+3 Magazin April 2015 | Page 16

+3 16 › Anton Hofreiter, Fraktionsvorsitzender der Grünen im Bundestag Die Klimakrise kann nur die Einsicht stoppen, dass es uns Menschen an den Kragen geht, wenn wir weiter die Atmosphäre mit CO2 vollpumpen. Die Klimakrise ist ein riesiges Marktversagen. Das knappe Gut heißt intakte Atmosphäre. Sie kostet nichts und wird deswegen verschwendet. Bei einem so gravierenden Versagen zum Nachteil aller sind harte Staatseingriffe notwendig und gerechtfertigt. Für Deutschland heißt das: Wir müssen die erfolgreiche Energiewende fortführen und auf Industrie, Verkehr, Gebäude und Landwirtschaft übertragen. Dafür brauchen wir zum Beispiel ein Turbo-Programm für mehr Dämmung. Und wir sollten Schluss machen mit Milliarden Euro Subventionen für den Flugverkehr, der keine Steuern auf Kerosin bezahlen muss. Aber auch Unternehmen sind gefordert. Eon und RWE haben jüngst gezeigt, wie man mit klimaunver- Michael, Leser Eduard Langner, Leser DER KLIMASCHUTZ DER ANDEREN Allmendetragik beenden! Natur oder Weltall träglicher Unternehmensführung an die Wand fährt. BMW und Daimler sollten daraus lernen. In neuen klimafreundlichen Technologien liegen unternehmerische Chancen. Ich hoffe auf mehr Unternehmer, die zupacken – statt gegen vernünftige Regeln anzulobbyieren. Es kommt aber auch auf uns Einzelne an. Wir entscheiden mit, wie groß unser ökologischer Fußabdruck ist. Das meint nicht Verzicht – man kann auch mit weniger CO2-Ausstoß die Sau rauslassen. Aber den Mut zum Neuen, den braucht es. Ohne, dass wir anders leben, essen und reisen, wird es nix mit dem Klimaschutz. Kein Strom aus Kohle Der Klimawandel wird nicht gestoppt. Er kann nur teilweise verlangsamt werden, wenn der Ausstieg aus den Braunkohlekraftwerken, auch den neuen im Betrieb, erfolgt. Ilonka, Leserin Vielleicht Glück Könnte gut sein, dass der viele Staub in den oberen Schichten der Atmosphäre den Klimawandel stoppt – oder wir helfen mit Geoengineering nach. DASS ES NICHT IMMER EINEN SIEGER GEBEN MUSS, ZEIGT DER AKTUELLE KLIMASCHUTZ-INDEX: WEIL KEIN LAND DER WELT SICH STARK GENUG ENGAGIERT, BLEIBT DAS SIEGERTREPPCHEN EINFACH FREI. Den Klimawandel stoppt nicht der Mensch, sondern ein unvorhergesehenes Ereignis wie ein Vulkanausbruch oder ein Meteoriteneinschlag; nur dass eben dann eine Eiszeit erfolgen könnte. Johannes Fuchs, Leser Auto teilen Der Klimawandel ist die logische Konsequenz aus dem Verhalten der Menschheit – er ist nicht wegdiskutierbar oder ignorierbar; er ist Teil des Seins der Menschheit geworden. Die Frage ist somit nicht korrekt gestellt und müsste lauten: „Wie lässt sich der Klimawandel mit dem unbedingtem Überlebenswillen vereinbaren?“ Wir sind an dem Punkt angelangt, an dem die Effekte der klimatischen Veränderungen unumkehrbar sind, daher werden wir alle massiv umdenken lernen müssen. Das beginnt beim Einzelnen, der sich klar bewusst machen muss, welchen Beitrag er zur Klimaerwärmung leistet, bis hin zum Großunternehmen, das nicht nur die Ressourcen vernichtet, sondern schädliche Stoffe direkt in der Atmosphäre einbringt. Es ist der Einzelne vor Ort, der mit seinem Handeln beeinflusst, wie es bei uns allen weitergeht. Wenn also ein Pendler alleine im Auto zur Arbeit fährt, ist sein Verhalten egoistisch und ein Grund, warum wir da sind, wo wir sind. Daher ist er aufgerufen, sich zu überlegen, seinen Wagen mit drei Kollegen zu teilen, was den Ausstoß an klimaschädlichen Gasen reduzieren würde – und zwar um 75 Prozent! Wir alle sind gefragt – nicht morgen, nicht in einer Woche, sondern sofort, hier und jetzt. Daher müssen wir bereit sein, unseren Luxus zu teilen und unsere Bequemlichkeit zugunsten eines veränderten, aber noch lebenswerten Planeten aufzugeben. Reinhard Lindenhahn, Leser Nur alle. Also keiner. Die Gesamtpunktzahl setzt sich zusammen aus den gewichteten Punktzahlen in den jeweiligen Kategorien Quelle: Germanwatch Christina Deckwirth, Campaignerin bei Lobbycontrol Der Kampf gegen die Klimagegener Die Lobbyisten der Industrie wirken oftmals wie Bremsklötze, wenn es darum geht, den Klimaschutz voranzutreiben. Verschiedene Wirtschaftsbranchen sehen ihre Interessen in Gefahr. Die dortigen Unternehmen und deren Verbände verfügen über das notwendige Geld und gute Kontakte, um aufwändige Lobbyarbeit zu betreiben. So ist bekannt, dass der Ölkonzern Exxon in den Jahren 1998– 2005 über 16 Millionen US-Dollar in klimaskeptische Gruppen pumpte. Mit Erfolg – in den USA glaubt mittlerweile nur noch eine Minderheit, dass die Verbrennung fossiler Rohstoffe das Klima verändert. In Deutschland bietet das Europäische Institut für Klima und Energie (EIKE) aus Jena eine Plattform für Veranstaltungen und Publikation der deutschen Klimaskeptiker. Über seine Finanzierung hüllt sich EIKE in Schweigen – hier braucht es dringend mehr Transparenz. Bedeutender als die Klimaskeptiker sind in Deutschland allerdings die Akteure, die die Instrumente der Klimapolitik in Frage stellen. Die Energiewende sei zu teuer, lautet das Argument. In den Tagebauregionen im Rheinland und in der Lausitz fahren RWE und Vattenfall millionenschwere Kampagnen, um den Ausstieg aus der Kohle zu verhindern. Die Autolobby vereitelte jüngst strengere Grenzwerte für klimaschädliche Autoabgase in Brüssel, um ihre schweren „Premiummodelle“ verkaufen zu können. Diese Einflussnahmen erzeugen eine Schieflage, durch die es Klimaschützer zuweilen schwer haben, mit ihren Argumenten durchzudrin gen.