+3 Magazin April 2019 | Page 20

+3 20 › Philipp Riederle, Unternehmensberater und Autor Wir sind die digitale Generation Ihr wollt uns als Kunden und Mitar- beiter? Gar nicht so einfach – das habt ihr wahrscheinlich schon festgestellt. Knapp eine Million offene Stellen und über 50.000 unbesetzte Ausbil- dungsplätze allein in Deutschland zeugen davon. Die schicke Stellenan- zeige auf Facebook oder der nichts- sagende Imagefilm auf Youtube? Lo- cken schon lange keinen Millennial hinter dem Bildschirm hervor. Dank Bewertungsplattformen wie kununu haben wir euch schon vor dem ersten Kontakt durchleuchtet. Für ein alt- modisches, analoges, veränderungs- resistentes Arbeitsumfeld ist uns un- sere Energie zu schade, wir wollen gestalten. Also: Wie ernst meint ihr es wirklich mit eurer digitalen Trans- formation? Kickertische, Bionade und ein Du? Nein, danke! Das ist viel zu kurz gedacht. Es geht darum, die neuen Anforderungen und komple- xen Zusammenhänge zu verstehen. Und konsequent zu handeln. Unter- nehmensorganisation, Führungsver- halten, digitale Tools und Prozesse, Skills und Verhaltensweisen, Arbeits- zeiten und Arbeitsorte. Überall dort gilt es, sich auf das digitale Zeitalter einzustellen. Denn nur dann seid ihr überhaupt in der Lage, Geschäftsmo- delle zu entwickeln, die in der digi- talen Marktordnung überleben. Und Produkte, die unsere Generation als Kunde begeistern. Also: Stellt euren gesamten Laden auf den Kopf, schafft innovative Arbeitsbedingungen, da- mit wir mit euch an eurer Zukunft ar- beiten. Wir sind bereit. Ihr auch? TEAMARBEIT Mit wem Unternehmen ihre Industrie-4.0-Strategie entwickeln Mit eigenen Mitarbeitern (zum Beispiel Produktionsleiter oder Chief Digital Officer) 86% In Kooperation mit mielständischen oder großen IT-Unternehmen 40% Mit Hilfe externer Berater (zum Beispiel Unternehmensberatung oder IHK) 36% In Kooperation mit wissenschaftlichen Einrichtungen 13% In Kooperation mit Webewerbern Michael B. Strecker, Leser 7% In Kooperation mit Startups 2% Umfrage unter 388 Industrie-4.0-Anwendern und -Planern deutscher Industrieunternehmen ab 100 Mitarbeitern, 2018; Mehrfachnennungen möglich Quellen: Bitkom, Statista Daten für alle? Daten sind der Treibstoff der Digi- talisierung. Der Zugang zu erhobe- nen Daten wird in komplexen Lie- fernetzwerken individualvertraglich geregelt. Hier haben Großkonzerne, bei denen die Daten in der Regel an- fallen, eine enorm starke Verhand- lungsposition. Zwingende Vorgaben im Vertragsrecht könnten kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) helfen. Entfernten Zulieferern oder Unbeteiligten, die ihr Produkt, etwa einen Regensensor für Autos, ver- bessern oder ein neues, zum Beispiel eine Wetter-App mit den Daten des Regensensors, auf den Markt bringen wollen, fehlt jedoch oft bereits die Vertragsbeziehung zum faktischen DIES IST EINE GESPONSERTE ANTWORT, ALSO EINE ANZEIGE Sigurd Seifert, Director Marketing und Business Development, SD Worx Deutschland Stiefkind Human Resources Kein Land der Erde hat so viele Weltmarktführer wie Deutschland – gut 1.300 der Champions sind mittelständische Unternehmen aus unserem Land. Diese Spitzenbe- triebe haben den Weg in die digita- le Arbeits- und Lebenswirklichkeit erfolgreich bewältigt. Ein Bereich hinkt indes hinterher. Wir befinden uns im Jahr 2019 nach Christus. Alle mittelständischen Betriebe sind komplett digital. Komplett? Nein, eine von unbeugsamen Personalma- nagern bevölkerte Abteilung hört nicht auf, der Digitalisierung Wider- stand zu leisten: Human Resources. In vielen mittelständischen Unter- nehmen bedeutet HR noch heute Verwaltung statt Wertschöpfung. Aufwändige Prozesse werden nur zögerlich digitalisiert – man scheut den Aufwand und fürchtet sich vor dem Verlust von Arbeitsplätzen. Eine internationale Umfrage des Payro- ll- und HR-Dienstleisters SD Worx sieht Deutschland in Sachen HR- Digitalisierung auf dem letzten Platz, die grundlegenden administrativen Aufgaben werden noch weitgehend offline erledigt. Arbeitnehmer und Personalabteilung halten sich folg- lich lange mit Spesenabrechnungen und Urlaubsanträgen auf, anstatt sich wertschöpfenden Aufgaben zu widmen. Doch insbesondere global tätige mittelständische Unterneh- men haben die Zeichen der Zeit er- kannt. weil sie in die Digitalisierung von meist länderübergreifenden HR- Systemen investieren. Die ideale Be- gleitung auf diesem Weg sind inter- national erfahrene Dienstleister wie SD Worx. Inhaber der Daten, die sie dafür be- nötigen. Im Gespräch ist daher ein „Daten für alle“-Gesetz mit zwangs- weisen Zugangsrechten. Das zielt vor allem auf monopolistische Internet- riesen, die Daten oft nur horten, ohne sie einer wirtschaftlichen Nutzung zuzuführen. Dabei könnten sie die nicht verbrauchbaren Güter teilen, ohne etwas zu verlieren. Doch wer programmiert die neuen Systeme, wenn in Deutschland gerade in KMU fähige Programmierer Mangelware sind? Sorgt der freie Datenzugang am Ende dafür, dass Internetriesen ihre Marktmacht mit den Daten von KMU weiter ausbauen? Damit das Gesetz nicht zum wettbewerbspoli- tischen Bumerang wird, wären zu- mindest Ausgleichsregelungen für die Erhebungs- und Bereitstellungs- kosten nötig. Eine Beschränkung auf spezifische Datensätze könnte ver- bleibende datenschutzrechtliche Be- denken abdämpfen. Stephan Langer, Leser Realitäts-Check Wenn wir uns in Deutschland wei- ter in die Tasche lügen und glauben, dass wir bei der digitalen Transfor- mation im globalen Vergleich vorne mit dabei sind, dann wird das Erwa- chen nur umso erschreckender sein. Ich empfehle hier eine Reise in die hochentwickelten Zentren in Mittel- und Ostasien, um sich mit der Reali- tät auseinanderzusetzen. Thomas Schildhauer, Professor für Electronic Business und Marketing, Universität der Künste Berlin Das Lernen hört niemals auf Der Umgang und das Lernen mit di- gitalen Medien ist fester Bestandteil des privaten und beruflichen Alltags. Eine Entwicklung, die auch für Un- ternehmen gewinnbringend genutzt werden kann, denn mit neuen Tech- nologien wie Augmented Reality oder Sprachsteuerung werden neue For- men des Lernens ermöglicht. Weiter- bildung hat damit das Potenzial, auf eine neue Stufe gehoben zu werden: Durch Lernen mit digitalen Medien wird es möglich, mit der Entwick- lungsgeschwindigkeit der digitalen Transformation Schritt zu halten und gerade auch die eigenen Mitarbeiter auf dem aktuellen Stand zu halten. Die Kompetenzentwicklungsstudie Industrie 4.0, die 2016 im Auftrag des Bundesministeriums für Bildung und Forschung unter meiner fachlichen Begleitung durchgeführt wurde, be- schrieb konkrete Anforderungen an Weiterbildungen bezüglich der neuen Herausforderungen. Darauf aufbau- end haben wir ein Lernsystem entwi- ckelt, das wichtige Eigenschaften auf- weist wie den rollenbasierten Zugang, individuelle Lernpfade, kontext- und situationsbezogene kleine Lernein- heiten, die ortsunabhängige Nutzung und die motivationsförderliche Auf- bereitung der Inhalte. Das System ist inzwischen in vielen Unternehmen erfolgreich im täglichen Einsatz. Es zeigt sich: Neue Arbeitsmodelle und lebenslanges Lernen gehen Hand in Hand. Neue Formen des Lernens und Arbeitens sind im Rahmen einer Mit- arbeiterentwicklung 4.0 nicht mehr voneinander zu trennen. Heinz Ohlig, Leser Trügerische Sicherheit Die kleinen und mittelgroßen Un- ternehmen sind das Rückgrat unse- rer Wirtschaft. Mit ihrer Leistung und ihren Produkten bilden sie die Grundlage für den weltweit guten Ruf der Marke „Made in Germany“. Al- lerdings müssen wir aufpassen, dass es mittelfristig keine Trennung zwi- schen den Begriffen Ingenieurskunst und Technologie gibt. Denn während man Deutschland mit Hochleistungs- maschinen und Konstanz verbindet, denkt man weltweit beim Thema Fortschritt immer mehr an den asiati- schen und nordamerikanischen Raum als Herkunftsorte von Hochleistungs- technologie. Da in diesem Bereich die wirtschaftliche Zukunft entschieden wird, müssen die deutschen Unter- nehmen aufpassen, dass sie ihre Plät- ze an der Weltspitze halten können – sonst haben wir bald ein Problem.