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Christoph Kuhn,
Professor für Entwerfen
und Nachhaltiges Bauen,
Fachbereich Architektur
der Technischen Universität Darmstadt
Ästhetisch sparen
Die Energiewende bedeutet die Umstellung auf eine erneuerbare Energiegewinnung. Gebäude verbrauchen
Energie bei ihrer Erstellung, während
der Benutzung und früher oder später
auch bei ihrer Entsorgung. In Zukunft
werden unsere Häuser aber Mitspieler
sein in einem umfassend vernetzten
Energiekreislauf. Sie nehmen und geben im Rhythmus ihres Lebenszyklus
als Teil eines komplexen Ganzen, in
dem Immobilie und Mobilität verschmelzen werden. In diesem Wechselspiel besteht die akute Gefahr, dass
Architektur zur hochtechnisierten
Maschine mutiert. Die gebaute Welt
darf neben der Funktionserfüllung
ihre originäre Bestimmung der Übertragung sinnlicher Erfahrungen auf
allen Wahrnehmungsebenen nicht
verlieren. Wenn die Neutralisierung
der energetischen Gesamtbilanz mit
dem Verlust gestalterischer Identität,
Komplexität und Vielfalt einhergeht,
bauen wir weder nachhaltig, noch
entsteht Architektur. Dies gilt für
Rudi Bertram,
Bürgermeister der
Stadt Eschweiler
Nicht um jeden Preis
Eschweiler, eine Stadt von 56.000
Einwohnern circa 15 Kilometer östlich von Aachen, ist Standort eines
Braunkohlekraftwerkes mit direkter
Anbindung an einen Braunkohletagebau. In unserer Stadt ist die Energiewende schon seit längerer Zeit
Neubauten und mehr noch für den
Gebäudebestand mit seinem kulturellen und energetischen Gedächtnis. Gesetzliche Regelungen sollten die Ziele
vorgeben, nicht aber den Weg dorthin.
Nur so wird technologische und architektonische Innovation angeregt. Effizienz, genügsamer Raumverbrauch
und die Einbindung in geschlossene
Ressourcenkreisläufe müssen eine
ausbalancierte Verbindung eingehen.
Am Ende zählt die wahrnehmbare
architektonische Qualität unserer Lebensräume. Das eine bleibt ohne das
andere nachhaltig wertlos.
Jan David Busch,
Leser
Vorreiter Deutschland
Aus meiner Sicht haben wir in Sachen
Energiewende schon einen großen
Schritt in die richtige Richtung gemacht, wenn man sich vorstellt, dass
vor 50 Jahren noch niemand etwas mit
dem Begriff Energiewende anfangen
konnte. Natürlich ist immer Verbesserungspotenzial vorhanden, aber man
angekommen, da bereits Kraftwerksblöcke im Braunkohlekraftwerk abgeschaltet wurden und mehrere hundert
Arbeitsplätze weggefallen sind. Unsere Stadt wurde historisch geprägt
durch den Steinkohlebergbau und
die Stahlindustrie, welche bereits in
den letzten Jahrzehnten von einem
Strukturwandel betroffen waren. Dessen Auswirkungen erkennt man heute
noch an der hohen Arbeitslosenquote
von neun Prozent. Ich sehe es mit Besorgnis, wenn man nun die Energiewende kurzfristig umsetzen und den
Kohleausstieg forcieren möchte, ohne
die Arbeitsplatzverluste zu berück-
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Christine Krüger,
Wuppertal Institut für
Klima, Umwelt, Energie
GmbH
Reserven schaffen
Mit dem Fortschreiten der Energiewende wird Flexibilität im Stromsystem, wie sie Energiespeicher bieten,
immer wichtiger. Die Forschung in
diesem Bereich konzentriert sich derzeit auf zwei Aspekte: Kosten senken
und Energieverluste verringern. Doch
kann die Atomkraft nicht einfach von
einen auf den anderen Tag abschaffen.
Ich denke, wir in Deutschland leisten
sehr viel für die Energiewende und andere Länder – auch europäische – sollten sich ein Beispiel daran nehmen.
Hubert Freisinger, Leser
Ich habe es noch erlebt, als es in
Deutschland häufig zu Stromausfällen
kam. Eine Energiewende birgt wieder
genau diese Gefahren für mich. Es ist
doch nicht nachhaltig, wenn plötzlich
alles in der Gefriertruhe auftaut und es
zappenduster wird.
sichtigen. Von der Bevölkerung wird
die Energiewende gestützt, doch sollte
man den Menschen in der Stadt und
der Region eine Chance geben und in
den nächsten Jahren neue Arbeitsplätze schaffen. Wichtig ist nicht nur
die Energiewende,