTZ MADE IN EUROPE In Europa werden rund Dreiviertel der weltweiten Impfstoffmengen produziert Dr. Klaus Hinterding, Medizinischer Direktor AstraZeneca Deutschland Die größten zu erwartenden Die größten medizinischen Erfolge der letzten 40 Jahre Bakterienstamm überlebt. Es kommt zu einer Selektion dieser resistenten Spezies. Das ist das grundlegende Dilemma aller antibiotischen Wirk- stoffe. Eine Alternative dazu ist das Entwaffnen: Bakterien sind nicht per se schädlich. Schadhaft sind vor allem ihre Giftstoffe, die sie herstellen. Ge- länge es, diese Giftstoffe auszuschal- ten, dann würden sie keinen Schaden mehr anrichten und über kurz oder lang über die Immunantwort elimi- niert. In meiner Arbeitsgruppe entwi- ckeln wir Wirkstoffe, die einen zentra- len Regulator der Infektionskraft von Bakterien ausschalten. Die behandel- ten Bakterien produzieren keine Toxi- ne mehr und sind entsprechend nicht mehr infektiös. Und da die Bakterien nicht getötet werden, fehlt der Selekti- onsdruck für Resistenzen. Außerdem bleibt das essenzielle Mikrobiom der Darmflora geschützt und wird nicht wie bei einer Antibiotika-Behandlung ebenfalls entfernt, was zu Nebenwir- kungen führen kann. Unser Augen- merk richtet sich nun darauf, aus die- ser spannenden Grundlagenforschung einen neuen therapeutischen Ansatz zu entwickeln. Fritz Lerke, Leser Netzwerk mit Erfolg aus oder mithilfe von biologischen Organismen erzeugt werden – wie etwa aus Zellen hergestellte immu- nologische Antikörper. Das Ziel sol- cher Präzisionstherapien ist es, die Wirksamkeit und Sicherheit in genau definierten Patientengruppen, also für Patienten mit einer bestimmten Asthma-Art, deutlich zu verbessern. Und schließlich wollen wir langfris- tig das Fortschreiten der Krankheit stoppen, um den Patienten ein bes- seres Leben zu ermöglichen. Aktuell befinden wir uns dafür noch in der frühen Entwicklungsphase, aber die bisherigen Ergebnisse stimmen uns sehr zuversichtlich. Aus meiner Sicht ist es ein immen- ser Vorteil des Forschungsstandortes Deutschland, dass ein Zusammenspiel von Universitäten, öffentlichen medi- zinischen Instituten und der Pharma- industrie möglich ist. Natürlich ist im Zuge der Corona-Krise der Fokus der Öffentlichkeit auf Entwicklungen im Zusammenhang mit der Bekämpfung des Virus fixiert. Das heißt aber nicht, dass alle anderen Krankheiten plötzlich verschwunden sind. Gerade bei der Er- forschung von Medikamenten bei chro- nischen Krankheiten und der Krebs- therapie hat sich meines Erachtens sehr viel getan in den letzten Jahren, wofür zahlreiche Patienten sehr dankbar sind.